Slow Food Braunschweiger Land: Wie frisch ist 'Frischmilch" wirklich?
Im Veranstaltungskalender dieses Winterhalbjahres und im Sommerhalbjahr hatten wir Milch als Schwerpunktthema eingeplant. So konnte unsere Convivienleiterin Regina Oestmann für eine Veranstaltung am 20.02.2020 auf dem Klostergut Heiningen, einem Biohof, der seit 1997 Demeter Vertragspartner ist, Andrea Lenkert-Hörrmann als Referentin gewinnen. Frau Lenkert-Hörrmann ist Mitautorin des Projektberichts „Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft“, der vom Umwelt-Bundesamt gefördert und von Slow Food Deutschland 2019 herausgegeben wurde.
Die knapp 40 Teilnehmer*innen erfuhren in einer spannenden Präsentation, was eine nach Slow-Food-Kriterien erzeugte Milch ausmacht:
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Es werden keine gentechnisch hergestellten Inhaltsstoffe verwendet.
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Die Milch ist möglichst naturbelassen. Das bedeutet Vorzugsmilch, Rohmilch und pasteurisierte Milch – traditionell hergestellt – sind die Milcharten der Wahl.
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Die traditionell handwerklich produzierte Milch kommt von Höfen, die ihre Kühe mit Grundfutter (Wiese, Weide, Ackerfutter) versorgen. Die Fütterung sollte bodengebunden sein, also vom eigenen Hof kommen. Gerade der Weidegang ist nicht nur das Beste für die Kuh, sondern auch die Milch selbst wird positiv beeinflusst und es entsteht eine Vielfalt geschmacklicher Qualitäten („Milchen“). Wenn auf Hochleistung verzichtet wird, dient der Weidegang darüber hinaus der Biodiversität. Leider ist der Begriff „Weidemilch“ bis jetzt rechtlich nicht geschützt.
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Dem Tierwohl dient auch die muttergebundene Kälberaufzucht.
Abzulehnen sind somit hochverarbeitete Milchprodukte wie H-Milch, Kondensmilch, laktosefreie Milch, ESL-Milch (sogen. länger haltbare Milch), die es auch als Bio-Milch gibt, ja die sogar als Frischmilch verkauft werden darf, sowie Milch- und Molkepulver.
Damit frische und naturbelassene Milch wieder den ihr gebührenden Stellenwert in unserer Ernährung erhalten kann, fordert Slow Food die Entlastung von Vorzugsmilchbetrieben, die oft übertriebenen Betriebssperrungen unterliegen. Weitere Forderungen sind ein Kontrollsystem nach klaren euro-päischen Risikoauffassungen sowie eine Lockerung der Rohmilch-Abgabe ab Hof bei gleichzeitig erhöhten Kriterien der Eigenkontrolle. So ist der gesundheitliche Wert der Rohmilch höher einzuschätzen als die Risiken. Mehr Milchautomaten in Verbrauchernähe wären außerdem wünschenswert.
Dass natürlich auch Molkereiprodukte wie z.B. Käse den Slow Food Kriterien „gut, sauber und fair“ entsprechen sollen, wurde ebenfalls von der Autorin erläutert, soll hier aber nicht weiter ausgeführt werden.
Nach so viel „Kopffutter“ freuten sich die Teilnehmer*innen dann auf das Buffet, das die Hofeigner-Familie Degener und ihr Team bereitstellten: neben der Milchverkostung – wir probierten auch die melkfrische Abendmilch - gab es leckere hofeigene Demeter-Käse, Quarksorten sowie Brot und Wein. Ganz nebenbei erfuhren Interessierte im zwanglosen Gespräch dann noch viel Insiderwissen