Kreativ vegan: Chef-Alliance-Mitglied Denis Kleinknecht im Interview
Slow Food Deutschland (SFD): Wie ist es um die Vielfalt in Ihrer Region bestellt und wie spiegelt sich das in Ihrem gastronomischen Schaffen wider?
Denis Michael Kleinknecht: Grundsätzlich bin ich in der glücklichen Situation, dass wir in Bayern noch eine ziemlich gute Vielfältigkeit haben, die allerdings geschützt und gefördert werden muss. In meiner Region gibt es sehr viele ökologisch arbeitende Landwirt*innen und immer mehr, die darauf umstellen. Sie sind bemüht, die Vielfalt lebendig zu halten und brauchen dafür Menschen, die Vielfalt statt Einfalt suchen und dafür auch ein paar Mühen nicht scheuen. Ich selber habe mich auf Fleisch spezialisiert, wobei mir besonders am Erhalt einheimischer Tierrassen gelegen ist. Dafür stehe ich im ständigen Austausch mit meinen Landwirt*innen. Wenn sie mit mir einen sicheren Abnehmer von Fleisch regionaler und teils alter Rassen haben, dann lohnt sich für sie die Aufzucht; artgerecht versteht sich. So konnte ich beispielsweise einen Bioland Bauern davon überzeugen, mir Murnau-Werdenfelser Rinder in Mutterkuhhaltung und Kleinherde auf die Weide zu stellen. Ich beziehe außerdem Pinzgauer-, Charolais- und Galloway-Rinder. Die Charolais und Galloway stammen zwar nicht originär von hier, aber es gibt Landwirt*innen, die sie hier aufziehen. Ich verarbeite außerdem Fleisch des vom Aussterben bedrohten Waldschafes. Weltweit gab es davon in den 80er Jahren nur noch 80 Tiere. Inzwischen sind es wieder 2.000. Aus landwirtschaftlicher Sicht ist das Schaf zu wenig relevant, weil es zu wenig Fleisch und schlechte Wolle gibt.
SFD: Sind es diese kürzeren Wege, die Sie aufs Land gezogen haben?
Kleinknecht: In Teilen schon. Ich habe mich bewusst für das Lokal auf dem Land entschieden und München dafür verlassen. Ich habe so die kürzeren Wege und den kürzeren Draht zu den Menschen, denen ich die besten Zutaten für mein Kochen verdanke. Es geht mir darum, den besten Konsens mit Landwirt*innen und Erzeuger*innen zu finden. Es ist ein stetiger Prozess und ein kooperatives Miteinander, zukunftsfähig erzeugte Lebensmittel zu sichern. Hier vor Ort bin ich sowohl für Fleisch als auch für Gemüse super vernetzt. Für Gemüse kann ich natürlich nicht 100-prozentig alles direkt von meinen Regionallandwirt*innen beziehen, indirekt aber schon. Zitronen beispielsweise wachsen hier nun mal nicht. Sie beziehen diese direkt von Partnerbetrieben aus dem europäischen Ausland. Und natürlich gibt es auch Produkte, bei denen ich mit meinen Ansprüchen nach Regionalität ins Stolpern komme. Etwa wenn es um Zucker geht. Die regionalen Zuckerrüben sind aktuell keine Lösung. Die gehen zunächst in die Schweiz und kommen verarbeitet wieder zurück. Aber dass ich die großen Handelsketten und deren Preisdruck komplett vermeiden kann, ist essentiell für mich und eine Frage der Fairness. Dieses Gegensteuern gegen ‚billig‘ und ‚Masse‘ hat natürlich seinen Preis. Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist es sicher der schwerere Weg, weil ich einen relativ hohen Wareneinsatz bei verhältnismäßig geringem Gewinn habe. Das konventionelle Gegenmodell ist natürlich lukrativer.
SFD: Gab es ein Schlüsselerlebnis für Ihre Leidenschaft für gutes Fleisch?
Kleinknecht: Ja, und zwar als mein damaliger Metzger des Vertrauens mir vor sieben Jahren bayerisches Jungbullenfilet für 16,90 € pro Kilo anbot. Er hat mich überredet es zu probieren und die schlechte Qualität hat mich erschreckt. Das konnte kein „bayerisches Tier“ sein. Ich wollte genauer wissen, womit ich es hier zu tun hatte und setzte mich mit den verschiedenen Erzeugerstempeln auseinander. Das Ergebnis: Das Tier war in Bayern geboren und gemästet, jedoch geschlachtet und zerlegt wurde es in Argentinien. Ein solches Tierleben, wenn man von Leben überhaupt sprechen kann, ist völlig unsäglich. Deswegen mache ich es anders.
SFD: Der Ursprung unserer Lebensmittel treibt Sie um. Ist das bei Ihren Gästen genauso? Kleinknecht: Dafür leiste ich viel Aufklärungsarbeit bei meinen Gästen und schaffe Bewusstsein für eine andere Art des Fleischkonsums. Mein Grundtenor ist ganz klar: Lieber verzichte ich auf Fleisch und gönne es mir je nach Geldbeutel nur sehr selten, dafür aber in höchster Qualität aus der Region. Damit meine Gäste das wirklich gerne tun, ist eine gute Kommunikation mit ihnen ausschlaggebend. Ich muss sie über den Verstand erreichen und zugleich ihre Gaumen überzeugen.
SFD: Wie halten Sie es mit dem kompletten Verzicht auf tierische Erzeugnisse?
Kleinknecht: Wenn Menschen Veganismus als eine Form von Protest leben, dann unterstütze ich diesen Protest sehr gerne. Und ich selber, trotz meiner Spezialisierung auf Fleisch, bin übrigens gerne vegan kreativ. Für mich schließt sich das nicht aus. Ausschlagend ist – ob bei einer Ernährung mit oder ohne tierische Erzeugnisse – dass ich mit guten Grundnahrungsmitteln, also dem Original arbeite. Statt Butter nutze ich beispielsweise gerne hochwertige Olivenöle und ungesättigte Fettsäuren. Ich beziehe Hanf-, Lein- und Sonnenblumenöl aus der Region. Das ist unvergleichbar mit den Industrieölen aus konventionellen Supermärkten. Sie sind flach, haben keine Fülle, keine Haptik. Meine Gäste schmecken solche Qualität. Gegen jegliche Form der "Ersatzprodukte", die beispielsweise wie Fleisch schmecken, aufgrund all der Zusatzstoffe aber eher kleinen Chemiebausätzen ähneln, sträube ich mich vehement. Während die Lebensmittelindustrie das als Nahrungsmittel verkauft, findet hier aus meiner Sicht Verbrauchertäuschung statt.
Sehen Sie die Täuschungsmanöver hauptsächlich beim Fleisch?
Kleinknecht: Nein, bei Molkereiprodukten ebenfalls. Bestes Beispiel sind hier die "High Protein Produkte". Da werden billigstes Milchpulver, Wasser und Stärke zusammen gemixt und mit etwas Naturjoghurt oder -quark gestreckt. Am Ende enthalten diese Produkte weniger Protein als das Naturprodukt. Für mich müsste so etwas als Betrug geahndet werden und zwar von der Regierung.
Braucht es hier nicht auch eine andere Verbraucherbildung?
Kleinknecht: Absolut! Ernährungsbildung muss fester Bestandteil in Kitas, in Schulen und auch in der Kochausbildung sein. Es wird eh Jahre brauchen, bis wir die Entfremdung zwischen Mensch und Nahrungsmittel wieder reduziert haben. Ich würde soweit gehen, eine vernünftige Kombination von Ernährungsbildung und einem Religionsunterricht für alle Religionen zu fordern. Beim Kochen können doch wunderbar theologische Grundsätze einfließen. Die Kinder lernen wieder wo Lebensmittel herkommen und wie sie in unterschiedlichen Kulturen und Religionsgemeinschaften zubereitet werden und warum. Miteinander statt übereinander reden. Das würde sogar zur Integration beitragen.