Neuer Koalitionsvertrag: Zwölf Chancen für ein nachhaltiges und faires Ernährungssystem
In ihrem Koalitionsvertrag mit dem Titel „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ kündigen SPD, Grünen und FDP an, mehr Fortschritt wagen zu wollen – so auch im Rahmen eines nachhaltigen Landwirtschafts- und Ernährungssystems. Slow Food Deutschland (SFD) begrüßt, dass die Koalition Landwirtschaft und Ernährung als zentrale Zukunftsfelder anerkennt. Aus Sicht von SFD enthält der Koalitionsvertrag insbesondere zwölf Chancen, dieses Zukunftsfeld erfolgreich zu bestellen:
- Die Verpflichtung auf die Klimaschutzziele von Paris (1,5-Grad-Pfad) und zu Klimaneutralität bis 2045.
- Die Stärkung des internationalen Biodiversitäts- und Insektenschutzes und die Bekämpfung des Artensterbens.
- Das Ziel einer Ernährungsstrategie bis 2023 und die Entwicklung von Kriterien für einen ökologischen Fußabdruck für Lebensmittel.
- Die Verbesserung der Maßstäbe für die Gemeinschaftsverpflegung mit aktualisierten Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und einer Erhöhung des Anteils regionaler und ökologischer Erzeugnisse.
- Die verbindliche und branchenspezifische Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.
- Mehr Tierschutz durch eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ab 2022, den Umbau der Nutztierhaltung und die Erarbeitung einer Tierschutzstrategie.
- Die Stärkung pflanzlicher Alternativen zu tierischen Erzeugnissen.
- Die Revision der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU in Deutschland mit dem Ziel des Umwelt- und Klimaschutzes.
- Die Ausrichtung der gesamten Landwirtschaft an den Zielen des Umwelt- und Ressourcenschutzes und der Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent bis 2030.
- Die ambitionierte Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, einschließlich eines Vermarktungsverbots für Glyphosat ab spätestens 2024.
- Die Stärkung des Bodenschutzes, insbesondere durch ein Bundesprogramm „Zukunftsfähiger Ackerbau“ und die Unterstützung der EU bei einer Bodenrichtlinie.
- Das Vorhaben, in der europäischen und internationalen Fischereipolitik faire, wissenschaftsbasierte Fangquoten einzufordern.
Neben diesen Chancen weist der Koalitionsvertrag für Slow Food auch Schwächen auf. Beispielsweise wird neben der Förderung pflanzlicher Alternativen auch sehr stark in Fleischersatzszenarien wie „alternativen Proteinquellen“ und Fleischersatzprodukten gedacht. Die Regulierung gentechnischer Verfahren bleibt unerwähnt. Ebenso die für SFD fundamental wichtige Ernährungsbildung. Trotzdem aber steigert der Koalitionsvertrag aus Sicht von Slow Food insgesamt die Chancen für eine ambitionierte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik der künftigen Bundesregierung.
Dazu Nina Wolff, SFD-Vorsitzende: „Positiv ist insbesondere, dass eine unserer Kernforderungen, nämlich die Schaffung einer Ernährungsstrategie bis 2023, Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Auch die Konturen einer nachhaltigeren Landwirtschaft und größeren Tiergesundheit zeichnen sich ab, ebenso wie Fortschritte hin zu einer nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung. Weitere große Chancen für ein deutlich nachhaltigeres und faireres Ernährungssystem sind wiederum erst sehr rudimentär im Koalitionsvertrag angelegt. Für tragfähige Lösungen werden die Fachministerien, allen voran das BMEL, neben dem vorhandenen Potential des Koalitionsvertrags die vielen noch offen gelassenen Spielräume nutzen können und müssen. Das Terrain ist bereitet, Strategien und Pläne müssen folgen, Maßnahmen zügig konkretisiert werden. Jetzt gilt es, geschickt zu spielen - und zu punkten!“