Erster Ursula Hudson Preis von Slow Food verliehen: „Jede*r Einzelne kann die Ernährungswende vorantreiben“
„Jede*r Einzelne“, sagt die amtierende SFD-Vorsitzende Nina Wolff, am Ende einer stimmungsvollen Zeremonie, „hat die Kraft, etwas zu verändern.“ Das sei die wichtigste Botschaft des am 14. Juni zum ersten Mal verliehenen Ursula Hudson Preises in Gedenken an die viel zu früh verstorbene Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Die Trägerin des UrsulaHudson Preises, Elisabeth Schmelzer, Gründerin und Inspiratorin von GreenfairPlanet, verkörpert dieses Potential jedes Einzelnen, etwas Positives zu bewegen. Schmelzer versetzt andere in Bewegung – und verursacht damit wiederum Bewegung.
80 Bewerbungen für die Erstvergabe des Preises
Tatsächlich ist genau das der Sinn dieses Preises: Zu zeigen und zu ermutigen, wie schon das Engagement Einzelner die Ernährungswende vorantreiben kann. Ursula Hudson galt national wie international als Vordenkerin für diese Transformation. Ihr Credo: Nur gemeinsam können wir etwas bewegen. Daran knüpft der nach ihr benannte Preis an und ehrt Einzelpersonen, Initiativen oder Gruppierungen.
„Hinter den Bewerbungen stehen inspirierende Persönlichkeiten und Initiativen, deren Gestaltungskraft unsere Wertschätzung und Hochachtung gebühren“, sagt Nina Wolff. „Die Bewerbungen zeichnen sich durch eine beeindruckende Vielfalt und Qualität aus, und sie machen Mut: Die Veränderung unserer Ernährungswelt ist möglich, vorausgesetzt wir haben ausreichend Motivation und Kreativität, Geschick und Ausdauer im Gepäck.“ 80 Bewerbungen landeten beim Kuratorium aus Ursula Hudsons langjähriger Wegbegleiterin Barbara Assheuer, der Journalistin Tanja Busse, Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel, der Chefin der Freien Bäcker Anke Kähler und dem Winzer und Lebensmittelaktivisten Sebastian John auf dem Tisch, die dann die „Qual“ der Wahl hatte. Aber eben auch die schöne Aufgabe, nach außen zu tragen, wie viele Menschen sich für eine saubere, gute und faire Ernährungswelt einsetzen, in der das Lebensmittelhandwerk und die planetenfreundliche Landwirtschaft über die industrialisiere Agrarwirtschaft gewinnen wird.
Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer ermutigt zu Visionen
Ermutigung und Aufforderung zugleich ist dieser Preis, das wird auf der hybriden Verleihung in der Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin deutlich.
Etwa, als Professor Klaus Töpfer seine Keynote spricht. Der ehemalige Bundesumweltminister und Umweltschützer im Auftrag der Vereinten Nationen zitiert Ernst Bloch: „Nur das Erinnern ist fruchtbar, wenn es daran erinnert, was noch zu tun ist.“ Und zu tun ist in der Ernährungswelt trotz all der guten, Mut machenden Initiativen einiges. „Sind wir schon dort, wo wir hinwollen?“, fragt Töpfer und verneint natürlich. Das aber so, dass er Mut spendet, nicht Enttäuschung. Es gehe darum, auf dem Weg zu einer nachhaltigen Welt wagemutig zu sein. „Alternativen auch dann aufzeigen, wenn sie von Anfang an möglicherweise als unrealistisch gewertet werden“, wie Töpfer sagt. In dieser Disziplin sind die vier Finalist*innen, die das Kuratorium für die Nominierung des Preises ausgewählt hat, wahre Meister*innen. Von der Demokratiebewegung bis zum Bauernhof decken sie ein breites Spektrum ab.
Die vier Nominierten
Etwa der Ernährungsrat Oldenburg. Den gründeten Aktive in der niedersächsischen Stadt bereits vor vier Jahren, es war der erst fünfte Ernährungsrat in Deutschland überhaupt. Hier versammeln sich Menschen, die eine nachhaltige Ernährung in ihrer Stadt vorantreiben und die Politik entsprechend bewegen wollen. „Der Ernährungsrat Oldenburg zeigt vorbildlich die große Bedeutung von Ernährungsräten bei der Ernährungswende“, heißt es in der Begründung für den Hudson Preis. Oder, wie Laudator Pirmin Spiegel sagt: „Es scheint, dass das Wissen um Artenvielfalt, gutes Essen und Landwirtschaft durch die industrialisierte Landwirtschaft verloren geht. Gleichzeitig bestimmt unser Konsum Klima und Klimakrise mit. Darauf macht der Ernährungsrat aufmerksam.“
Vielfältige Akteur*innen und der Kampf gegen eine industrielle Landwirtschaft prägen auch das Leben auf dem Hof Pente. Die solidarische Landwirtschaft mit Hof-Kindergarten und Schule arbeitet beispielhaft an der Verbindung von fairer und ökologischer Lebensmittelproduktion mit Bildung für alle Altersstufen. „Für die Zukunft ist es wichtig, dass wir alle die Ernährungswelt bewusst mitgestalten“, sagt Mit-Antreiberin und Landwirtin Julia Hartkemeyer. „Ich kann jeden Landwirt nur ermutigen, seinen Hof zu öffnen. Es gibt viele Leute, die sich einbringen wollen.“ Das findet auch Preis-Kurator Sebastian John : „Wir brauchen dringend mehr Betriebe, die solche zukunftsfähigen Wege einschlagen.“
Einziger Einzel-Nominierter in der Finalrunde des Preises war Benedikt Haerlin. Und das ist naheliegend. Nicht nur, weil er dem ebenso empathischen wie durchsetzungsstarken Engagement der Namensgeberin des Preises durchaus ähnelt, sondern auch, weil Haerlin seit Jahren zu den prägenden Köpfen der Ernährungswende in Deutschland gehört. Er treibt die Agrarwende mit innovativen Ideen voran, theoretisch und praktisch. „Und er ist ein führender Kopf beim Bekanntmachen des Weltagrarberichts in Deutschland, des Weltackers und der Wir-haben-es-satt-Demo“, heißt es zur Begründung. „Das Motto, das für Benny gilt: Nicht über die Verhältnisse klagen sondern gucken, was sich verändern lässt“, sagt Laudatorin Anke Kähler. „Ich bin mir sicher, du bleibst im Denken radikal – und das ist gut so.“ Und dass daran kein Zweifel besteht verdeutlicht Haerlin selbst in seiner Dankesbotschaft: „Was sich dringend verändern muss, ist die Kontrolle einiger weniger internationaler Konzerne über die Grundlagen unserer Ernährung. Wir brauchen Ernährungssouveränität.“ Und dafür will er weiter streiten.
Das gilt wohl auch für die Gewinnerin des Ursula Hudson Preises, Elisabeth Schmelzer von GreenfairPlanet. „Alles was Sie machen, machen Sie mit Leichtigkeit und Freude“, sagt Barbara Assheuer in ihrer Laudatio an Elisabeth Schmelzer. Und sie macht sehr viel: Seit dem Jahr 2000 setzt sich GreenfairPlanet für gutes Essen, gute Landwirtschaft für alle sowie für die Bewahrung der biologischen Vielfalt und einen lebendigen Planeten ein. GreenfairPlanet steht als Verein für die kritische Auseinandersetzung mit Ernährung, Armut und Gesundheit, Nahrungsproduktion weltweit sowie der Vernichtung von Nahrungsmitteln als Teil des Wirtschaftssystems. „Ein Preis, den ich stellvertretend für alle Initiativen hier heute entgegennehme“, sagt Schmelzer. Sie zeigt somit, was Tanja Busse über die Gesamtheit der Finalist*innen zu Beginn sagte: „Wir verleihen heute einen Preis, bei dem es auch darum geht, zu zeigen, dass wir in einer Demokratie alle mitwirken und gestalten können.“
Autor: Sven Prange