Chef Alliance: Sicherlich werden mehr Menschen regional denken
Im Hintergrund bei Ihnen brutzelt es, was bereiten Sie zu?
Eintöpfe für 140 Menschen. Wir beteiligen uns ehrenamtlich am 'Kochen für Helden' und bereiten kostenloses Mittag- und Abendessen für Flüchtlingsheime, Obdachlose, die Berliner Tafel, Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen zu, also auch für Menschen, die unser System gerade aufrechterhalten. Denn es gibt kaum noch kulinarische Infrastrukturen für sie. Die Kantinen haben zu, Angebote ums Eck ebenfalls. Ich möchte die Menschen glücklich und satt machen und sorge gleichzeitig dafür, dass sie von unserem Restaurant erfahren. Die Großmärkte versorgen uns dafür mit Lebensmitteln. Die haben die Lager voll. Alleine diese Woche stehen uns über 450 Kilo Lebensmittelsponsoring zur Verfügung.
Wenn Sie mir ein kurzes Blitzlicht zur aktuellen Situation geben, wie fällt das aus?
Finanziell ist die Situation für uns wie für sehr viele Menschen verschiedener Branchen ein Fiasko. Unser Restaurant ist seit Mitte März geschlossen, zur Sicherheit unserer Gäste und auch zu unserer eigenen. Für Michael und mich war das erstmal ein Schock, weil wir aufgrund ungewollter Umbaumaßnahmen bereits im November und Dezember zumachen mussten. Es mussten Hausrohre ausgetauscht werden, die unter unseren Räumen verliefen. Somit musste der Boden komplett aufgerissen werden. Deshalb fehlt uns das Polster aus dem Winter. Das ist natürlich hart.
Welchen Weg gehen Sie gerade, um die aktuelle Phase zu überbrücken?
Dem Einwecken sei Dank (lacht). Was uns jetzt hilft ist unser kleines Unternehmen 'Weck die Heimat - Gerichte deiner Kindheit', welches wir vor fünf Jahren ins Leben gerufen haben. Wir stellen eingeweckte Gerichte für den täglichen Bedarf her, wie Königberger Klöpse, verschiedene Gulasche und Suppen. Die Menschen wärmen es zuhause nur auf. Mit diesen Weckgläschen sowie mit unserem hausgebackenen Brot machen wir mittwochs und samstags einen Außer-Haus-Verkauf. Es gibt viele Menschen, darunter Stammgäste, die uns damit unterstützen. Wenn wir es schaffen, 100 bis 150 Gläschen pro Woche zu verkaufen, wäre ich schon glücklich. Wir versuchen so, die laufenden Kosten zu decken. Ich möchte außerdem vermeiden, Viktoria, unsere Meisterin im Service, in die Kurzarbeit zu schicken. Einige Gäste unterstützen uns durch den Kauf von Gutscheinen.
Und was ist mit den Hilfspaketen?
Wir beantragen das natürlich, müssen aber wie alle anderen auch abwarten, was wir bewilligt bekommen. Je nach Liquidität muss das Geld in Teilen später zurückgezahlt werden. Die Herausforderung dabei wird für ein Restaurant in der Preisklasse wie 'Herz&Niere' sein, dass wir die Gewinne, die wir gerade nicht erwirtschaften, sondern verlieren, zu einem späteren Zeitpunkt nicht aufholen. Im Durchschnitt kommen unsere Gäste alle zwei bis drei Monate zu uns. Was nicht heißt, dass sie im Juni gleich zwei Mal kommen, nur weil sie im März nicht da waren.
Wie ist die Stimmung innerhalb Ihres Netzwerkes?
Wir schwimmen alle in einem großen Meer und keiner weiß so recht, wo die Insel ist. Viele beantragen Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeitenden, andere müssen Entlassungen aussprechen. Ich weiß von vielen Gastronomen, dass sie ihre Fixkosten ohne Einnahmen vier bis sechs Wochen tragen können. Dann wird es dünn. Und wir sind noch weit davon entfernt, die gastronomische Landschaft wieder aufzumachen. Und selbst dann werden aufgrund der wirtschaftlichen Lage viele Menschen an Freizeitaktivitäten sparen. Dazu gehört das Essen gehen. Die Folgen können wir heute noch nicht bemessen. Jetzt ist es unerlässlich, dass wir uns einander mitteilen und anpacken.
Wie sieht das beispielsweise konkret aus?
Ganz verschieden. Viele Restaurants haben auf Take away umgesattelt. Und es ist schön, dass in dieser Lage Menschen auch hochwertigeres Essen bestellen statt nur Pizza. Ich befürchte aber, dass bei vielen Verbraucher*innen mittel- bis langfristig das Geld dafür knapp wird. Wir helfen uns untereinander auch mit Arbeitskraft aus. Ich weiß, dass einige Gastronomen auf dem Wolkensteiner Hof in der Nähe von Potsdam arbeiten. Der beliefert 15 gastronomische Betriebe in Berlin mit Gemüse und macht ansonsten Abverkauf vom Hof. Jetzt fehlen ihm nicht nur die Bestellungen der Betriebe, sondern auch die Menschen, um zu ernten und neues auszusäen.
Glauben Sie, dass sich mit dieser Krise die Haltung zu Lebensmitteln verändern wird?
Sicherlich werden mehr Menschen wieder regional und im Umland denken. Das, was wir bei Slow Food schon seit Jahren machen und vermitteln passiert mit Lieferengpässen jetzt zwangsläufig. Beispielsweise haben die Menschen plötzlich wieder deutschen Dill. Menschen beschäftigen sich mehr mit Essen und dem Kochen zuhause. Das kann positive Effekte haben.
Seit Corona erleben Hamsterkäufe Renaissance. Was sagen Sie dazu?
Hamstern gründet in der Unwissenheit darüber, wie und was man einkauft und letztlich, was man zubereitet. 80 Prozent der Menschen, die jetzt so viel Hefe und Mehl hamstern, haben garantiert noch nie selber ein Brot gebacken. Das ist Irrsinn, denn genau diese Lebensmittel gehen uns nicht aus. Am Ende wird von diesen Hamsterkäufen wahrscheinlich unglaublich viel weggeworfen. Die meisten wissen mit den ganzen Massen doch gar nichts anzufangen. Allein um zu zweit fünf Kilo Pasta zu benutzen, muss ich quasi 14 Tage nur Pasta mit verschiedenen Soßen essen. Wir sollten von abwechslungsreichen Mahlzeiten satt werden, statt uns mit sinnlosem Hamstern aufzuhalten.
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