Die Biene, unser Essen und das Klima: So steht es um die Artenvielfalt
In der biodynamischen Imkerei von Jasper Heilmann finden Bienen ihr vollkommenes Glück. Ihre Stöcke stehen auf den Feldern Brandenburger Biobäuer*innen. Heilmann entnimmt ihnen nur die Menge Honig, die sie entbehren können, und die Bienenköniginnen vermehren sich ausschließlich natürlich. So entstehen nicht nur Felder voller Artenvielfalt in Brandenburg, sondern auch vorzügliche Honige, von denen Jasper Heilmann drei Sorten – aus Lindenblüten, Buchweizen und Kornblume im Rahmen einer Terra Madre-Veranstaltung von Slow Food Deutschland vorstellte. Nur eine Gefahr droht den Bienen: Wenn sie von den Feldern der Bio-Bäuer*innen abkommen und in industriell geprägte Monokulturen benachbarter Landwirt*innen geraten. Dort lauern Pestizide und Nahrungsarmut.
Auch Ysabel Calderón lebt mit und von den Bienen. Allerdings in Peru und deswegen allein sieht die Bienenhaltung der Slow-Food-Aktivistin schon anders aus. Aber auch im Grundsatz unterscheidet sie sich von jener im Brandenburger Osten: Im Norden Perus halten die Menschen die Bienen im Wald, binden ihre Produkte Honig und Wachs viel stärker in ihren Alltag ein. Und doch sind die Probleme ähnlich: „Durch die ständige Entwaldung sind die Lebensräume der Bienen bedroht“, berichtet Ysabel Calderón. Und diese Entwaldung hat, wie die Monokulturen in Brandenburg, ebenfalls mit unserer westlichen Ernährung zu tun: Die indigenen Völker in Peru roden ihre Urwälder, um dort Platz für den Anbau billiger Nahrungs- oder Futtermittel für die nördliche Welt zu schaffen.
Die Biene beschäftigt die Menschen weltweit. Sie ist das wohl politischste Tier unserer Zeit. Weil sie eine unglaubliche Sympathieträgerin ist. Vor allem aber, weil sie auch eine Art Indikator für den Zustand der jeweiligen Öko-Systeme ist: Wo Bienen an ihrer Umwelt leiden, tun es meist auch andere Insekten und Pflanzenarten. Ein industrialisiertes, auf Monokulturen und hohen Pestizideinsatz ausgerichtetes Lebensmittelsystem spielt hierbei die zentrale Rolle. Aber welche Auswirkungen hat dieses System auf Bienen und Klimawandel? Und wie müsste ein Ernährungssystem der Zukunft aussehen, das Bienenpopulationen und biologische Vielfalt vor dem Hintergrund des Klimawandels schützt und für kommende Generationen erhält? Das diskutierte Moderatorin Tanja Busse nicht nur mit Jasper Heilmann und Ysabel Calderón, sondern auch mit dem Bienen-Aktivist Tobias Miltenberger von der Stuttgarter NGO proBiene und Stig Tanzmann von der Organisation Brot für die Welt.
Biene unter Druck
Die Biene steht nach einigen Volksinitiativen in Deutschland, die etwa in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen bereits zu neuen Artenschutzgesetzen führten, nicht nur politisch in Deutschland auf der Agenda. Sie steht auch unter Druck. Insekten-Populationen sind in Deutschland seit den 80er Jahren je nach Studie und Region um zwischen 30 und 75 Prozent zurückgegangen, von den 560 in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten sind gut 50 Prozent akut bedroht. Neben der hochintensiven Landwirtschaft und der zunehmenden Strukturverarmung naturnaher Lebensräume spielt der Klimawandel hier eine herausragende Rolle. So gefährden veränderte Temperaturverläufe die sensible Abstimmung zwischen Pflanze und Bienen. Schwankende Temperaturen im Winter stören die Winterruhe der Bienen und machen sie anfälliger für Parasiten und Krankheiten. Trockeneres Klima führt bei Pflanzen zu einer geringeren Nektarproduktion, was Bienen unmittelbar die Nahrungsgrundlage entzieht. Da aber Klimawandel, Artenverlust und Ernährungssystem wechselseitig miteinander verbunden sind, lässt sich das eine kaum ohne das andere betrachten.
„Im Gegensatz zu Honigbienen haben Wildbienen kaum eine Lobby, die sie beschützt“, sagt Miltenberger. Er verweist auf die auch in Deutschland immer schlechter werdenden Lebensbedingungen, sowohl für Wild- wie für Honigbienen. Denn letztere werden zwar durch Berufs- und Hobbyimker*innen am Leben gehalten. Die Nahrungsarmut in einer leer geräumten Landschaft, der Kontakt zu Pestiziden und die immer dichter werdende Ausbeutung ihrer Arbeit schwächen sie.
Bienen-Risiko Ernährungssystem
Miltenberger erklärt, dass das Leid der Honigbienen ebenso wie die Krise der Wildbienen mit unserem Ernährungssystem zusammenhängen. Das Wachsen oder Weichen-Motto der Landwirtschaftspolitik setze alle Beteiligten unter Druck: on den Bäuer*innen bis zur Biene. Das fängt bei der Honigbiene an, aus der die Imker*innen immer mehr herauspressen: ein Volk gibt heute vier Mal so viel Honig wie in den 60er Jahren. Auch, weil die Deutschen so gerne billigen Honig essen: Ein Kilo pro Kopf und Jahr. Weniger und dafür besser bezahlter Honig wäre da mehr. Das setzt sich aber vor allem bei den indirekten Folgen für Honig- und Wildbienen fort. „Landwirte sind in einem Riesendilemma, in das sie auch durch die Politik gezwängt worden sind“, sagt Miltenberger. „Der Landwirt versucht, das Maximale herauszuholen und gibt den Druck auf den Acker weiter.“ Und dort verenden dann Bienen und andere Insekten.
Und dieser Befund gilt weltweit. Wegen der ökologischen Bedeutung der Biene, aber auch wegen der sozialen. „Honig ist für viele Menschen weltweit eine wichtige Einkommens- und Nahrungsquelle“, sagt Stig Tanzmann. „An zu vielen Orten werden landwirtschaftliche Systeme ohne die Bienen gedacht. Das ist eben der westliche Ansatz. In Ländern wie Brasilien aber müsste das anders sein: Da gehören Bienen zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Land und Wäldern.“
Bienen und Klima schützen
Dazu würde aber auch eine andere Art der Wertschöpfung für Menschen aus den ländlichen Räumen gehören. „Bei uns wird sehr viel Wald zerstört, um Kakao und Bananen zu pflanzen oder auch Palmöl“, sagt Ysabel Calderón. Die Produkte wiederum werden in den Norden verkauft. Und Stig Tanzmann sagt: „Oft entsteht die Bedrohung durch gentechnisch veränderte Futtermittel für die nördlichen Länder oder zunehmend auch für China. Das bedeutet, dass sehr große Flächen geschaffen werden, die dann aus dem Flugzeug behandelt werden. Das sind Wüsten, in denen nichts wächst, außer gentechnisch veränderte Pflanzen.“ Kurzfristig, und das ist das Problem, ist das durchaus lukrativ für die Menschen vor Ort. „Viele indigene Völker mögen das, weil es sehr viel Geld bringt“, sagt Ysabel Calderón.
Auch da aber könnten Bienen helfen, findet sie: Wenn über den Verkauf von Produkten von im Wald lebenden Bienen Erlöse für die Menschen hereinkämen, würden diese die Wälder eher als die ihren begreifen – was nicht nur dem Arten-, sondern auch dem Klimaschutz helfen würde. Was wiederum dem Artenschutz dienen würde. Eine stetige Interaktion. Denn wenn die Durchschnittstemperaturen sich weiter erhöhen, werden wir viele Arten verlieren.
Entwaldung, Temperaturerhöhung und Monokulturen sind eine toxische Mischung für Bienen. Es gibt auch viele Pflanzen, etwa Sträucher, die sich den neuen Temperaturen nicht anpassen können und deswegen einfach verschwinden. Damit verschwindet aber auch die Nahrungsgrundlage für viele Bienen. Auch hier wirbt Stig Tanzmann für einen Perspektivwechsel. „Es ist ein sehr europäisches Verständnis, dass Wald Holz ist. In anderen Gegenden der Welt ist Wald Nahrung, weil es eben Vielfalt und Leben ist."
Autor: Sven Prange