Wachablösung beim Slow Food Magazin: Well done, Martina!
Die Mail war, sagen wir mal, ziemlich knackig. Thema, Umfang, Honorarvorschlag, Abgabetermin und ein Dankeschön, „dass Du den Text übernimmst“. Alles zusammen in drei Zeilen. Der erste Austausch des Autors mit Martina Tschirner, der langjährigen Redaktionsleiterin des Slow Food Magazins, war erstaunlich komprimiert. Kein Wort zu viel. Zwischen den Zeilen war zu lesen: Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen und Drumrum-Gedöns. Hier geht es zack-zack zur Sache. Gut, die Mails wurden dann im Laufe der Jahre ein bis zwei Zeilen länger, man lernte sich kennen und schätzen. Aber die klaren knappen Absprachen sind geblieben. Und das war gut so. Wer als Redaktionsleiterin mit jeder Ausgabe 98 Seiten stemmen muss, dem bleiben wenig Freiräume für ausufernden Mailverkehr.
Das kann der Schreiber dieser Zeilen, der selbst sechs Jahre lang für das Magazin verantwortlich war, ganz gut beurteilen. In den ersten Jahren des 2001 neu gegründeten Magazins hatte das Heft allerdings maximal 72 Seiten – aber es gab schon damals verdammt viel zu tun. Heute sind es 98 Seiten, jede Ausgabe ist ein kleines Buch, und das erfordert nochmal deutlich mehr Arbeit. Jede Bildunterschrift, jede Überschrift, jede kleine Meldung muss erstmal geschrieben und redigiert sein. Mal ganz nebenbei: Das letzte Slow Food Magazin, die Ausgabe 5/2022, bestand aus 184 verschiedenen Texten, von denen jeder einzelne Martinas Hände, Hirn und Herz beschäftigt hat. Bei vergleichbaren Zeitschriften machen sich in der Regel eine ganze Handvoll Redakteur*innen ans Werk.
Deshalb: Chapeau Martina, dass Du das Magazin so lange, so zuverlässig auf Kurs gehalten und diesen Riesenberg an Arbeit immer wieder abgetragen hast. In all den Jahren ist es übrigens kein einziges mal passiert, dass Änderungswünsche des Autors vergessen oder unterschlagen wurden. Autor*innen sind unglaublich eitel: Sie lesen ihren Text noch mindestens fünfmal durch und wollen dann dies und das und jenes noch unbedingt ändern. „Die Zwischenzeile, die gefällt mir nicht und das Foto ist doch unmöglich“. Man konnte sich zu 110 Prozent darauf verlassen, dass Martina zugehört und, falls nötig, nachgebessert hat.
Nach dem Wechsel in der Redaktion im Jahr 2006, als Martina das Magazin übernommen hatte, machte sich beim Vorgänger natürlich ein wenig Eifersucht breit. Und Erstaunen: Plötzlich jede Menge Rezepte. Was soll das? Wo bleibt die Politik? Wo sind die beißenden Attacken auf die Lebensmittelindustrie? Wo ist die Streitaxt? Keine Frage: Jede Reaktionsleitung hat ihren eigenen Stil, und ich musste anerkennen, dass Martinas Kurs schnell sehr beliebt war bei den Slow-Food-Mitgliedern. Und auch die Politik kehrte nach und nach zurück ins Heft – in einer etwas anderen Tonlage.
In den 16 Jahren unter Martinas Ägide hat sich das Magazin zu einer professionell gemachten, unterhaltsamen und informativen Zeitschrift entwickelt. Deutlich sanfter im Ton. Appetitlicher und auch etwas unbeschwerter als zuvor. Jetzt geht Martina Tschirner in jenen Ruhestand, der ein wohlverdienter ist, womit bei Slow Food und im oekom Verlag eine kleine Ära zu Ende geht. Mit dem Stabwechsel werden die Botschaften von Slow Food, unsere Wünsche und Träume von einer anderen Ernährungswelt in neue Hände übergeben. Danke Martina, well done!
Und: Masel tow, Birgit Schumacher. Sie ist die neue Redaktionsleiterin. Sollte Sie Fragen und Probleme haben – Martina wird ihr bestimmt eine kurze knackige Mail schicken. Sie muss jetzt allerdings sehr sehr viel kochen und hat bestimmt wenig Zeit für ausufernden Mailverkehr.
Autor: Manfred Kriener