Das Kuratorium stellt sich vor - Dr. Tanja Busse
Was reizt Sie am meisten an der Mitarbeit im Kuratorium?
Bei meinen Recherchen zu den Auswirkungen der Lebensmittel- und Agrarindustrie auf die Ökosysteme beschreibe ich oft die negativen Seiten dieses Systems. Was falsch läuft. Wie Landwirt*innen und Landwirte in ein System geraten sind, das den Untergang ihrer Höfe bedeutet. Wie ein nicht-nachhaltiges Wirtschaftssystem den Planeten zerstört. Wie unsere imperiale Lebensweise anderen schadet. Wie wir an Extraktivismus und Ausbeutung festhalten. Wie wir die Klimakrise verschärfen und das sechste große Massensterben der Weltgeschichte ausgelöst haben. Wie wir das alles wissen - und trotzdem nicht schaffen, nachhaltig zu leben. Darüber zu lesen und nachzudenken ist sehr deprimierend. Der Ursula Hudson Preis ist da ein Lichtblick. Denn in der Jury beschäftigen wir uns mit Menschen, die nicht aufgeben, sondern die es besser machen. Die anpacken und loslegen und die Welt besser machen. Darauf freue ich mich.
Welche Botschaft von Ursula Hudson war für Sie die Entscheidende?
Ich habe vor vielen Jahren ein Buch geschrieben über die Auswirkungen unseres nicht-nachhaltigen Konsums auf andere Menschen, die für uns schuften, auf Tiere, die unseretwegen ein elendes Leben erdulden müssen, auf ganze Ökosysteme. Dabei ist mir klar geworden, dass es nicht einfach eine private Entscheidung ist, wie wir leben und was wir konsumieren. Weil die Auswirkungen unserer Konsumentscheidungen auf den Rest der Welt so enorm sind. Einkaufsrevolution habe ich mein Buch genannt. Damals habe ich auch von Slow Food gehört, und wir haben uns mit einem Slow-Food-Winzer in Italien angefreundet. Und dann kam Ursula und sagte: Essen ist politisch. Und deshalb muss Slow Food auch politisch sein. Und das geht zusammen: Der Genuss, die Lebensfreude, die italienische Esskultur - und der politische Kampf für eine bessere Welt.
Für Ursula war Essen der Beziehungsstifter schlechthin – was heißt das für Sie?
Ich bin in einer Bauernfamilie in Ostwestfalen aufgewachsen, wo Esskultur keinen so hohen Stellenwert hatte. Das war in den siebziger Jahren, als die enge Verbindung zwischen den Menschen und ihrem Boden langsam Stück für Stück zerrissen wurde. Ich habe erst im Studium in Italien gelernt, wie Essen Beziehungen stiftet. Zwischen Menschen. Und Kulturen. Und zwischen den Menschen und dem Land, das sie ernährt. Als ich das verstanden hatte, waren meine Großmütter schon gestorben, die mir alles über ihre Essensbeziehungen zu ihrem Terroir hätten erzählen können. Wo die wilden Kräuter wuchsen. Wie das ging mit dem Gemüsegärtnern. Warum die Hühner auf der Kuhweide lebten. Alle dieses Wissen ist innerhalb einer Generation verloren gegangen. Ursula hat mir gezeigt, wie wir durch Essen auf Spurensuche gehen können und unsere Wurzeln wiederfinden können und die anderer Esskulturen. Dabei entstehen ganz wunderbare Verbindungen.
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