Frauen, die die Lebensmittelwelt bewegen
Noch immer also keine fairen Arbeitsverhältnisse. Slow Food Deutschland hat das zum Anlass genommen, am internationalen Frauentag mit Frauen zu diskutieren, die das Lebensmittelsystem bewegen. Mit ihnen haben wir darüber gesprochen, welche Erfahrungen sie als Frauen in ihren Berufsfeldern gemacht haben, was sie motiviert und wo sie Veränderungen fordern.
In ihrem Grußwort ordnete die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, Nina Wolff, die Situation von Frauen in der Lebensmittelwelt in globaler Perspektive ein. So gäbe es in unserem Lebensmittelsystem noch immer viel Ungerechtigkeit und mitunter auch leider grobe Missbräuche. „Slow Food setzt sich in der EU und weltweit dafür ein, dass Frauen, die für unsere Ernährung sorgen, fair behandelt werden“, so Nina Wolff weiter.
Moderatorin Janina Hielscher, Aktivistin bei Slow Food Youth, betonte die Bedeutung von Vernetzungsevents: „Sich mit anderen Frauen zu verbünden, gemeinsam zu arbeiten und so auf sich aufmerksam zu machen, ist immer eine gute Strategie.“
In der Diskussion zeigte sich dann, wie vielschichtig die Probleme für Frauen im Lebensmittelsystem sind, aber auch, welche Fortschritte in den letzten Jahren schon erreicht wurden. „In der Fischerei“, berichtet beispielsweise Fischwirtin Lena Bächer, „werden Frauen mittlerweile anerkannt, gerade bei den jüngeren Berufskollegen ist es überhaupt keine Frage mehr.“ Zugleich mahnte sie strukturelle Verbesserungen für Frauen in Bezug auf ihre Rolle in Betrieben und ihre wirtschaftliche Situation an: „Es gibt sehr viel Arbeit, die von Frauen im Hintergrund geleistet wird, die anerkannt werden sollte.“
Ins gleiche Horn stieß Anja Frey, die ihren eigenen Milchviehbetrieb führt und zu den Initiatorinnen der Initiative Bruderkalb gehört. Sie betonte dabei besonders die Schwierigkeiten, die sich oft für Frauen ergeben, wenn sie Familie und Beruf miteinander verbinden wollen: „Frauen, die in der Landwirtschaft arbeiten und dann Kinder bekommen, müssen eine riesige Doppellast meistern - und da muss die Gesellschaft mehr Hilfen stellen.“
Marliese Sitter, die bis vor Kurzem eine der wenigen Schäferinnen in Deutschland war und nun im EU-Parlament arbeitet, konkretisierte diesen Punkt. So sei es wichtig, dass die Landwirtschaft und ländliche Räume für Frauen attraktiver gemacht werden. Dazu gehört für sie eine gute medizinische Versorgung, aber auch speziell für Frauen ein ausreichendes Angebot an sozialer Infrastruktur, wie Kinderbetreuung und andere Dienstleistungen. Denn Frauen übernähmen neben ihrer Arbeit auf dem Hof häufig zahlreiche Aufgaben, die zu oft übersehen werden: „Gärtnern, kochen, erziehen: das alles ist Arbeit“, so Sitter.
Für Nanetta Ruf, die als selbstständige Konditorin mit ihrer mobilen KondiTOURei unterwegs ist, war der Einstieg in die Berufswelt zunächst ein harter Realitätscheck. „Ich bin auf einer kleinen Insel der Glückseligen groß geworden, weil meine Mutter auf unserem Betrieb immer eine tragende Rolle gespielt hat. Für mich war es schon immer selbstverständlich, dass Frauen das genauso gut können wie Männer und genau so viel leisten können. Und jetzt werde ich in meinem Alltag immer wieder damit konfrontiert, dass es eben nicht in allen Bereichen als so selbstverständlich betrachtet wird.“
Zum Abschluss griff Marliese Sitter noch einmal den Anfangsgedanken von Janina Hielscher auf und unterstrich, wie wichtig es ist: „sich zu vernetzen und inspirierende und motivierende Kontakte zu knüpfen.“ Ein Punkt, bei dem große Einigkeit zwischen allen Diskutantinnen bestand.