Slow Food Leipzig-Halle: Kreativ sein statt Kopf in den Sand stecken
Was bedeutet die aktuelle Situation für Ihre ehrenamtliche Arbeit im Rahmen von Slow Food?
Für die Arbeit im Rahmen von Slow Food Leipzig-Halle sind wir gerade vor allem als Leitungsteam gefragt. Meine Arbeit hat sich zum Beispiel dahingehend verändert, dass ich für die lokale Gruppe im Web und auf Facebook aktiv bin und wir unsere Aktivitäten eher in diese digitale Richtung ausgerichtet haben. Termine bei Erzeuger*innen und Veranstaltungen können wir ja momentan nicht anbieten. Stattdessen versuchen wir uns als unterstützendes Medium zu präsentieren. Restaurants und Produzent*innen, die jetzt Abhol- oder Lieferservice anbieten, unterstützen wir durch Vernetzungsarbeit und indem wir auf unserer Webseite, auf Facebook und auf der >> Slow-Food-Einkaufskarte auf sie aufmerksam machen.
Was fehlt Ihnen gerade am meisten, was ist vielleicht sogar eher ein Zugewinn?
Beruflich hat sich für mich nicht viel verändert, da ich sowieso sehr flexibel im Home Office arbeite. Natürlich fehlt mir der direkte Kontakt mit den Mitgliedern aus der lokalen Slow-Food-Gruppe. In diesem Zeitraum hätten einige Veranstaltungen stattgefunden, bei denen es allen Freude bereitet hätte, sich persönlich wiederzusehen. Was ich aktuell genieße ist noch mehr zu kochen und zu backen sowie die Zeit zum Gärtnern zu nutzen, um die kommende Gartensaison vorzubereiten.
Wie gestalten Sie Ihren Einkauf und welches Lebensmittel darf nicht fehlen im Einkaufskorb?
Ich habe hier vor Ort einen kleinen Bauern, bei dem ich einmal die Woche mein komplettes Gemüse abhole und andere Lebensmittel wie Butter, Quark, Milch, Eier von seiner Hühnerfarm und alles was noch dazugehört. Fleisch kaufe ich bei einem bekannten Jäger. Was in meinem Einkaufskorb nicht fehlen darf ist Schokolade.
Wie nehmen Sie die aktuelle Situation im Netzwerk um Slow Food Leipzig-Halle wahr? Gibt es Ideen und kreative Krisenlösungen, die Sie jüngst besonders beeindruckt haben?
Die Erzeuger*innen und Gastronom*innen, zu denen wir Kontakt haben, sehen der Zukunft natürlich mit Besorgnis entgegen und fragen sich, wie sich die Situation wirtschaftlich auf ihr Unternehmen auswirken wird. Aber wir merken auch, dass sehr viel Kreativität in unserem Umfeld entsteht, wenn Restaurants z.B. jetzt zu Ostern komplette Menüs oder Pakete zur Abholung anbieten. Auch bei Erzeuger*innen sind spontan Lieferdienste für Fleisch, Gemüse und Pflanzen entstanden. Wenn ich von so einer Bestellung Gebrauch mache, versuche ich auch gleich in der ganzen Straße und Nachbarschaft Bestellungen zu sammeln, damit sich die Anfahrt lohnt. Und es ist ganz witzig, wenn dann wie neulich fünf Familien gespannt auf den Gemüsehändler warten. Es gibt also nicht nur diejenigen, die den Kopf in den Sand stecken, sondern die Kreativität an allen Fronten ist hier ganz deutlich zu spüren. Das beflügelt mich.
Worin besteht für Sie in einer Zeit wie dieser die Stärke des Slow-Food-Netzwerkes?
Es ist schön, dass wir alle ähnliche Interessen haben und uns austauschen. Wir tun das innerhalb unserer Region, aber auch mit den Nachbar*innen, zum Beispiel den Aktiven aus dem Raum Chemnitz. So profitieren wir voneinander und können auch gemeinsam weitere Ideen entstehen lassen.
Welche gesellschaftlichen oder politischen Entwicklungen erhoffen Sie sich aus der aktuellen Situation?
Ich habe auch beruflich mit vielen Menschen Kontakt und der Tenor allgemein ist, dass es auch als Chance für mehr Entschleunigung unseres Alltags gesehen wird. Viele sind gerade entspannter unterwegs und ich hoffe, dass die Gesellschaft sich in Zukunft von der Schnelllebigkeit verabschiedet. Mehr ‚slow‘ im Alltag würde uns allen gut tun. Außerdem erhoffe ich mir die Rückbesinnung auf mehr Regionalität, weil viele gerade merken, dass genau das systemrelevant ist. Auch für die Wirtschaft erhoffe ich mir, dass die Rückkehr zu kürzeren und lokaleren Wertschöpfungsketten erfolgt. Für alle ist spürbar, wie schwer globale Wertschöpfungsketten in solchen Situationen aufrecht zu erhalten sind.