Bienen retten, aber richtig

Die Biene ist populär und politisch – und dennoch bedroht. Zum Weltbienentag 2021 haben Slow Food Deutschland und proBiene diskutiert, wie sich eine bienengerechte Welt gestalten lässt. Fünf praktische Tipps für den Alltag.

Wenn Robert Paxton den Zustand der Insektenbestände auf der Welt beschreiben soll, zeigt er eine Geste: eine Hand, die steil nach unten zeigt. „Wenn keiner etwas tut, fahren wir vor die Wand“, sagt der Chef der Zoologie an der Universität Halle. „Es gehen jedes Jahr drei Prozent Insektenbiomasse verloren. Ändern wir unser Verhalten nicht, ändert sich auch diese Tendenz nicht.“ Tatsächlich ist Paxton niemand, der bewusst schwarzmalt. Er gibt einfach wieder, was er seit mehr als zwei Jahrzehnten in seiner Feldforschung erlebt. Und die lässt sich so zusammenfassen: Fast alle Insekten auf der Welt werden ständig weniger. Und an kaum einem Tier lässt sich das so eindeutig zeigen wie an der Biene.

Insofern ist der Weltbienentag, jedes Jahr am 20. Mai, kein Festtag, sondern eher ein jährlicher Warnschuss. Das wurde während einer Web-Veranstaltung von Slow Food Deutschland (SFD) und dem Stuttgarter Institut proBiene am Weltbienentag deutlich. Die Diskussion zwischen Paxton, der amtierenden SFD-Vorsitzenden Nina Wolff und den Imkern Tobias Miltenberger, Franz Botens und Klaus Steinhilber, machte aber ebenso klar: Jede*r von uns kann aktiv etwas gegen das Bienen- und damit auch das Artensterben unternehmen:

Politischen Druck erhöhen

„Wir müssen den Notstand, den viele Bienenarten erleben, konsequent in die Politik tragen“, sagt der rheinland-pfälzische Imker Franz Botens. Er verweist auf eine fehlgeleitete Umwelt- und Landwirtschaftspolitik, die auf Kosten vieler Insekten gehe. Die amtierende SFD-Vorsitzende Nina Wolff appelliert deswegen, die Bundestagswahl zu einer Ernährungswahl zu machen und beim Wahlentscheid gezielt Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Auch ganz praktisch lässt sich politischer Druck derzeit erhöhen: auf www.savebeesandfarmers.eu können Verbraucher*innen ein europäisches Bürgerbegehen für eine bienenfreundliche Politik unterstützen.

Bio-Lebensmittel kaufen

„Wir brauchen eine neue Beziehung den unseren Lebensmitteln“, sagt Imker und proBiene-Geschäftsführer Tobias Miltenberger. Denn viele Probleme der Arten- und Bienenvielfalt beginnen in einer Landwirtschaft, die unter dem Druck, billige Lebensmittel produzieren zu müssen, arbeitet. Dabei fallen Nachhaltigkeitsaspekte eben unter den Tisch. Ein erster Schritt: wertige Lebensmittel kaufen, am besten aus biologischer Erzeugung. Nicht nur, weil hier das Preisdiktat oft noch nicht ganz so hart greift, sondern auch, weil sie auf dem Feld bienenschonender sind. „Vor allem für Wildbienen sind Pestizide das größte Problem“, sagt Robert Paxton. Und diese Pestizide fallen eben im Bio-Anbau nicht an.

Regionale Wertschöpfung unterstützen

Dabei ist auch klar: Nur wenn Landwirt*innen von ihrer Arbeit leben können, können sie auch nachhaltig wirtschaften. „Landwirt*innen brauchen die Wertschätzung der Gesellschaft, sie sind Teil der Lösung“, sagt Nina Wolff. Und dafür braucht es unter anderem eine Rückverlagerung von Wertschöpfungsketten in die Region. Vor allem in klein strukturierten, handwerklich orientierten Kreisläufen von Lebensmittelhandwerker*innen und Landwirt*innen entstehen nachhaltige Lösungen.

Der Natur ihren Lauf lassen

„Seien Sie nicht so deutsch“, appelliert Robert Paxton. „Diese ganze Ordnung in Gärten und im öffentlichen Raum stört Insekten regelrecht.“ Totholzstapel, Beikräuter und ungemähte Wiesen schaffen Lebens- und Schutzräume für Insekten.

Blütenvielfalt fördern

Je vielfältiger Pflanzen sind, an denen Bienen Pollen sammeln können, desto robuster kommen sie über das Jahr. Und diese Vielfalt beginnt im Kleinen. Slow Food lädt deswegen ein, „Blumenbomben“ (eine Mischung aus Wildblumensamen, Lehm und Erde) herzustellen und am Wochenende im Garten oder auf öffentlichen Plätzen zu verteilen. Ziel dieser Kampagne ist es, das Bewusstsein für den dramatischen Rückgang der Bestäuber und der Artenvielfalt in Europa zu schärfen. Mithilfe dieser gemeinschaftlichen Aktion lädt Slow Food immer mehr Menschen dazu ein, selbst für Bienen und andere Insekten aktiv zu werden.

Wie sehr im Eigeninteresse von uns Menschen es ist, die Biene zu schützen – das zeigt nicht nur die enorme Bestäubungsleistung, die Bienen für die Landwirtschaft erbringen. Das führt auch Klaus Steinhilber, Demeter-Imker aus Rheinland-Pfalz vor. Etwa wenn er Honig von Dunklen Bienen präsentiert. Das ist eine Art Ur-Biene der Honigbiene. Die erzeugt einen Honig wie eine Aromen-Explosion. „Das kann sie aber nur, weil sie von mehr als 160 Pflanzen Nektar sammelt“, sagt Steinhilber. So eine ungewöhnliche Breite an Pflanzen fliegen „moderne“ Honigbienen nicht mehr an. Sie sind spezialisierter. Dennoch ist die Dunkle Biene fast ausgestorben – sie erbringt pro Jahr deutlich weniger Honigleistung als neue Züchtungen. Viele Imker*innen haben sie deswegen aussortiert. Klaus Steinhilber erhält sie dennoch – und mit ihr eine unglaubliche Honigvielfalt.

Autor: Sven Prange

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