Gastronomie seit Corona: Blick nach vorn mit Sorgen
Auf ihre Gäste kann sich Katharina Bäcker vom Frankfurter Lokal beet root eigentlich verlassen. Viele arbeiten in der City um die Ecke, gönnen sich mittags eine kleine Auszeit vom Büro und genießen bei ihr eine vegetarische oder vegane Lunchpause. „Ich bin die einzige hier im Umfeld, die frisch kocht. Das wissen meine Stammgäste zu schätzen.“ Mit Corona kam das Home-Office, und im beet root durften keine Leute mehr bewirtet werden. Für Katharina Bäcker war auch ein Take-Away-Service keine Option: „Die Leute arbeiten zwar in der Frankfurter Innenstadt, wohnen aber natürlich nicht dort.“ Die Köchin hat ihr Deli erst wieder geöffnet, als sich auch die Büros wieder füllten. „Mit den neuen Abstandsregelungen habe ich jetzt zehn bis zwölf Plätze draußen, ein paar mehr im Innenraum.“ Noch sei alles im grünen Bereich, aber sie blicke mit Sorge auf den Herbst, wenn es bei kühleren Temperaturen nicht mehr möglich ist, draußen zu essen. Damit sich das Geschäft bei der begrenzten Platzzahl für sie noch lohne, müssten die Gäste theoretisch zügig essen und dann den Tisch frei machen. Oder gleich das Essen zum Mitnehmen bestellen: „Aber eigentlich koche ich nicht für die Pappschachtel.“
Absagen statt nach drinnen auszuweichen
Auch dem Gastronomen Manuel Reheis vom Münchner Restaurant Broeding treibt der Gedanke an den Herbst tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. „Während der Schließzeit war die Resonanz unserer Gäste so groß und herzlich, dass ich manchmal zu Tränen gerührt war“, sagt er. Einige hätten Briefe geschrieben, andere wollten Geld leihen oder sogar schenken. „Wir haben gedacht, wir werden überrannt, wenn das Lokal wieder aufmacht.“ Doch dem war nicht so, die Plätze füllten sich eher zögerlich. Noch kommt das Broeding damit zurecht, denn zum einen wurde Personal entlassen und zum anderen der Außenbereich erweitert: „Alle wollen draußen sitzen.“ Die Stadt München habe glücklicherweise schnell und unkompliziert einige Parkplätze vor dem Haus für die Gastronomie freigegeben. „Da haben wir jetzt eine kleine Empore für weitere Tische gebaut.“ Doch auffällig sei, dass die Gäste absagen, wenn für den Abend Regen vorhergesagt werde – statt nach drinnen auszuweichen. Zu groß sei immer noch die Angst vor vielen Menschen in Innenräumen. „Das macht nicht gerade Hoffnung für die kalte Jahreszeit.“ Auch das Catering, neben Restaurant und Weinhandel ein drittes Standbein des Broeding lohne sich eigentlich noch nicht: „Statt 25 bis 100 Leuten pro Veranstaltung sind es derzeit meist nur fünf bis 20.“
Christoph Hauser vom Berliner Restaurant Herz & Niere hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Solange das Wetter stabil ist, läuft das Geschäft – vor allem eben auf der Terrasse.“ Luft nach oben ist aber noch reichlich. „Wenn nur wenige Reservierungen für einen Abend vorliegen, dann behalten wir uns vor, auch mal nicht zu öffnen und die Gäste auf einen anderen Tag umzubuchen.“ Da deutlich weniger Tourist*innen in der Stadt seien und die meisten Gäste aus Berlin kämen, sei das machbar. Ab Oktober rechnet Hauser mit 50 Prozent Umsatzeinbußen. Und das nach rabenschwarzen zwölf Monaten, an denen das Lokal erst durch einen unverschuldeten Rohrbruch Ende 2019 und dann durch das Corona-Virus im Frühjahr zweimal mehrere Wochen schließen musste.
„Wir überlegen hin und her, ob und wie wir uns verändern.“ Nach der Wieder-Eröffnung im Mai hat das Herz & Niere am Wochenende auch ein Mittagsmenü angeboten, 3 Gänge für 35 Euro. „Das ist sehr gut angenommen worden. Wir haben viele neue Gäste begrüßt, die uns damit einfach mal ausprobiert haben.“ Am Samstagmittag wird das Restaurant auch in Zukunft nun geöffnet sein, vielleicht auch noch an anderen Tagen. „Aber eigentlich wollen wir keinen Businesslunch für 15 Euro machen.“
Kurse, Veranstaltungen, Caterings: Alles läuft nur langsam wieder an
Wie es weitergeht, steht auch bei Barbara Stadler noch in den Sternen. Sie bietet mit ihrem Unternehmen „Die Kastanie“ im nördlichen Niedersachsen Kochkurse, Schaukochen und Catering an. „Wenn überhaupt, dann läuft es nur ganz vorsichtig wieder an“, beschreibt Stadler ihre derzeitige Situation. Einige Hochzeiten, für die sie das Catering übernehmen sollte, wurden wieder abgesagt, weil die Gäste nicht einreisen durften. Die Volkshochschule plane zwar Kurse mit ihr, ob diese dann aber tatsächlich stattfinden, wisse niemand: „Alle fahren nur noch auf Sicht, langfristige Planungen gibt es nicht mehr.“ Viele Veranstaltungen, die im Frühjahr in ihrem Terminkalender standen, wurden wegen der Corona-Pandemie auf den Herbst verschoben worden. „Wenn ich jetzt nachfrage, ob daraus etwas wird, bekomme ich manchmal noch nicht mal eine Antwort. Das haut mich dann schon aus den Puschen.“
Stadler schwankt zwischen Zuversicht und Pessimismus. „Ich habe auch schon mal überlegt, etwas ganz anderes zu machen, mit einer anderen Arbeit wie zum Beispiel Textübersetzungen Spanisch/ Deutsch mein Geld zu verdienen. Aber wenn man endlich beruflich da angekommen ist, wo es Spaß macht und wo man auch sehr erfolgreich war, dann ist das schwierig.“ Außerdem habe die Krise sehr deutlich gemacht, dass ein anderes Denken und Handeln im Lebensmittelbereich dringend notwendig sei – und dem habe sie sich als Mitglied der Slow Food Chef Alliance ja verschrieben.
Gestiegenes Interesse am Thema Nachhaltigkeit
Der Leipziger Thomas Marbach, der in Sachsen die „Anstalt für Koch- und Lebensmittelkultur“ betreibt, beobachtet jedenfalls ein gestiegenes Interesse am Thema Nachhaltigkeit. Er unterstützt derzeit Gastronom*innen und auch Kantinen zur Gemeinschaftsverpflegung bei der Umstellung auf eine andere Sicht- und Kochweise. „Da läuft es gerade ziemlich gut.“ Beratungs- und Begleitungsbedarf gebe es vor allem im öffentlichen Sektor. Andere Bereiche wie Messen, Caterings oder Foodkuration bei Events seien natürlich weggebrochen. Aber für sich selbst jedenfalls ist Marbach recht optimistisch: „Mein Unternehmen ist zum Glück nur langsam gewachsen, ziemlich breit aufgestellt und mit dem Fokus auf Regionalität brandaktuell. Das hilft jetzt enorm.“
Text: Birgit Schumacher