„Mit Rohstoffen arbeiten, die sonst eigentlich in der Tonne landen“
Felix vom Endt, Sie arbeiten seit einiger Zeit mit dem Nürnberger Bäcker Feihl zusammen und brauen aus einem Teil von dessen alten Broten ein Bier. Wie kam es dazu?
Ich selbst wäre, glaube ich, nicht auf einen Bäcker zugegangen, um danach zu fragen. Aber als Feihl mich gefragt hat, fand ich die Idee toll.
Die Idee in Kurzform lautet: Der Bäcker liefert Ihnen Brot, das er nicht verkauft hat und Sie brauen daraus ein Bier. Ziemlich speziell, oder?
Bier mit Brot zu brauen, ist erst mal nicht abwegig. Brot und Bier haben viele Gemeinsamkeiten in der Herstellung. Auch in der Historie waren Bäckerei und Brauerei oft beieinander.
Und warum haben bei Ihnen jetzt Bier und Brot wieder zusammengefunden?
Der Bäcker Feihl ist auf uns zugekommen, er wolle ein Bier mit Brot brauen. Und er fand unser Konzept originell und passend. Wir sind ja auch dafür bekannt, andere Wege zu gehen. Dann waren wir schnell beim Thema: Kein Brot darf in die Tonne. Das fanden wir nicht nur brauprozesstechnisch interessant. Brot als Rückläufer in die Wertschöpfungskette zurückzugliedern, ist spannend und auch eine absolute Notwendigkeit. Es landet einfach zu viel Brot, das noch einen Wert hat, im Müll.
Wie wird bei Ihnen aus dem alten Brot neues Bier?
Das Brot ist der Rebell 36, ein dunkelgebackenes Brot, mit Salz und Leinsaat. Ein sehr aromatisches, kräftiges Brot, das einen sehr charakterstarken Geschmack ins Bier bringt. Wir ersetzen damit ein Drittel des Getreides, das wir sonst nehmen würden. So kann man mit dem Lebensmittel, das in die Tonne kommt, andere Rohstoffe einsparen. Der Bäcker Feihl sammelt das Brot, trocknet es und raspelt es. Wir bekommen es quasi „ready to use”. Wir wollen nicht bloß Getreide ersetzen, sondern durch die Zugabe des Brotes dem Bier einen eigenen Charakter und Geschmack geben und zugleich Ressourcen schonen. Man könnte auch einen Teil des Braumalzes durch altes Brot ersetzen, um so Rohstoffe einzusparen, beziehungsweise mit Rohstoffen zu arbeiten, die sonst eigentlich in der Tonne landen.
Und was für ein Bier entsteht so?
Vom Stil her ein Märzen. Das ist durchaus süffig, und kann genüsslich auch mal so getrunken werden. Wir haben das Bier als Grundgeschmack ganz klar im Vordergrund. Das Brot unterstützt die genutzten Braumalze, die bewusst etwas dunkler und karamelliger gewählt wurden. Wir überlegen, vielleicht unserem „fränkischen Landbier”, ein Bier gebraut mit einer historischen fränkischen Landgerste, auch einen kleinen Schüttungsanteil Brot hinzuzugeben, ebenso vielleicht auch dem Kellerbier. Dadurch wird das Bier einfach etwas komplexer und vielschichtiger bei gleichbleibend hoher Trinkbarkeit. So könnten wir noch mehr Brot vor der Tonne retten. Wichtig ist uns, dass das Bier als Grundansatz auch vom Brauprozess erhalten bleibt.
Ist das Prinzip generell aufs Bierbrauen übertragbar?
Generell ist es mit jedem Brot möglich. Jedes Brot hat natürlich seine Eigenschaften, an die man den Brauprozess dann anpassen muss. Aber ich bin total dafür, das großflächiger so zu machen. Das schürt den Kreislauf. Aber man muss schauen, wie das auf das Bier wirkt. Wir nehmen zum Beispiel ein sehr kräftiges, extravagantes Brot. Das gibt schon einen spürbar anderen Geschmack. Mit einem eher klassischeren Brot, 100 Prozent Roggen oder Weizen, lässt sich viel leichter brauen, ohne das Geschmacksprofil des Bieres zu verändern. Gibt man bei einem Hellen oder Lager zehn Prozent klassisches Brot dazu, weicht das Bier geschmacklich nicht groß ab. Es wird eher besser.
Warum machen es dann nicht alle?
Zum einen, weil es ungeübt ist. Zum anderen haben wir natürlich das deutsche Reinheitsgebot. Da ist es schwierig, das so einfach regelmäßig umzusetzen. Den Behörden geht es darum, keine Zusatzstoffe zu verwenden, um die Standardrohstoffe Hefe, Hopfen, Malz und Wasser zu ersetzen. Das ist ja auch erst mal gut. Aber wenn ich ein gutes, handwerkliches Brot aus natürlichen Zutaten verwende, ist da ja im Prinzip nichts enthalten, was nicht auch ins Bier darf.
Aber wenn man Brot nicht entsorgen will, wäre die Aufbereitung zu Bier ein Weg?
Viele Mittelständler könnten sicher dazu beitragen, das alte Brot wieder in den Kreislauf zu bringen. Viele Brauereien könnten das ohne Probleme umsetzen. Der Aufwand im Prozess ist meiner Meinung nach nicht groß, sicher aber auch von den individuellen Bedingungen in einer Bäckerei abhängig. Aber es ist natürlich etwas Neues und neue Dinge sind grundsätzlich erst mal schwierig in der Handhabung, da ein Umdenken stattfinden muss und das kostet Ressourcen. Und man muss schauen, das passende Brot zu finden.
Und wie kommt das Bier an?
Es ist sehr, sehr gut angelaufen. Auch in den Filialen vom Bäcker Feihl. Das Bier gibt es in ganz Deutschland in Bier-Spezialitätenläden und im Online-Shop. Jetzt schauen wir, dass wir eine Regelmäßigkeit in den Brauprozess kriegen.
Löst das Zusammenspiel von Brot und Bier generell das Problem, dass gerade in Bäckereien viel Brot für die Tonne produziert wird?
Es ist ein Ansatz. Uns war es aber zudem wichtig, dass wir mit Feihl einen Partner haben, der sich auch an anderen Stellen in der Wertschöpfungskette darum kümmert, möglichst wenig Lebensmittel entsorgen zu müssen. So experimentieren die etwa mit einer Software, die noch bessere Prognosen ermöglicht, was an einem Tag überhaupt gekauft wird – und die Produktion entsprechend anpasst. Ebenso wird ein Großteil an die Tafel gespendet und an regionale Landwirte. Dem Bäcker Feihl ist es aber auch wichtig, immer wieder neue Wege zu gehen und innovativ zu denken. Somit ist dieses wunderbare „brotbier” entstanden.
Die Fragen stellte Sven Prange.
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