Von wegen langweilig! Aus Hülsenfrüchten lässt sich ganz viel machen
Geröstete Kichererbsen mit Schokolade überziehen – wie ist denn diese Idee entstanden? Emilie Wegner kann das ganz einfach erklären: „Als ich Ernährungswissenschaft studiert habe, hörte ich jedes Semester aufs Neue, wie gesund Hülsenfrüchte durch ihre hohen Eiweiß- und Ballaststoffgehalte sind. Gleichzeitig hieß es aber auch immer, dass die Deutschen sie nicht so gerne essen und der Verbrauch seit langem stagniert.“ Also überlegte die junge Frau, wie sie den Hülsenfrüchten zu einer neuen Beliebtheit verhelfen könnte. „Snacks werden immer gerne gegessen, deshalb habe ich mich mit meinen beiden Mitstreitern dafür entschieden.“ Die fettfrei gerösteten Kichererbsen des Leipziger Unternehmens Hülsenreich gibt es nicht nur mit Schokoumhüllung, sondern auch in den Varianten würzig-scharf oder mit fruchtig-mildem Curry-Geschmack.
Miso und Kaffeepulver aus Süßlupinen
Die süße Version bildete den Abschluss des Hülsenfrüchte-Verkostungs-Workshops von Slow Food Deutschland, das auf großes Interesse stieß. „Crunchy und mit Suchtfaktor“, so lautete das überwiegende Urteil der Teilnehmer*innen zu den Schoko-Kichererbsen. Doch es wurde nicht nur neugierig probiert, sondern auch interessiert zugehört, was die Hersteller*innen zu ihren Produkten erzählten. Wie wird im Schwarzwald aus Lupinen Miso gemacht und wie lässt sich das beim Kochen verwenden? Die Herstellung dauert lange, erzählt Peter Koch von der Firma Schwarzwald-Miso, die Paste muss fast ein Jahr im Fass reifen, bis die cremige Textur und der würzige Geschmack entsteht. Und es muss gar nicht unbedingt asiatisch gekocht werden, um die Würzpaste einzusetzen: „Lupinen-Miso eignet sich als Kraftbrühe, Suppe oder Drink, aber auch gut für Salatdressings, weil es Öl und Essig miteinander verbindet.“ Als „feiner und eleganter als Soja-Miso“, „blumig“ und „mit leichter Karamell-Note“ wurde die in heißem Wasser aufgelöste Paste von den Verkoster*innen beschrieben.
Ebenfalls mit Süßlupinen arbeitet Linda Kelly vom gleichnamigen Biolandhof in Herdwangen am Bodensee. Als Bäuerin schätzt sie nicht nur die gesundheitlichen Pluspunkte der Lupinensamen, die zum Beispiel alle essenziellen Aminosäuren enthalten, die der menschliche Körper braucht. Wie alle Hülsenfrüchte gelten Lupinen auch als Bodenverbesserer, denn sie können über Knöllchenbakterien an den Wurzeln Stickstoff aus der Luft im Boden binden. Diese quasi „natürliche Düngung“ kommt sogar noch den Nachfolgekulturen zugute. Vom Kelly-Hof gibt es nicht nur Lupinenmehl, -schrot, -kerne oder -porridge, sondern auch Lupinenkaffee – wahlweise pur oder mit einem Gewürzmix aus Kardamom, Zimt, Ingwer und anderem versetzt. Das Pulver löst sich nicht auf, sondern wird wie normaler Filterkaffee aufgebrüht und ist nicht nur für Menschen mit Glutenunverträglichkeit eine gute Alternative zum Getreidekaffee.
Bohnen mal ganz anders
Für die meisten Verkoster*innen ein neues Geschmackserlebnis war das Tempeh aus schwarzen Bohnen des Brandenburger Unternehmens Peaceful Delicious. Geschäftsführer Frank Schlefendorf gab wichtige Zubereitungstipps: Den Block in etwa 0,5 bis 1 Zentimeter breite Streifen schneiden und in reichlich neutralem Öl auf beiden Seiten anbraten, anschließend abtropfen lassen und nach Belieben würzen. „Eine fettarme Zubereitung ist nicht wirklich lecker.“ Obwohl die schwarzen Bohnen einen nussigen kräftigen Eigengeschmack hätten, hänge viel von den nach dem Braten verwendeten Gewürzen ab, denn das eigentliche Produkt bestehe nur aus den Zutaten Bohnen, Ferment und Apfelessig. Bohnen-Tempeh-Streifen oder Würfel passen, so Schlefendorf, gut als Topping zu Salaten. Durch die Fermentation werden die Bohnen deutlich leichter bekömmlich.
Nicht die schwarzen, sondern ganz normale Ackerbohnen nimmt Cecilia Antoni für ihren Snack. „Ich wollte eine Hülsenfrucht verwenden, die bei uns wächst.“ Ackerbohnen werden in Deutschland immerhin auf 60.000 Hektar angebaut, landen aber hauptsächlich im Tierfutter – deshalb werden sie auch manchmal als „Saubohnen“ bezeichnet. „Im Mittelalter waren Ackerbohnen noch ein Grundnahrungsmittel, sind dann aber aus der Mode gekommen. In Italien gelten sie immer noch als Delikatesse.“ Cecilia Antoni versucht schon lange, das Image von Hülsenfrüchten aufzupolieren und veröffentlicht auf ihrem Blog beanbeat.de regelmäßig außergewöhnliche Rezepte. Da war der Weg bis zum eigenen Start-Up namens Bohnikat nicht weit. Der herzhafte Ackerbohnensnack – fettfrei geröstet und anschließend mit Rapsöl und Salz vermischt – ist dort das erste Produkt, weitere sollen folgen. „Hülsenfrüchte sind köstlich, vielseitig und nährstoffreich“, schwärmt Antoni.
Aufstrich und Pasta als gelungene Resteverwertung
Zwei weitere Produkte der Verkostung entstanden als Idee zur Resteverwertung: Benedikt Sprenker baut auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb im westfälischen Beckum Edamame an. Diese Sojabohnen werden noch unreif geerntet, haben dann eine leuchtend grüne Farbe und eine weiche Konsistenz. Sprenker verkauft die Schoten hauptsächlich als Frischware, die dann im Ganzen gegart werden müssen und nach japanischem Vorbild inzwischen als Snack zum Bier gereicht werden. „Es bleiben aber immer mal Schoten übrig oder werden aussortiert“, erzählt Sprenker. Und die werden inzwischen zu Cremes in drei Geschmacksrichtungen verarbeitet, ideal als Aufstrich auf Brot oder als Dipp für Gemüsesticks.
Auch bei der Erzeugergemeinschaft „Alb-Leisa“, zu der inzwischen 120 Linsen anbauende Biobäuer*innen auf der Schwäbischen Alb gehören, dachte man über eine gute Verwertung von Bruch- oder schrumpeligen Linsen nach, die nicht in den Verkauf kommen. „Viel zu schade, um als Tierfutter zu enden“, fand nicht nur Lutz Mammel von der Erzeugergemeinschaft. Stattdessen werden die Linsen zu Mehl vermahlen, das dann wiederum kombiniert mit Dinkelmehl zu Nudeln verarbeitet wird. „In einem Auflauf mit Gemüse schmecken sie wunderbar“, empfiehlt Mammel.
Auf den Geschmack kommen
Ohnehin gleicht die Geschichte des Linsenanbaus auf der Schwäbischen Alb einem modernen Märchen. Bis in die 1950er Jahre war die Region ein Schwerpunkt im deutschen Linsenanbau, dann geriet die traditionelle Frucht in Vergessenheit. Als Woldemar Mammel, der Vater von Lutz, sich in den 1980er Jahren wieder daran versuchte, waren die historischen Sorten verschwunden. Mammel musste auf Linsen aus Frankreich und Italien ausweichen. Erst 2006 wurden zwei der alten Sorten, Späth´s Alblinse I und II, in einer Saatgutdatenbank im russischen Sankt Petersburg wiederentdeckt. Einige hundert Samen kamen so auf die Schwäbische Alb zurück und wurden in mühevoller Arbeit vermehrt. Heute sind die Alb-Leisa Linsen eine geschätzte Delikatesse.
Solche Erfolgsgeschichten wären den Hülsenfrüchten noch viel häufiger zu wünschen: In Deutschland wachsen sie bislang nur auf 1,2 Prozent der gesamten Ackerfläche. Die Anbauzahlen sind zwar in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, bleiben aber insgesamt gesehen auf einem sehr niedrigen Niveau. Umso wichtiger ist es, die kleinen Erzeuger*innen und Produzent*innen vor Ort zu unterstützen, die im Sinne von Slow Food gut, sauber und fair arbeiten. Und den Hülsenfrüchten wieder einen wichtigen Platz im Speiseplan einzuräumen. Bei dem vielfältigen Produktangebot und den unterschiedlichen Geschmackserlebnissen dürfte das kaum ein Problem sein.
Autorin: Birgit Schumacher