Slow Food Köln: Jede Krise bietet auch eine Chance
Wie geht Slow Food Köln mit der aktuellen Situation um?
Natürlich mussten wir, wie alle Regionalgruppen gemäß den notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unsere Veranstaltungen in dieser Zeitspanne absagen. Auch bei den Veranstaltungen in näherer Zukunft sehe ich ein großes Fragezeichen. Das ist zwar bedauerlich, aber den Umständen geschuldet und somit verständlich.
Wie halten Sie das lokale Netzwerk aufrecht?
Wir sind im regelmäßigen Austausch mit unseren Netzwerk-Partnern und den Genussführer-Lokalen und überlegen gemeinsam, wie die Slow Food Community helfen kann. Unsere Unterstützer, die durch Erzeugung und Weiterverarbeitung, Handel und Gastronomie unsere Lebensmittelversorgung sichern, sind vom Shutdown des öffentlichen Lebens besonders hart getroffen. Umso wichtiger ist jetzt unsere Solidarität mit den Betrieben. Der Unterstützergedanke gehört jetzt umgedreht: stehen wir ihnen mit unserem gezielten Einkauf bei, erwerben wir Gutscheine oder nutzen Onlineshop und Lieferservice. Wir haben dazu auf unser Website eine >> Extraseite eingerichtet. Auf dieser informieren wir tagesaktuell über Aktionen und Angebote.
Die Kontaktaufnahme mit dem Netzwerk sollte jede regionale Gruppe aktiv angehen. Ich hatte zunächst per Mail Kontakt aufgenommen. Dabei wurde deutlich, dass viele Betriebe derzeit andere Prioritäten und Sorgen haben, als eine Mail von uns zu beantworten. Der telefonische Nachklapp war da schon erfolgreicher. Auch freuten sich die Angerufenen sehr über Interesse und Wertschätzung.
Gibt es Ideen und kreative Krisenlösungen, die Sie jüngst besonders beeindruckt haben?
Ich sehe die tatkräftige Umsetzung vieler kreativer Ideen wie zum Beispiel Gutscheine verkaufen, Lieferservice oder Außer-Haus-Angebot anbieten. Von Einigen weiß ich, dass unheimlich viel Aufwand dahinter steckt. Manche Restaurants haben dies zu Beginn auch gemacht, um Lager und Kühlräume zu leeren und somit die Lebensmittel nicht verderben zu lassen. Das ist auf jeden Fall eine gute Sache. Bei einigen konnten sich Mitarbeiter*innen etwas mitnehmen oder es wurde aus den Vorräten auch Suppe für Obdachlose und Helfer*innen gekocht.
Was fehlt Ihnen gerade am Meisten – beruflich und privat?
Oh, die Liste wäre jetzt sehr, sehr lang. Kurz gesagt: Natürlich fehlt mir der Besuch meines Lieblingscafés oder ein Spontanbesuch in einem geschätzten Restaurant. Aber da meine Frau und ich die Zeit viel mit gemeinsamem Kochen und Backen füllen und die Gelegenheit nutzen, um Rezepte, die wir schon lange in der Schublade liegen haben, auszuprobieren, verbringen wir die Zeit augenblicklich recht nett.
Gibt es ein Rezept, das Sie gerade besonders gerne kochen, oder ein Lebensmittel, das Sie gerne nutzen?
Ich habe das Glück, dass mein Bonuspapa den Arche-Passagier >> Murnau-Werdenfelser Rind züchtet. Von daher habe ich einen überaus komfortablen Zugang zu diesem Fleisch, das wir öfter für Gerichte nutzen. Zuletzt haben wir damit das italienische Schmorgericht Ossobuco zubereitet, und zwar mit der Beinscheibe, einem eher gering geschätzten Teil des Tieres.
Was wäre aus Ihrer Sicht aktuell ein sinnhaftes und solidarisches Einkaufsverhalten?
Dafür steht Slow Food nicht nur in Zeiten einer Pandemie, nämlich das Stärken des traditionellen Lebensmittelhandwerks und das Einkaufen bei inhabergeführten Betrieben. Was ich sehr schön finde ist, dass deutlich mehr Menschen auf den Wochenmärkten in meinem Viertel einkaufen. Dort ist der gewünschte Mindestabstand leichter einzuhalten als im Supermarkt, hinzu kommt die frische Luft. Die drei Wochenmärkte vor meiner Haustür sind jedenfalls viel voller als sonst.
Welche gesellschaftlichen oder politischen Entwicklungen erhoffen Sie sich aus der aktuellen Situation?
Jede Krise bietet ja auch immer eine Chance. Ich habe Wunsch und Hoffnung, dass diese Gelegenheit genutzt wird. Ich erlebe schon, dass die Menschen in meiner Straße sich mehr füreinander, ihre Stadt, ihre Region interessieren und auch nachfragen, ob sie der älteren Dame nebenan helfen können. Wenn wir diesen Schwung mitnehmen und sagen: Wir wollen nicht zurück zu den Verhältnissen der Vor-Corona-Zeit. Mit der Wut und dem Hass aufeinander, dem sozialen und ökologischen Flächenbrand. Viele wollen hin zu einem nachhaltigen, sinnstiftenden Leben. Wir brauchen mehr denn je die Agrar-, Energie- und Klimawende. Die Wege dahin sind bekannt, das ist die gute Botschaft. Jetzt müssen sie konsequent und mutig beschritten werden. Gemeinsam können wir es schaffen!
Rezept-Tipp von Sven Johannsen: Ossobuco vom Murnau-Werdenfelser Rind mit Gremolata
Sven Johannsens Vater züchtet den Arche-Passagier Murnau-Werdenfelser Rind. Deshalb hat er Slow Food Deutschland ein Rezept für ein Schmorgericht mit Fleisch von dieser Tierrasse zur Verfügung gestellt.