Slow-Food-Präsident Edward Mukiibi zum Welternährungstag
In einem Jahr, das von Konflikten, Pandemien und der Klimakrise geprägt ist, ist das Thema, welches die FAO für den Welternährungstag gewählt hat, besonders wichtig: "Niemanden zurücklassen". Es entspricht genau meinem Empfinden als afrikanischer Agronom, als Aktivist und Pädagoge und als Präsident von Slow Food.
In den vielen Debatten über Ernährungssicherheit, an denen ich teilgenommen habe, vor allem hier in Afrika, wird die Stimme der Bäuer*innen nicht gehört. In Planungen und politischen Prozessen werden die Entscheidungen an der Spitze der Verwaltungs- und Wirtschaftsmacht getroffen, während die Protagonist*innen des Lebensmittelsystems, die Kleinerzeuger*innen, als passives Subjekt betrachtet werden, über deren Köpfe hinweg entschieden wird. Nach Angaben der FAO selbst produzieren Betriebe mit weniger als zwei Hektar Land insgesamt ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittel.
„Niemanden zurückzulassen“ bedeutet, Landwirt*innen anzuerkennen und zu unterstützen, die traditionelle Techniken auf der Grundlage von Agrarökologie und eines regenerativen Ansatzes für Land und Ökosysteme anwenden. Die Regierungen ignorieren sie oft mit der Begründung, dass das traditionelle System archaisch sei. Biobäuer*innen werden oft nicht zu Planungstreffen eingeladen, weil die Behörden glauben, sie seien gegen den Fortschritt. Aber von welcher Modernität sprechen wir hier? Ich habe mit eigenen Augen die Katastrophe gesehen, die ein von einem multinationalen Unternehmen ausgewähltes und patentiertes Hybridmais-Saatgut angerichtet hat, da die Erzeugenden durch falsche Versprechungen von großartigen Ergebnissen überzeugt wurden. Sie haben oft keine Vorkenntnisse über das Produkt, aber die Techniker*innen der Unternehmen treiben sie an und schaden damit der Ernährungssicherheit der Gemeinschaft, da widerstandsfähiges, einheimisches Saatgut aufgegeben wird. Viele dieser neuen Hybridsaaten, die in den Niederlanden, Spanien und Südafrika hergestellt werden, werden an die wenigen afrikanischen Bäuer*innen verkauft, die es sich leisten können, Monokulturen zu betreiben, was die allgemeine Anfälligkeit des Nahrungsmittelsystems verstärkt.
Die afrikanischen Länder geben jährlich 65 Milliarden Dollar für importierte Lebensmittel aus. Dennoch verfolgen viele Regierungen eine Politik, die sich auf eine industrialisierte Landwirtschaft für den Export konzentriert, um den Beitrag des Sektors zum BIP zu erhöhen und die Zahlungsbilanz auszugleichen. Die meisten dieser von ausländischen Direktinvestitionen angetriebenen politischen Richtlinien unterstützen eine groß angelegte industrielle Produktion, die sich auf Rohstoffe für den Export konzentriert. Diese Politik hat die Subsistenzproduktion kriminalisiert und viele kleine Familienbetriebe demoralisiert und aus dem Markt gedrängt.
Wir müssen das Konzept der Ernährungssicherheit neu definieren, indem wir den Schwerpunkt von „Nahrung als Ware“ auf die Gemeinschaften verlagern, in denen sie angebaut und produziert wird. Diese Perspektive konzentriert sich auf die soziale Struktur, die kulturelle Bedeutung von Lebensmitteln, ihre Verbindung zum Land und lässt quantitative Import-Export-Zahlen außer Acht. Wir können Afrika nicht ernähren, wenn wir nicht auf der Ebene der Gemeinschaften ansetzen.
Ein konkretes Beispiel ist unsere Arbeit mit Kaffeeproduzierenden im Hochland des Mount Elgon im Südosten Ugandas: Die Regierung plante, Subventionen und chemischen Dünger an diese Produzierenden zu verteilen. Gemeinsam mit Mitgliedern des Slow Food Presidio gründeten wir ein Komitee, das sich mit dem Landwirtschaftsamt des Landkreises traf, und forderten Einrichtungen für die Kompostherstellung, zertifizierten organischen Dünger und Schulungen zum integrierten Pflanzenschutz. Die Erzeugenden machten deutlich, welche Art von Anbausystem sie an den Berghängen erhalten wollen, um die Qualität ihres Kaffees und die Integrität des Ökosystems zu sichern. Sie wissen genau, dass sie ihren Kaffee zu einem höheren Preis verkaufen können, wenn sie biologisch wirtschaften und keine synthetischen Mittel einsetzen.
Kurz gesagt: Wenn die Regierungen die Ernährungssicherheit bewahren und "niemanden zurücklassen" wollen, müssen sie auf die Stimmen der Nahrungsmittel produzierenden Gemeinschaften hören, damit diese weiterhin eine ökologische Landwirtschaft betreiben können, die die Umwelt schützt und gleichzeitig den Zugang zu einer abwechslungsreichen und nahrhaften Ernährung für ihre Familien gewährleistet.
Text: von Edward Mukiibi