Der Ukraine-Krieg: Jetzt helfen, zukünftig Ernährung sichern
1. Spenden für die Rettung der ukrainischen Artenvielfalt. Zur Unterstützung der Bäuer*innen, die auch in Kriegszeiten ihre Höfe nicht verlassen haben und unter schwierigsten Bedingungen weiterarbeiten und ihr Leben riskieren, um Tierrassen und Pflanzensorten zu erhalten, ihre lokale Gemeinschaft zu ernähren und die Zukunft zu sichern. Slow Food appelliert an die weltweite Slow Food-Gemeinschaft, sie mit einer Spende finanziell zu unterstützen. Zur Spendenseite von Slow Food International geht es hier.
2. Aufnahme von Flüchtenden aus dem Netzwerk. Slow Food stellt den Kontakt her zwischen Mitgliedern der ukrainischen Slow-Food-Gemeinschaft und ihren Kolleg*innen in ganz Europa, so dass Geflüchtete aus Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung von anderen Mitgliedern des Netzwerks aufgenommen werden können. Imker*innen werden mit Imker*innen zusammengebracht, Käser*innen mit Käser*innen, und so weiter. Wir glauben, dass dieser Austausch nicht nur den ukrainischen Geflüchteten die Möglichkeit geben wird, ihr Handwerk im Exil weiter auszuüben, sondern auch einen fruchtbaren Austausch über handwerkliches Wissen und Fertigkeiten ermöglicht: Fertigkeiten, die für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg von entscheidender Bedeutung sein werden.
Kein zurück zur Agrarindustrie aufgrund der Ernährungskrise!
Der Krieg droht aber auch zu einer Katastrophe für viele Menschen des globalen Südens zu werden. Denn die Ukraine und das mit strengen Sanktionen belegte Russland sind gemeinsam für ca. 25 Prozent der weltweiten Weizenexporte verantwortlich. Hinzu kommen erhebliche Anteile an Ölsaaten und Mais. Die Weltmarktpreise für Lebensmittel sind in Folge der Entwicklungen der letzten Wochen und Monate massiv gestiegen – eine besorgniserregende Entwicklung, die vor allem die Ärmsten in der Welt trifft. Aus Sicht von Slow Food Deutschland muss daher allen unmittelbar und mittelbare Betroffenen unsere Solidarität und Unterstützung gelten. Kurzfristig sollten Maßnahmen auf EU-Ebene sich auf die Hilfe für die von Getreideimporten abhängige Länder des globalen Südens und die Unterstützung des Welternährungsprogramms konzentrieren. Unangebracht sind hingegen Forderungen von Teilen der Politik und einiger Lobbyverbände, anlässlich der Krise eine Intensivierung der industriellen Landwirtschaft und eine Abkehr von einer überfälligen Ökologisierung der Lebensmittelerzeugung zu erzielen.
Für Slow Food Deutschland steht gerade jetzt außer Frage, dass der Weg zu Ernährungssicherheit und -souveränität nur über einen Systemwechsel hin zu mehr ökologischer Landwirtschaft gelingen kann - in der EU ebenso wie in Ländern des globalen Südens. So führt uns der furchtbare Krieg in Europa erneut vor Augen, wie krisenanfällig das industrielle Landwirtschaftssystem ist – durch die Abhängigkeit von Importen, nicht nur von Lebens- und Futtermitteln, sondern auch von synthetischen Düngern und ihren Grundprodukten sowie fossiler Energie. Und mehr noch: „Die Klima- und Biodiversitätskrise nehmen keine Rücksicht auf die weltpolitische Lage. Sie jetzt als Luxusprobleme für Friedenszeiten abzutun, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht“, so Nina Wolff, Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Konkret bedeutet das:
- Die Stärkung regionaler Lebensmittelkreisläufe und Wertschöpfungsketten. Dazu gehört auch eine stärkere Förderung der ökologischen Landwirtschaft. .
- Mehr Diversität auf den Feldern und den Tellern, wobei ein besonderer Fokus auf einer viel stärker pflanzenbasierten Ernährung liegen muss.
- Rechtsverbindliche Konzepte zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.
- Eine konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung der EU Farm-to-Fork-Strategie und des Europäischen Green Deal.
- Förderung von Agrarökologie und lokaler Produktion für lokale Märkte in Ländern des globalen Südens
Die kurzfristigen Auswirkungen des Krieges müssen durch solidarisches und koordiniertes Handeln der Weltgemeinschaft abgefedert werden. Um unsere Ernährung auf ein zukunftssicheres Fundament zu stellen, bleiben die skizzierten Maßnahmen kaum minder dringlich. Denn schon heute ist der Klimawandel ein wesentlicher Treiber sowohl für den Hunger in der Welt als auch für das Artensterben.
Einen Kommentar des Instituts für Welternährung zum Thema finden Sie hier.
Einen offenen Brief zivilgesellschaftlicher Organisationen unter Beteiligung von Slow Food an die EU-Kommission finden Sie hier
Eine Darstellung der Situation an den Lebensmittelbörsen finden sie hier.