Sorge um krisensichere Ernährung: Höchste Zeit für eine Regionalisierung in der Ernährungswirtschaft

06.05.2020 - "Ist unsere Ernährung in Krisenzeiten gesichert?", fragen sich derzeit viele Verbraucher*innen zu Recht. Wie anfällig globale Lieferstrukturen sind, wird zurzeit immer deutlicher. Die Corona-Pandemie zeigt, wie verletzlich die arbeitsteilige Weltwirtschaft ist. Die Schwächen der globalen Handelsstrukturen werden nicht nur im Medizinbereich schmerzlich sichtbar. Auch an den globalen Nahrungsmittelmärkten geht es turbulent zu. Gemeinsam mit anderen Organisationen fordern wir deshalb eine Regionalisierung der Ernährungswirtschaft.

Erntetour2016_(c) Wolfgang Borrs.jpgEinige Länder verhängen zur Zeit Exportstopps oder versuchen große Mengen Reis, Weizen und andere Grundnahrungsmittel aufzukaufen und einzulagern. Das bedeutet auch für uns in Niedersachsen: wir brauchen konkrete Maßnahmen hin zu einer Regionalisierung in der Ernährungswirtschaft.

Wie extrem der deutsche Markt von Im- und Exporten abhängt, zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Insgesamt hat sich der weltweite Warenexport in den letzten 40 Jahren verzehnfacht, etwa ein Viertel aller in Deutschland erzeugten landwirtschaftlichen Produkte gehen in den Export. Aktuell leidet die heimische Milchindustrie. Während der Absatz im Lebensmittelhandel enormen Zuwachs erfährt, verlieren die großen Molkereien und Milchviehbetriebe in der aktuellen Krise ihren internationalen Absatzmarkt und somit ihre Wirtschaftlichkeit, die ausschließlich auf Großstrukturen basiert. Dezentrale Strukturen sind jedoch in der Nahrungsmittelgrundversorgung und in der Lebensmittelverarbeitung elementare Stabilitätsfaktoren nicht nur in Krisenzeiten. Die politisch forcierte Exportorientierung und das Zerschlagen des regionalen Marktes mit dezentralen regionalen Wirtschaftskreisläufen zeigt hier deutlich das Marktversagen.

Rund zwei Drittel des in Deutschland verzehrten Gemüses werden dagegen laut Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI)  importiert. Auch hier verlässt man sich auf den internationalen Markt, ohne eine systematische Entwicklungsstrategie regionaler Strukturen mit regionaler Wertschöpfung vor Ort voranzutreiben. Die unabdingbare "Luftbrücke" für osteuropäische Erntehelfer zeigt die fragilen Großstrukturen im Obst- und Gemüseanbau in Deutschland.

Eine Versorgung überwiegend aus regionalen Wirtschaftskreisläufen - und das weltweit - könnte Regionen in Krisensituationen resilienter machen und durch lokale Wertschöpfung auch Kleinst-, kleine und mittlere Wirtschaftsbetriebe vor Ort stärken. Daher drängen der Ernährungsrat Niedersachsen, die Ernährungsräte aus Frankfurt, Hannover und Köln, der Bundesverband der Regionalbewegung e.V., die Marktschwärmer Deutschland, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V., Slow Food Deutschland und das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. gemeinsam auf eine Regionalisierung und damit De-Globalisierung in der Ernährungswirtschaft. Bund und Länder sind hier gefragt, Regionalisierungsstrategien gemeinsam mit den relevanten Praxisakteuren der Land- und Ernährungswirtschaft zu entwickeln. 

Jetzt besteht die Chance, den Aufbau von regionalen Nahversorgerstrukturen systematisch zu unterstützen. Die Resilienz der Kommunen und Regionen wird nicht nur im Medizinbereich eine tragende Rolle spielen müssen. Der Erhalt und Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe für eine hohe Wertschöpfung in den Regionen und eine weitgehende Unabhängigkeit von globalen Handelsstrukturen sind Voraussetzung für eine zukunftsträchtige und krisenfeste Daseinsvorsorge - eine Pflichtaufgabe für Kommunen, für deren Rahmenbedingungen Bund und Länder sorgen müssen.

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Text: Gemeinsame Pressemitteilung von Ernährungsrat Niedersachsen, die Ernährungsräte aus Frankfurt, Hannover und Köln, der Bundesverband der Regionalbewegung e.V., die Marktschwärmer Deutschland, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V., Slow Food Deutschland und das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. (04.05.2020)

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