Tierhaltung in Deutschland: Antibiotika ohne Ende?
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellte vor wenigen Tagen die Evaluierung des nationalen Antibiotikaminimierungskonzeptes für Masttiere vor, welches 2014 in Kraft getreten war. Während die Menge verabreichter Antibiotika insgesamt signifikant zurückgefahren werden konnte, blieb ein besorgniserregendes Ergebnis am Ende stehen: Der weiterhin hohe Einsatz in der Geflügelmast, vor allem von Reserveantibiotika, die eigentlich nur bei Menschen eingesetzt werden sollten. Klöckner nimmt nun die Geflügelwirtschaft in die Pflicht und fordert von ihr, bis September einen Fahrplan vorzulegen, mit dem die hohen Mengen an Reserveantibiotika abgebaut werden sollen.
Rupert Ebner kritisiert die weiterhin mangelnde Transparenz und Klarheit in der Datenlage: „Es müsste konsequent ermittelt werden, wie viele Tage ihres Lebens, Tiere in unterschiedlichen Haltungssystemen mit Antibiotika behandelt werden. Die Daten liegen bei jedem Tierhalter sowie in jeder Tierarztpraxis mit den Anwendungs- und Abgabebelegen vor und müssten nur ausgewertet werden. Die Haltung, die den systematischen Einsatz von Antibiotika voraussetzt, müsste dann unterbunden werden, und zwar vom Gesetzgeber“. Dass die Politik ihre Verantwortung jetzt erneut an die Wirtschaft abgibt, ist für Ebner nicht nachvollziehbar: „Das Herumdoktern mit Freiwilligkeit beim Tier- und letztlich auch Menschenwohl muss ein Ende haben. Wenn wir es der kapitalintensiven Geflügelwirtschaft überlassen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, dann werden diese am Ende der Sache selbst dienen. Denn natürlich handeln sie in ihrem Interesse“. Den routinemäßigen Antibiotikaeinsatz für alle Nutztierarten drastisch zu reduzieren, setze eine intensive Reflexion über Haltungsbedingungen voraus, so Ebner. Die Rückkehr zu geschlossenen Systemen etwa ermögliche, dass Tiere weniger erkranken. „Tiere sollten an einem Ort geboren, aufgezogen und geschlachtet werden. Aber es wird wohl kaum dieser Vorschlag sein, den die Großindustrie in zwei Monaten vorlegt“, vermutet Ebner.
Aus Sicht von Slow Food sind die zentralen Voraussetzungen für die Reduzierung von Antibiotika: Die Zucht robusterer, immunstarker Rassen, eine artgerechte Fütterung und wesensgemäße Haltung sowie die Finanzierung über höhere Preise für alle tierischen Erzeugnisse. Die besseren Standards muss die Politik gemeinsam mit unabhängigen Expertinnen und Experten diskutieren, erarbeiten und gesetzlich bindend festlegen. Mittragen und einfordern aber müssen es natürlich auch die Verbraucherinnen und Verbraucher, sonst gelingt diese Veränderung nicht. Das, was weite Teile der Zivilgesellschaft an der industriellen Tierhaltung beklagen, muss sich in den Einkaufs- und Ernährungsgewohnheiten niederschlagen. Das hieße weniger Fleisch bzw. weniger tierische Produkte!