Hummus bringt Humus
Was hat Hummus, der beliebte cremige Dip aus Kichererbsen, mit Humus, also fruchtbarem Boden mit hohem Kohlenstoff- und Nährstoffgehalt, zu tun? Mehr als die meisten denken: Hülsenfrüchte, zu denen auch die Kichererbsen gehören, binden Stickstoff aus der Luft und fixieren ihn in großer Menge an ihren Wurzeln. Damit düngen sich Hülsenfrüchte quasi von alleine. Der im Boden angereicherte Stickstoff reicht sogar noch für die nachfolgende Kultur, eine zusätzliche Düngung ist also überflüssig. Außerdem sorgen Hülsenfrüchte durch ihre tiefen Wurzeln für eine lockere Erde, in der sich Würmer und andere wichtige Bodenorganismen wohl fühlen.
Hummus sorgt also für Humus – oder etwas weiter gefasst: Hülsenfrüchte sind gut für die Bodenfruchtbarkeit. Und außerdem für das Klima und die Artenvielfalt. Denn die in der Landwirtschaft übliche Stickstoffdüngung fällt oft zu reichlich aus und belastet damit nicht nur den Boden und das Grundwasser, sondern auch das Klima. Werden in der Fruchtfolge Hülsenfrüchte angebaut, kann Dünger eingespart werden. Die blühenden Lupinen, Bohnen, Erbsen oder Linsen sind darüber hinaus für viele Insekten interessant, die hier – anders als auf Getreidefeldern – Pollen und Nektar finden.
Trotz dieser Vorteile fristen Hülsenfrüchte in Deutschland und Europa immer noch ein Nischendasein. Grund genug für die Slow Food Youth, zu einer entsprechenden Infoveranstaltung mit Online-Kochkurs einzuladen. Der Abend war Teil der Kampagne „Zukunft würzen: Für eine Ernährungspolitik, die schmeckt!“, mit der Slow Food und die Slow Food Youth für eine Transformation unseres Ernährungssystems eintreten.
Aus heimischem Anbau nur schwer zu finden
Eine der sieben Slow-Food-Forderungen zur Bundestagswahl ist, dass Deutschland eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen soll. „Eine regenerative Landwirtschaft muss künftig Biodiversität, Klima und Bodenfruchtbarkeit schützen“ heißt es in dem Forderungspapier. Dazu könnte der Anbau von Hülsenfrüchten einen wichtigen Beitrag leisten. Bohnen, Linsen und Co. liefern darüber hinaus viele hochwertige Proteine, die gerade bei einer eher pflanzlich ausgerichteten Ernährung wichtig sind. Und die wiederum trägt durch das Weniger an tierischen Produkten ebenfalls zum Klimaschutz bei.
Doch Hülsenfrüchte aus heimischem Anbau zu finden, ist noch ein mühseliges Unterfangen. Das zeigte sich schon beim Einkauf der Zutaten für den Slow-Food-Abend: Grüne Linsen werden zwar inzwischen wieder hierzulande angebaut, vor allem auf der Schwäbischen Alb. Bei weißen Riesen-, Borlotti- oder Kidneybohnen dagegen wird es deutlich schwieriger, heimische Ware im Einkaufsregal zu finden. „Nur auf knapp zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland werden Hülsenfrüchte angebaut“, berichtete Dr. Moritz Reckling vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) den fast 120 Teilnehmer*innen der Online-Veranstaltung. Den größten Teil machen Futtererbsen und Ackerbohnen aus, beides wandert hauptsächlich ins Tierfutter. „Das hängt auch viel mit unseren Ernährungsgewohnheiten zusammen.“
Regionale Wertschöpfungsketten notwendig
Das ZALF beschäftigt sich vor allem damit, neue Sorten und Anbauverfahren zu erproben, die für heimische Böden geeignet sind. Grundsätzlich, so Reckling, sei es durchaus möglich, etliche Hülsenfrüchte in Deutschland anzubauen. Trotzdem wird das meiste importiert – auch weil viele Landwirt*innen den Anbau als unprofitabel und riskant einschätzen. „Regionale Absatzmärkte und Wertschöpfungsketten sind hier dringend notwendig.“
Ein Landwirt, der sich an den Anbau von Hülsenfrüchte gewagt hat, ist Benedikt Sprenker. Auf seinem Betrieb im westfälischen Beckum wächst seit einigen Jahren die Gemüsesojabohne Edamame, neu hinzu gekommen sind Borlotti-Bohnen. Dieses Jahr experimentiert er auch mit dem Anbau von roten Kidneybohnen sowie Augen- und weißen Bohnen. „Das sind erst einmal Versuche, wir leisten hier Pionierarbeit.“ Von der Politik wünscht sich Sprenker, dass Netzwerke aufgebaut und finanziell unterstützt werden, die dann das Know-How an interessierte Landwirt*innen weitergeben. Sprenker selbst ist mit dem Absatz seiner Hülsenfrüchte zufrieden: „Wir haben da einen kleinen Stein ins Wasser geworfen, der inzwischen weite Kreise zieht.“
Vielfältige Zubereitungsmöglichkeiten
Der an die Infoveranstaltung anschließende Kochkurs brachte den Teilnehmer*innen die vielfältigen Zubereitungsmöglichkeiten der Hülsenfrüchte näher. Annette Voigt, gelernte Köchin und Lehrerin an der Brillat-Savarin Schule OSZ Gastgewerbe in Berlin, zeigte das Potenzial, das in dieser Pflanzenfamilie steckt: Ein cremiges Hummus lässt sich auch aus weißen Riesenbohnen zaubern, aus zerstampften roten Kidneybohnen und grünen Linsen entstehen leckere Burgerpattys, die vegane Mayonnaise enthält als eine Hauptzutat ungesüßten Sojadrink, Linsensprossen krönen den Salat.
Das Menü machte jedenfalls Lust auf mehr – und eine steigende Nachfrage ist die Voraussetzung dafür, dass die für einen guten Boden und den Klimaschutz so wichtigen Hülsenfrüchte auch in Deutschland verstärkt angebaut werden.
Die thematischen Online-Kochkurse zu den Forderungen für eine veränderte Ernährungspolitik gehen übrigens weiter:
- 01.06.: Hätte, Hätte, faire Kette
- 15.06.: Wir essen auf fürs Klima
Autorin: Birgit Schumacher