Hülsenfrüchte – Food of the Future

17.02.2020 - Nicht nur für Gesundheit und Umwelt können Hülsenfrüchte wahre Wunder bewirken. Sie sind auch eine Gaumenfreude. Im Interview mit Slow Food berichtet Bohnenfan Cecilia Antoni, wie sie Menschen für Hülsenfrüchte begeistert.

CeciliaAntoni_300dpi.jpgSlow Food (SF): Sie bestreiten es zwar, aber ich muss dennoch nachhaken: Es kann doch kein Zufall sein, dass sie in dem Ort Linsengericht in Hessen aufgewachsen sind. 
Cecilia Antoni (CA): (lacht) Ich wollte von dem Bürgermeister wissen: Wurden da tatsächlich früher Linsen angebaut? Leider ist die nüchterne Auflösung, dass die Gemeinde Linsengericht 1970 gegründet worden ist und nach einer Befragung der Bevölkerung eigentlich Birkenhain heißen sollte. Dem damaligen Landrat gefiel das jedoch nicht und er hat sie dann eigenmächtig in Linsengericht umbenannt. Also gar nicht, wie man es vermuten würde, dass dort eine geheime deutsche Linsenecke wäre.

SFM: Wie kommt eine Diplom-Kulturwirtin dazu, ihr Arbeits- und Privatleben Bohne und Co. zu widmen?
CA: Ich habe eine Zeitlang als Autorin und Regisseurin für Dokumentarfilme gearbeitet und es war beides mit dafür verantwortlich. Während einer längeren Recherchereise in den USA habe ich weniger gegessen als normal, weil die Lebensmittelpreise dort viel höher sind. Irgendwann war ich ziemlich ausgelaugt. Zeitgleich bekam ich ein starkes Verlangen nach Hülsenfrüchten. Und das, obwohl ich bis dahin so gut wie keine gegessen hatte. Wie man sie richtig kocht, wusste ich auch nicht. Die Rezepte, die ich fand, waren meist mit Speck und Fleisch und interessierten mich als Vegetarierin nicht. So fing ich an zu experimentieren. Ich habe alles aus Hülsenfrüchten gemacht; Eis, Waffeln, Crêpes, alles, was ich gern esse, Süßes und Herzhaftes. 2010 bin ich dann mit einem Buchprojekt »Moderne Gerichte aus Hülsenfrüchten« zur Frankfurter Buchmesse gegangen. Es hat niemanden interessiert. Mich hat es umso mehr fasziniert, zumal ich Hülsenfrüchte als die Zukunft der Ernährung sehe. Sie wachsen überall und jedes Land hat seine speziellen Hülsenfrüchte. Sie sind so nahrhaft, so sättigend, und geben so viel Energie, dass ich gar nicht verstehen konnte, dass sie in Deutschland nicht wirklich genutzt werden.

SFM: Wieso sind Hülsenfrüchte so attraktiv für Gaumen und Gesundheit?
CA: Sie sind unglaublich vielseitig, ob herzhaft oder süß, man kann sie in jeder Form verwenden, als Suppe, im Salat, als Kuchen, sogar als Pizza und natürlich als Bratling beziehungsweise Veggie-Burger. Dadurch, dass Hülsenfrüchte auch Gewürze so gut aufnehmen, kann man sie schön abwandeln. Ich selbst habe festgestellt, dass meine Konzentrationsphasen nach dem Verzehr extrem lange sind. Zudem esse ich nicht mehr so viel Süßes, weil die langkettigen Kohlenhydrate den Blutzuckerspiegel nicht so abrupt absinken lassen, und ich dadurch keine Heißhungergelüste bekomme. Und sie machen nicht so müde wie Nudeln oder Kartoffeln. Freunde, die ich zum Essen eingeladen hatte, erzählten mir danach: »So schnell bin ich den Berg ja noch nie mit dem Fahrrad hochgefahren … «, einfach weil Hülsenfrüchte so unglaublich viel Energie geben. Schade ist, dass die Zubereitung viele abschreckt und sie deshalb auch nicht in den Genuss kommen, was der Aufwand für ihr Wohlbefinden bedeuten würde. Neben dem hohen Eiweißgehalt enthalten Hülsenfrüchte viele Mineralstoffe wie Magnesium und Eisen, aber auch Vitamine wie B6 und Folsäure.

SFM: Die Vielseitigkeit haben Sie erwähnt, die Vielfalt ist das andere. Erbsen, grüne Bohnen, Linsen kennt fast jeder. Im Gegensatz zur Ackerbohne, die zu einem persönlichen Favoriten von Ihnen avanciert ist – warum?
CA: Zum einen wächst die Ackerbohne quasi vor unserer Haustür und wir kennen sie nicht. Sie ist ein »Underdog« und hat hässliche Namen – die Saubohne. Ich finde ihren Geschmack einfach toll. So schlägt eine Falafel aus Ackerbohnen locker jede Falafel aus Kichererbsen. Zudem hat sie keine Allergene (wie die meisten Hülsenfrüchte, bis auf Lupine oder Soja) und man könnte sie theoretisch auch roh essen, ohne dass die Gefahr besteht, sich zu vergiften. Sie schmeckt roh nur nicht. Wichtig für die Bodengesundheit und -fruchtbarkeit ist sie natürlich auch.

SFM: Inwiefern? Was ist der Hauptvorteil für die Umwelt?
CA: Sie geht wie alle Leguminosen eine Symbiose mit Knöllchenbakterien ein. Wenn die Pflanze signalisiert, hier im Boden ist zu wenig Luftstickstoff, dann heften sich die Bakterien an die Wurzel und bringen Luftstickstoff in den Boden ein. Gerade im Ökolandbau ist die Ackerbohne deshalb als Zwischenfrucht unverzichtbar, da hier mineralischer Dünger nicht verwendet werden darf. Zudem wurde auch schon die Wirtschaftlichkeit der Ackerbohne anhand des Mehrertrags der nachfolgenden Kulturen errechnet – und da ist sie wirklich sehr gut. Positiv für die Umwelt ist natürlich auch, dass sie hier vor Ort wächst und nicht wie die Kichererbse anreisen muss.
Leider wird die Ackerbohne bis zu 80 Prozent ins Ausland exportiert, wo sie als Delikatesse gilt. In Deutschland ist sie Tierfutter. Im Lebensmitteleinzelhandel ist sie bei uns auch nicht erhältlich. Nur in manchen türkischen oder arabischen Läden gibt es sie, aber da ist sie wiederum importiert.

SFM: »Nicht die Bohne« – diese abschätzige Redensart symbolisiert eine geringe Bedeutung. Wie gewinnt man Menschen dafür, Hülsenfrüchte wieder vermehrt in den Speiseplan aufzunehmen?
CA: Zunächst gilt es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es heimische Hülsenfrüchte wie die Ackerbohne gibt, denn kaum jemand kennt sie. Das zweite ist die Möglichkeit, sie überhaupt zu kaufen. Und das dritte sind einfache, moderne Rezepte. Das muss alles Hand in Hand gehen. Im Unverpackt-Laden in Kiel ist die Ackerbohne jetzt im Sortiment. Über meine Website beanbeat.de habe ich die Frage gestellt, wo die Leute die Bohne gern kaufen würden. Ich kümmere mich darum, dass sie in die Unverpackt-Läden kommt und liefere Rezepte. Wenn man die Ackerbohne nur ins Sortiment bringt und die Leute wissen nichts damit anzufangen, wird sie ein Ladenhüter. Von daher sind es gleich mehrere Stellschrauben, die bedient werden müssen.

SFM: Neben Hülsenfrüchten gelten ja auch Insekten, zum Beispiel Heuschrecken, als enorme Proteinlieferanten – ist das für Sie eine Alternative für die Zukunft der Welternährung?
CA: Für mich persönlich überhaupt nicht, auch weil ich mich vegetarisch ernähre. Um auf einen Proteingehalt zu kommen, wie er etwa in einer Bohne steckt, muss über 22 Gramm (Weizen-)Protein verfüttert werden, um circa 17 Gramm (Mehlwurm-)Protein zu erhalten. In den aktuell verfügbaren Insektensnacks dürfen ohnehin nur maximal zehn Prozent Insektenmehl zugesetzt werden. Derzeit gibt es einen wahren Proteinhype. Ich bevorzuge aber eine ausgewogene Ernährung mit vielen Ballaststoffen.

SFM: Werfen wir mal einen Blick nicht über den Tellerrand, sondern darauf: Wie sieht für Sie ein idealtypisches Gericht aus?
CA: Ich mag gern, wenn es viele Farben hat und es verschiedene Konsistenzen gibt. Zum Beispiel kaue ich sehr gerne und finde es spannend, wie sich der Geschmack dabei verändert. Zudem möchte ich gern erkennen, was ich esse. Stark gewürzte Speisen, bei denen ich nicht mehr herausschmecken kann, welche Zutaten wirklich drin stecken, mag ich nicht. Und schließlich schätze ich eine gewisse Ästhetik.

SFM: Das Auge isst mit …
CA: Genau. Das war ja früher nicht unbedingt so. Heute gibt es auch das andere Extrem. Bunt soll es auf dem Teller sein, vielseitig und im Geschmack erkennbar.

SFM: Wie bewahren Sie denn die Farbe?
CA: Bei frischen Erbsen und Bohnen zum Beispiel mit Eiswasser direkt nach dem Kochen. Die Ackerbohne macht es einem da nicht so einfach. Die wird braun, wenn sie gekocht ist. Die punktet dann halt durch ihren Geschmack.

SFM: Verraten Sie uns Ihr Lieblingsrezept?
CA: Was ich total gern mag, ist zum Frühstück Bohnen zu essen, und zwar entweder aus Ackerbohnen oder aus weißen Bohnen. Es ist eine Art »Congee« oder auch Porridge. Hierfür werden die gekochten Bohnen mit einer Banane - für Süße und Cremigkeit - püriert. Noch etwas Leinöl, Zitronensaft und Früchte der Saison sowie etwas Crunchiges wie Nüsse oder Sonnenblumenkerne dazu und fertig ist ein Frühstück, das für die nächsten vier Stunden sättigt.

Das Interview führte Marion Busch.

Copy (c) bohnikat.de

RezeptBohnen-Smoothie-Bowl

Zutaten für 1 Portion:

200 g kleine weiße Bohnen (gekocht und abgekühlt)
3 EL Hafermilch
1/2 gefrorene Banane
Salz und Zitronensaft zum Abschmecken
1/2 TL geriebener Ingwer
1 TL schwarzer Sesam (angeröstet)
Mandeln
1/2 TL dunkles Sesamöl.

Die gekochten weißen Bohnen mit der Hafermilch fein pürieren. Für eine sämigere Konsistenz die halbe gefrorene Banane zugeben und pürieren. Mit etwas Salz und einem Schuss Zitronensaft abschmecken. Jetzt nur noch den geriebenen Ingwer, Mandeln, Sesam und Sesamöl zugeben.

>> Link Rezept

>> Zur Veranstaltung mit Cecilia Antoni am Tag der Hülsenfrüchte 2020

>> zum Hülsefrüchte Rezept von Slow Food Youth

>> Mehr zum Thema biokulturelle Vielfalt #Echte Vielfalt

Weitere Informationen zum EU-Hülsenfrüchte Projekt TRUE >> https://www.true-project.eu/

Über Cecilia Antoni: Antoni ist Expertin für die Zubereitung von Hülsenfrüchten, insbesondere heimischer Hülsenfruchtarten. Auf ihrem Blog www.beanbeat.de finden sich einfache wie auch außergewöhnliche Rezepte und Hintergrundinformationen zu Hülsenfrüchten. Seit 2019 ist sie zudem Gründerin von »Bohnikat« und will die heimische Ackerbohne als Lebensmittel zurückbringen. Ihr erstes Produkt ist die Ackerbohne als knackig-gerösteter Snack. 

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