EU-Konsultationen zu Pestizideinsatz - Kann es überhaupt eine „nachhaltige Verwendung von Pestiziden” geben?
Betrachtet man die Daten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), so sieht die Lage besorgniserregend aus: 2017 wurden in Italien auf jedem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche durchschnittlich 6,1 kg Pestizide verwendet, das entspricht insgesamt 56.641 Tonnen. Frankreich und Spanien verbrauchen im Durchschnitt die Hälfte (3,6 kg pro Hektar), in Deutschland liegt der Wert bei 4 kg pro Hektar – was jedoch alles bei Weitem zu viel ist. Zahlreiche wissenschaftliche Forschungen, die Europäische Kommission und der Europäische Rechnungshof haben die Verwendung von chemischen Pestiziden in der Landwirtschaft als eine der Hauptursachen für den dramatischen Rückgang von Bienen und anderen Bestäubern identifiziert. Jahrzehntelange Industrialisierung unseres Landwirtschafts- und Lebensmittelsystems haben wesentlich zum drastischen Rückgang der Artenvielfalt und der Anzahl von Bestäubern beigetragen, die Verschmutzung unserer Böden und Gewässer verschlimmert und die Chemikalienbelastung in europäischen Lebensmitteln erhöht. Auf globaler Ebene sind über 40 Prozent der wirbellosen Bestäuberarten vom Aussterben bedroht.
„Die Überarbeitung der Richtlinie zur Nachhaltigen Verwendung von Pestiziden ist die beste, und wahrscheinlich die einzige Gelegenheit, endlich verbindliche Ziele aufzustellen, um den Einsatz synthetischer Pestizide zu verringern. Der europäische Green Deal und die Strategie ‚Vom Hof auf den Tisch‘ sehen eine Reduzierung der Verwendung von Pestiziden und der damit verbundenen Risiken um 50 Prozent bis 2030 vor. Wir sollten aber lautstark die Forderungen bekräftigen, die eine halbe Million EU-Bürger*innen mit ihrer Unterstützung der Europäischen Bürgerinitiative ‚Bienen und Bauern retten‘ geäußert haben: eine Reduzierung des Pestizideinsatzes um 80 Prozent bis 2030 und einen vollständigen Ausstieg bis 2035. Um diesen vollständigen Ausstieg zu schaffen, müssen wir für jeden Mitgliedstaat Mindestanforderungen festsetzen; wir müssen die Datenerhebung zum Pestizideinsatz von Landwirt*innen verbessern sowie Agrarökologie und die Verwendung von Alternativen zu synthetischen Pestiziden fördern“, so Marta Messa, Leiterin von Slow Food Europa. „Slow Food betont, wie wichtig es ist, die Verwendung von Pestiziden so stark wie möglich zu begrenzen, angefangen bei der Abschaffung ihres präventiven Einsatzes in der Landwirtschaft, aber auch im Gartenbau und in der Forstwirtschaft. Integrierter Pflanzenschutz sollte für Landwirt*inneen verpflichtend werden. Gleichzeitig muss der Übergang zur Agrarökologie unterstützt und Landbausysteme gefördert werden, die darauf abzielen, die Symbiose zwischen Bienen und Landwirtschaft wiederherzustellen. Die Alternativen zu Pestiziden dürfen natürlich keine Gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) oder neue GVOs enthalten, die ein Landwirtschaftsmodell replizieren, das auf Monokulturen und industrieller Landwirtschaft basiert und gleichzeitig eine Gefahr für die Biodiversität und die Souveränität der Landwirt*innen darstellt“, so Messa weiter.
Im Rahmen der Überprüfung dieser Richtlinie hat die Europäische Kommission online eine öffentliche Konsultation gestartet, um herauszufinden, was europäische Bürger*innen und Organisationen als beste Wege zur Reduzierung des Pestizideinsatzes in der EU ansehen. Noch bis zum 12. April kann sich unter diesem >> Link jede*r zu Wort melden.
„Europa braucht diversifizierte agrarökologische Lebensmittelsysteme, basierend auf Agrarbiodiversität im Landbau. Die Abhängigkeit von externem Input muss verringert, dafür soziale Beziehungen der Akteur*innen untereinander angeregt und Lieferketten verkürzt werden, um auf lange Sicht gesunde Agrarökosysteme aufzubauen und eine sichere Lebensgrundlage zu schaffen. Das wird maßgeblich dafür sein, die Landwirt*innen bei der Umsetzung bienenfreundlicher Landwirtschaftspraktiken zu unterstützen und es wirtschaftlich interessant zu machen, Agrarökologie und integrierten Pflanzenschutz anzuwenden“, schließt Messa. Die nächsten Jahre sind ausschlaggebend dafür, unsere Landwirtschaft zu verändern, um die Ziele des Green Deals zu erreichen.
Wenn Sie mehr über die Slow-Food-Position zur neuen EU-Strategie „Vom Hof auf den Tisch” und zur EU-Biodiversitätsstrategie erfahren möchten, klicken Sie >> hier.