Craft Spirits - ein Slow Food Online-Tasting mit Deutschlands aufregendsten handwerklich arbeitenden Brenner*innen
Folgende sieben handgemachte Destillate wurden verkostet und ausführlich diskutiert:
London Dry Gin (48 % vol.) aus der Freimeister-Kollektion von Brenner Thomas Neubert, Gutsbrennerei Schloss Zinzow, Vorpommern
Haselnuss-Wacholder-Spirituose (41,5 % vol.) aus der Freimeister-Kollektion von Brenner Gerhard Liebl aus dem Bayrischen Wald
Kirschwasser (43 % vol.) von Fridolin Baumgartner aus dem Kaiserstuhl, Baden
Williams Christ Smoked (43 % vol.) von Dr. Katharina Zott aus Ustersbach, Bayrisch-Schwaben
Fading Hill Single Rye Whisky (45 % vol.) von Steffi Klöckner, Birkenhof-Brennerei aus dem Westerwald
Bärwurz (45 % vol.) 17 Jahre in Sherry-Eichenfässern gereift von Gerhard Liebl
aus dem Bayrischen Wald
Cassis-Likör (25 % vol.) aus der Freimeister-Kollektion von Familie Mozer aus Hohenlohe
Dr. Nina Wolff, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, begrüßte alle Teilnehmenden mit den Worten, dass zu harten Zeiten auch härtere Getränke passten und die handwerkliche Brennerei eine Kombination aus Wissenschaft, harter Arbeit und Kunst sei. Bei der Auswahl der sieben Spirituosen spielten verschiedene Stilistiken, Regionen und die Art der Craft Spirits eine Rolle. Geklärt wurden Begriffe und Unterschiede eines Brands, eines Geists und eines Likörs, und wann das Genussmittel „nur“ Spirituose heißen darf.
Die Teilnehmenden erfuhren, dass es in Deutschland inzwischen mehr Whisky-Destillerien gibt als in Schottland und die deutsche Brenner*innen-Szene zur innovativsten der Welt zählt. 18.000 aktive Brennrechte sind in Deutschland vergeben, das bedeutet viel Know-How. Für die Brennerei-Kunst bedarf es penibler Handarbeit und Präzision, ansonsten kommt kein sauberes Produkt dabei heraus. Bei Obstbränden muss feinsäuberlich selektiert werden, wenn eine klare Aromatik erwünscht ist. Zum Beispiel bedarf es acht bis neun Kilo Kirschen für das Kirschwasser – übrigens ein Brand – von Fridolin Baumgartner, der die Kirschen von seinen 24 Jahre alten Kirschbäumen auch eigens erntet. Bei Getreidedestillaten, wie z.B. dem Roggen-Whisky von Steffi Glöckner, macht es einen geschmacklich großen Unterschied, ob man eine Roggen-Ganzkorn-Maische destilliert oder wie beim Malt-Whisky lediglich die von allen Feststoffen getrennte Würze.
Das Besondere des Williams-Birnenbrand von Katharina Zott ist, dass die Birnen vor der Destillation geräuchert werden, um die Komplexität zu erhöhen. Aber die Kunst liegt darin, die Birnen-Aromatik mit den Räuchernoten nicht zu zerstören. Beim Bärwurz von Gerhard Liebl waren sich alle einig, Liebstöckel- und Sellerienoten zu schmecken. 17 Jahre reift dieser Brand aus der unter Naturschutz stehenden Pflanze, dem Bärwurz, eines Dolden-Gewächses, das Hildegard von Bingen bei Leber-, Blasen- und Nierenbeschwerden empfahl. Aber Achtung: Zu viel Schnaps kann Leberschäden hervorrufen, also besser wohl dosiert genießen.
Beim klassischen London Dry Gin von Thomas Neubert wurde eine Süße identifiziert, die aber nicht von Zucker herrührt (es wurde gar keiner zugesetzt), sondern über die Wacholder- und Zitrusaromen des Gins transportiert wird. Es entsteht also nur eine Illusion von Süße!
Eindeutig und gewollt süß, aber nicht zu süß, ist hingegen der Cassis-Likör der Brenner-Familie Mozer, für den zwei Kilo frische schwarze Johannisbeeren verarbeitet wurden, um zu einem fruchtigen Finale zu finden. Sogar in Pariser Bars ist dieser Cassis aus Deutschland ein Riesenerfolg. Als schwieriges Thema stellten sich die teilweise komplizierten Brennrechte heraus, für das die Moderatoren unter anderem die Begriffe Abfindungsbrennerei und Verschlussbrennerei erklären mussten. Letztlich geht es darum, was der Zoll auf das Erzeugnis erheben kann.
Im Vordergrund des Abends aber stand die Wertigkeit der traditionellen Brennkunst in kleinen, handwerklich arbeitenden Betrieben sowie die Lust am Experimentieren.
Die Teilnehmenden zeigten sich begeistert von Qualität und Bandbreite der ausgewählten Produkte und bedankten sich für das spannende und innovative Tasting.
ein Nachbericht von Susanne Salzgeber