Vom Bier for future bis zum Bienenflüsterer: Online-Verkostung mit Marktheldenprodukten der Slow Food Messe
Stella Diettrich von Slow Food Deutschland führte durch den Abend und begleitete die Zuschauer*innen an den verschiedenen Genuss-Stationen:
Bio-Leindotteröl aus der Bliesgau-Ölmühle von Patric Bies und Jörg Hector:
Kurze Wege vom Feld in die Flasche
Leindotteröl hat nicht nur einen hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren, sondern begeistert mit einer Haltbarkeit von mindestens neun Monaten. Die Bliesgau-Ölmühle kooperiert zur Gewinnung des Öls mit dem Biolandhof Comtesse. Dort wird Leindotter in Mischfruchtanbau erzeugt, d.h. verschiedene Öl- und Hülsenfrüchte werden mit Getreide zusammen auf einem Feld angepflanzt. Leindotter dient dabei z.B. Linsen als Stütze. Das Ergebnis selber schmeckt gemüsig gut, nach grünen Erbsen und Spargel. Leindotteröl eignet sich für Salate, Rohkost, als Zutat über Nudeln, zu Kartoffeln oder zusammen mit Alb Harissa als schnelle Nudelsoße. Grundsätzlich sollte es nicht erhitzt werden.
CitroVitella oder LemonMint aus der Kräuterei Mutter Erde von Marc Zabel in Steinen-Hofen:
Mutter Erde im Südschwarzwald
Alle Tees von Marc Zabel zeichnen sich durch einen hohen Blütenanteil aus; insgesamt hegt und pflegt er 50 verschiedene Kräuter in BIO-Anbau. Während der Verkostung berichtet Zabel, dass Bio alleine nicht mehr ausreiche; er plädiert für eine aufbauende Landwirtschaft für mehr Klimaschutz und Humusaufbau. Um die wertvollen Inhaltsstoffe seiner Tees zu bewahren, gibt es bei ihm aus Überzeugung nur Ganzblatt-Tees. Als solche sind sie bis zu vier Jahre haltbar. Sie lassen sich außerdem sehr sparsam dosieren. Tipp: Den Tee mit kochendem, nicht mehr sprudelndem Wasser übergießen; die Blätter vorher zerbrechen, dann ist es ergiebiger. Und daran denken: Das Auge trinkt mit – auch beim Tee. Für alle Teeliebhaber*innen im Sommer gibt es Eistee und zwar so: Tee kräftig zubereiten, d.h. sehr lang ziehen lassen (bis zu einer halben Stunde); sobald er abgekühlt ist je nach Geschmack Zitronensaft und Honig hinzufügen und natürlich Eiswürfel.
Alb-Harissa Feurio aus der Albfiness Genuss Manufaktur von Hannelore Schillinger Sauer in Münsingen:
Zwischen Schwäbischer Alb und Kambodscha
Albfiness hat es sich zum Ziel gesetzt, dass die Rohstoffe aus gutem Anbau kommen, möglichst nah, möglichst mit persönlichem Bezug zu den Menschen, die sie erzeugt haben. D. h. Priorität hat der Anbau auf der Schwäbischen Alb, dann folgt der Anbau bzw. der Erwerb aus Nachbarlandkreisen. Erst wenn es die Gewürze in der Region nicht gibt, kauft Albfiness sie aus dem Bio-Handel dazu. Denn bei Gewürzen geht „regional“ natürlich nur begrenzt. So kam es zu der Zusammenarbeit mit respekka mit Sitz in Kambodscha. Hannelore Schillinger Sauer ist es wichtig zu wissen, wer ihren Pfeffer anbaut, dafür ist sie selbst mehrmals im Jahr vor Ort. Ihr „Alb Harissa“ ist an diesem Abend Teil der Verkostung. Entstanden ist es, weil viele Kunden ein scharfes Gewürz nachfragten. Die Hauptherausforderung lag dann darin, hochwertige Paprika zu bekommen. Fündig wurden Albfiness bei einer Erzeugergemeinschaft in Spanien. Bei den Teilnehmenden des Abends kam es besonders gut mit Frischkäse an.
Bierforfuture von der Brauerei Clemens Härle von Gottfried Härle in Leutkirch im Allgäu:
Bier for Future
Seit fast 125 Jahren existiert die Brauerei Clemens Härle. 35 Mitarbeiter*innen kümmern sich um das Sortiment aus insgesamt 15 Biersorten. Obwohl diese mit „nur“ vier Zutaten hergestellt werden (Malz aus Getreide, Hopfen, Wasser und Hefe) schmecken sie alle unterschiedlich. Die Rohstoffe beziehen sie aus ihrer Region und arbeiten dafür direkt mit Landwirt*innen zusammen.
Mehr als 50 Prozent ihrer Biere bestehen inzwischen aus Biozutaten, was nicht nur schmeckt, sondern die Artenvielfalt und die Bienen schützt. Für die Herstellung der Biere nimmt sich die Brauerei Clemens Härle mindestens sechs Wochen Zeit. Sie verzichtet auf Verfahren zur langen Lagerung und pasteurisiert nicht. Die Biere sind unfiltriert und haben mit 4,7 Prozent nur wenig Alkohol. Daher sind die Biere „nur“ maximal sechs Monate haltbar. An diesem Abend aber geht es um mehr als um den Geschmack: Clemens Härle berichtet davon, dass der Energieverbrauch bei der Bierbrauerei ein wichtiges Zukunftsthema ist. Er arbeitet seit zwölf Jahren klimaneutral, nutzt u. a. Hackschnitzelheizung und Ökostrom, die Etiketten des „Bier for future“ sind aus Altpapier, die Bierkisten aus Altkunststoff. Ganzheitlich gesehen erfüllt die Brauerei so alle Anforderungen an das Bier der Zukunft.
Alpenrosenhonig (Südtirol) oder Gebirgshonig (Italien) von der Imkerei Gerhard Kasper aus Reutlingen:
Der Bienenflüsterer
Gerhard Kasper geht es nicht nur um den Honig, sondern um die Biene. Denn mit ihr kennt er sich bestens aus. Um enger mit ihr bzw. dem Bienenvolk in Kontakt zu stehen, arbeitet er manchmal sogar ohne Schutz. Und gerade weil er Bienen so mag und um ihren Wert weiß, macht es ihm zu schaffen, dass die Bienen zu wenig Nahrung haben. Denn seine Imkerei liegt am Fuße der Schwäbischen Alb mit vielen blühenden Flächen – und trotzdem oft zu wenig Futter für die Biene.
Bienen brauchen z.B. nach dem Besuch von Monokulturen wie Raps Erholung auf unbelasteten, unbearbeiteten Flächen. Sonst sind sie gestresst und ‚arbeitslos‘ und können aggressiv werden.
Während der Verkostung berichtet Gerhard Kasper auf faszinierende Weise von der Erzeugung des Alpenrosenhonigs: Die Bienen kommen auf die Alp, nachdem die Kühe bereits ein paar Tage Zeit hatten, die Blüten auf den Weiden abzufressen – so bleiben den Bienen nur die Alpenrosen als Futterquelle, und es entsteht sortenreiner Alpenrosenhonig. Ein seltener Genuss! Und noch ein wichtiger Tipp von Gerhard Kasper für alle, die Honig lieben: Metalllöffel nie im Honig stehen lassen, da es mit der Säure im Honig chemische Reaktionen geben kann, die den Geschmack verändern.
Champagnerbratbirne frei von Alkohol von der Manufaktur Jörg Geiger von Jörg Geiger
Was dem Humus hilft
Die Champagnerbratbirne ist das erste deutsche Presidio-Produkt. Ein Klassiker ist der daraus gekelterte Schaumwein, für den die Birnen drei Jahre auf der Hefe liegen – slow im besten Sinne. Für die neue alkoholfreie Variante wird der Birnenwein nach der Gärung und dem Abziehen der Hefe entalkoholisiert und dann mit einem Teil unfiltriertem Birnensaft versetzt. Dabei nutzt Jörg Geiger die Erfahrungen aus vielen Jahren Prisecco-Produktion. Während die Priseccos auf Saftbasis jedoch immer relativ süß bleiben, ist mit der „CH.-Bratbirne frei von Alkohol“ ein ausgewogenes, rundes, alkoholfreies Erzeugnis gelungen.
Hochwertige Erzeugnisse wie diese macht Jörg Geiger nicht nur wegen des guten Geschmacks. Er sucht damit zugleich Antworten auf die Fragen nach einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Lebensmittel versteht er als „Mittel zum Leben“. Besonders begeistern ihn Obstbäume: So eine Hochstammsorte wurzelt zehn Meter tief, holt von ganz unten Wasser und Mineralstoffe nach oben, lagert Energie ein und bringt mit ihren Wurzelausscheidungen Nährstoffe in den Boden zurück. Mykorrhizapilze entstehen, Mikroorganismen und das Bodenleben profitieren – und am Ende auch der Baum und seine Früchte. Geiger erklärt die Zusammenhänge zwischen der Nährstoffversorgung eines Baumes und seinem Bodennetzwerk sowie Bodenleben sehr anschaulich. Und sind die Bäume gut versorgt, so ist es auch die Frucht. Den Unterschied kann man schmecken.
Amorella Kirsch Dessertwein aus der Amorella Kirsch Manufaktur von Familie Fritz Mossel in Mainz-Marienborn:
Die Liebe zu handgepflückten Kirschen
Fritz Mossel aus Mainz gibt an diesem Abend Einblick in Anbau und Verarbeitung traditioneller Sauerkirschsorten. Er veredelt sie durch handwerkliche Verarbeitung; insgesamt hat er ein Sortiment aus 25 Sauerkirsch-Produkten. So lässt sich die Kirsche mit allen Sinnen erleben.
Da sich alte Sorten nicht für die maschinelle Ernte eignen, gibt es heutzutage fast nur noch zwei Kirschsorten, die angebaut werden. Alte Kirschbäume werden gerodet, die meisten Kirschen kommen aus dem Ausland. Amorella hingegen baut acht alte Sauerkirschsorten selbst an – und erhält weitere alte Sorten in einem historischen Kirschgarten.
Der Dessertwein, der an diesem Abend verkostet wird, war die Entwicklung des Großvaters von Fritz Mossel. „Das hat er gut gemacht, der Opa“ freut sich Mossel. Und empfiehlt den Kirschwein als Aperitiv oder auch solo für wunderbare Abende wie diesen.