„Genetische Vielfalt ist ein Wert an sich“
David, was ist für dich Vielfalt in der Landwirtschaft?
Wenn ich ein Ökosystem betrachte, dann sehe ich Vielfalt. Landwirtschaftliche Vielfalt herrscht, wenn ich abwechslungsreiche Landschaft ohne Monokultur habe. Das muss ich als Bauer verstehen. Es reicht nicht zu sagen, dass wir etwa beim Vieh vielfältig sind. Das muss sich auch auf dem Acker wiederfinden. In der Landschaft, einfach überall auf dem Hof.
Wie sieht das konkret aus?
Der perfekte Acker wäre für mich von Bäumen umrandet, die von Februar bis Ende des Jahres Blütenvielfalt bieten. Auf dem Feld habe ich nicht nur eine wunderschöne alte Roggen-Sorte, sondern auch Wicken oder ein paar Gräser. Und wenn die geerntet sind, dann eine Pflanze, die nach der Ernte auch wächst. Ich würde den Acker in mehreren Schichten sehen und mit mehr wie einjährigen Pflanzen säen.
Wie viel Vielfalt ist auf deinem Hof um dich?
Die Vielfalt ist das Konzept hier. Wir sind zum Beispiel schnell auf alte Rassen gegangen, nicht nur weil diese oft besser zu den Bedingungen hier passen. Sondern auch, um sie zu bewahren. Genetische Vielfalt ist ein Wert an sich. Wir haben mittlerweile auch Bäume gepflanzt, sind immer vielfältiger geworden.
Wie wirkt sich das auf deinen Hof aus?
Viele haben uns gesagt: Wenn ihr Vielfalt wollt, rechnet es sich nie mit der Landwirtschaft. Das stimmt aber nicht. Wenn wir uns auf wenige Erzeugnisse konzentrieren würden, wäre der Absatz ja noch schwieriger: Wir müssten von einer Sache noch mehr loswerden. Es klingt vielleicht träumerisch: Aber Vielfalt ist das Ertragreichste und Ertragsicherste, was ich anbauen kann.
Langfristig sicher, aber auch kurzfristig, wenn ich den Unterhalt für den Hof verdienen muss?
Auch kurzfristig. Wenn der Roggen sich nicht gut entwickelt, dann ist dennoch etwas anderes da, wenn ich das Feld von vorneherein gemischt einsäe. Das ist doch logisch.
Aber auch schwierig: Deine Arbeit klingt sehr kleinteilig, also auch aufwändig.
Dass das schwierig ist, ist mir vollkommen klar. Es bedeutet mehr Arbeit, mehr Hingabe. Aber für uns zahlt es sich aus. Wenn ich zum Beispiel Leguminosen, also Ackerbohnen etwa oder Lupinen, pflanze, habe ich mehr Stickstoff im Boden und bin am Ende wirtschaftlicher.
Arbeitest du mit herkömmlichen Pflanzen?
Nein, ausschließlich mit samenfesten Sorten – also Sorten, die nicht so gezüchtet sind, dass sie sich nicht mehr selbst vermehren können. Ich denke, Pflanzen passen sich über Jahre an. Ich möchte die Sorten haben, die für meinen Standort bestens geeignet sind. Das heißt nicht, dass ich jede Möhre selbst vermehre. Ich könnte es aber, und vor allem kann ich schauen: Welche samenfeste Möhre gedeiht hier am besten und entsprechend steuern. Unsere Getreide vermehren wir alle selbst. Unseren Roggen haben wir zehn Jahre an unseren Standort angepasst. Der ist anders als andere Roggen und wächst entsprechend sehr gut hier.
Wissen deine Kund*innen das zu schätzen?
Wir sind ein kommerzieller Betrieb und verdienen Geld. Wir gelten als Direktvermarkter. Wir vermarkten aber überwiegend an die Gastronomie, hauptsächlich an die Spitzengastronomie, aber auch eine Großküche und ein Krankenhaus nehmen unsere Ware. Ebenso kommen viele Menschen hierhin, die sich auf dem Hof privat eindecken. Die Ware wird sehr gut abgenommen. Als wir mit der Vermarktung begonnen haben, bin ich zu den Restaurants und habe gesagt: Das ist geil, das braucht ihr. Bei denen, die gesagt haben, ist zu teuer, haben wir gesagt: Gut, dann braucht ihr es eben nicht.
Und heute?
Wir nehmen eindeutig höhere Preise, sagen aber: Unsere Preise sind reale Preise, wir können nichts für die anderen Preise. Wir wirtschaften seit 2016 mit den gleichen Preisen, müssen nicht erhöhen. Das kommt ja auch davon. Man muss aber natürlich auch Menschen davon überzeugen, dass Produkte Qualität haben.
Was müsste passieren, damit die Landwirtschaft insgesamt mehr Vielfalt fördert?
Zwei Dinge: Man müsste die Agrarsubventionen, so wie sie derzeit sind, abschaffen. Ich würde auch kein neues Modell fordern, sondern einfach sagen: die Subventionen müssen komplett weg. Es ist absurd, dass man eine Branche wie die Landwirtschaft mit Steuergeldern unterstützt. Das andere ist: Man müsste Menschen zeigen, dass Landwirtschaft auch im Einklang mit der Natur und mit minimalem fossilem Einsatz und handwerklich geht. Der Mensch glaubt immer an einfache Wege. Manchmal wäre es gut, nicht einfache sondern menschliche Lösungen zu suchen.
Und wie baut man Vielfalt in seine Ernährung ein?
Das wichtigste ist: Lerne dein Essen kennen. Das ist nicht immer leicht. Man kann aber mit leichten Dingen anfangen und sich jemanden suchen, der macht, was man essen möchte. Über diese Beziehung wird sich viel entfalten. Zweitens: Fangt doch selbst an, jede*r kann da etwas machen. Ob das ein Blumentopf am Balkon ist oder Urlaub auf dem Bauernhof. Wenn man sich mit den Tätigkeiten beschäftigt, bekommt man automatisch mehr Wertschätzung und Verbindung zu dem Thema.
Die Fragen stellte Sven Prange.
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