Pasta: Ein Wort, unzählige Sorten

18.04.2023 - Ob kurz oder lang, dünn oder dick: Die Vielfalt der Nudelformen kennt beinahe keine Grenzen. Weltweit soll es über 600 Sorten geben. Elisabetta Gaddoni nimmt Eigenschaften und Besonderheiten der trockenen Pasta unter die Lupe, die wir im Laden oder Supermarkt finden. Außerdem halten wir ein Rezept für Orecchiette alle Cime di Rapa mit frittierten Brotkrumen aus der italienischen Region Apulien für Sie bereit.

(c) Karolina Grabowska.jpegDas Leben sei eine Kombination aus zwei Zutaten, nämlich Pasta und Magie, meinte Federico Fellini. Pasta braucht ihrerseits auch nur wenige Zutaten, um ihre Magie zu entfalten: Hartweizengrieß plus Wasser, manchmal auch Ei. Grieß aus Hartweizen wird vor allem für die Herstellung von trockenen und haltbaren Nudelsorten verwendet. Im Vergleich zu Weichweizen ist der so
genannte Durum viel anspruchsvoller und empfindlicher im Anbau – und deshalb auch bescheidener im Ertrag. So erklärt sich, warum trotz steigender Nachfrage Hartweizen nur fünf Prozent der weltweit angebauten Weizenmenge ausmacht. Durum verlangt viel Sonne während der Reifephase und verträgt keinen übermäßigen Regen vor und während der Erntephase. Zu viel Feuchtigkeit zum falschen Zeitpunkt kann die Ernte so beeinträchtigen, dass sie nur noch als Tierfutter taugt. Daher wurde Durum lange Zeit vor allem in den Mittelmeerländern und Nordamerika angebaut. Die steigende Nachfrage nach regionalen Produkten und die hohen Handelspreise, die Bauern und Bäuerinnen mit Hartweizen erzielen können, treiben aber nun die Entwicklung von Saatgut voran, das auch weniger milde Temperaturen aushält.

Pasta: Anbaugebiete und Qualitäten

In Deutschland verläuft der Hartweizen-Äquator oberhalb der Regionen, in denen Wein wächst. Diese Gebiete befinden sich vor allem in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und in Rheinland-Pfalz. Mit dem Klimawandel verschiebt sich diese Linie weiter nach Norden, aber das zunehmend unberechenbare Wetter und die nur bedingt geeigneten Böden stellen weiterhin ein Problem dar. Noch schwieriger ist es, Hartweizen in Bioqualität anzubauen. Bei feuchtem Wetter nimmt die Anfälligkeit für Pilzkrankheiten zu, und dies macht den Anbau für die Betriebe zu einer riskanten Angelegenheit, das gilt erst recht für Bio-Hartweizen. Alb-Gold, ein wichtiger deutscher Nudelhersteller, importiert für seine Bio-Pasta Durum aus Italien, kooperiert aber mit einem Forschungsinstitut, um eine resistentere Bio-Durumsorte zu züchten. Für die restliche Produktion verwendet die Firma konventionell angebauten Hartweizen aus Deutschland.

Deutsche Äcker decken allerdings nur im Schnitt zwischen 15 und 20 Prozent des heimischen Bedarfs an Durum. Der meiste Hartweizen muss importiert werden, überwiegend aus Italien, Frankreich und den USA. Aus Kanada kommt mittlerweile nur noch wenig, da dort Glyphosat zugelassen ist und im Endprodukt oft seine Spuren hinterlässt. Selbst für Hersteller, die auf Regionalität Wert legen, ist das Mischen von Durum verschiedener Herkunft notwendig, um die Qualität stabil zu halten.

Für die Qualität von Hartweizen ist vor allem ein hoher Rohprotein-Gehalt entscheidend, idealerweise von 14 bis 15 Prozent, da Protein für einen runderen Geschmack sorgt. Darin ist auch das Klebereiweiß Gluten enthalten, dessen Name viele mit Unverträglichkeit verbinden. Hartweizen enthält davon wesentlich mehr als Weichweizen. Gluten sorgt für eine festere Struktur, bindet bei der Verarbeitung viel Wasser und macht den Teig elastisch, so dass dieser besser formbar ist. Beim Kochen entwickelt er eine Art Netz, das die Stärkepartikel festhält. So bleiben die Nudeln bissfest und verkleben nicht. Pasta behält so ihre Konsistenz auch ohne die Zugabe von Ei, die wiederum bei Weichweizenmehl notwendig ist. Diese Eigenschaften machen Hartweizenmehl für die Herstellung von trockener Pasta unverzichtbar. Dabei spielt der Proteingehalt beim Preis eine große Rolle: Nudelsorten, die mit Hartweizengrieß mit niedrigem Proteingehalt hergestellt werden, kosten oft weniger.

Hartweizen als Spekulationsobjekt

Meist sind es aber andere Faktoren, die den Verkaufspreis beeinflussen: Supermärkte und Discounter bieten oft Pasta zu Angebotspreisen, um die Kundschaft zu locken. Dass Nudeln in den letzten Jahren insgesamt teurer geworden sind, hat auch mit den Schwankungen der Rohstoffpreise zu tun. Günstige oder ungünstige Prognosen über Hartweizenernten bei großen Produzentenländern wirken sich auch auf Nachfrage und Preis von Durum anderer Herkunft aus und führen zu großen Preisschwankungen. Große italienische Pasta-Produzenten hoffen oft auf günstige Preise auf dem spekulativen internationalen Markt, anstatt die eigene Versorgung durch langfristige Verträge mit einheimischen Betrieben zu sichern. Diese geben den Anbau auf oder verkaufen ihren Hartweizen selbst an der Börse, in der Hoffnung, höhere Preise zu erzielen. Russlands Angriff auf die Ukraine hat zur Verteuerung vieler Rohstoffe beigetragen; beide Länder exportieren allerdings viel mehr Weichweizen als Hartweizen. Dennoch hat der Krieg die bereits durch die Pandemie gestörten Lieferketten zusätzlich belastet. Und auch die rasant gestiegenen Energiepreise wirken sich auf die Kosten für Herstellung und Trocknung, die Verpackung und den Transport von Pasta-Produkten aus.

Kleine traditionelle Herstellerfirmen werben damit, dass bei ihnen Hartweizen so wie früher mit Mahlrädern aus Lavastein gemahlen wird. Die meisten Betriebe verwenden allerdings moderne Maschinen, mit denen sich die Selektion der Körner, die Trennung der Kleie und der gleichmäßige Mahlgrad des Grießes zuverlässig kontrollieren lassen. Allzu fein darf Hartweizengrieß nicht werden, damit die Stärkekörnchen nicht zerstört werden und die Stärke beim Kochen nicht zu sehr ausgewaschen wird. Eine etwas gröbere Gramolatura, so heißt der Durchmesser der Grießkörner, spielt bei industriell hergestellten Nudeln eine große Rolle, da sie dem Endprodukt ein kompakteres und einheitliches Aussehen verleiht. Grieß und Wasser werden in großen Becken zu Teig vermischt: Stärke und Protein binden Wasser ein, das Glutennetz entwickelt sich und sorgt für Spannkraft und Konsistenz.

Raue Oberfläche durch Bronzeformen

Während der ‚Trafilatura‘ erhält die Pasta ihre Form. Traditionell wird Pastateig durch spezielle Bronzeformen gedrückt; dadurch wird die Oberfläche der Pasta rauer als bei glatten Teflonformen. Bei diesem Verfahren, welches Qualitätspasta vorbehalten ist, kann die Sauce besser haften. Andererseits können Nudeln durch die poröse Oberfläche mehr Kochwasser aufsaugen und schneller zerkochen. Glatte Nudeln bleiben hingegen eher bissfest, selbst wenn sie mit wenig hochwertigem Hartweizengrieß hergestellt sind. Besonders wichtig ist die Trocknung: Während dieser Phase wird Pasta mit warmer Luft belüftet, bis ihr Wassergehalt die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze von 12,5 Prozent erreicht. Das Trocknen kann zwischen sechs und 24 Stunden dauern, je nach eingesetztem System. Fehler in der Pressung und Trocknung ergeben oft Pasta, die im Kochwasser leicht in Stücke fällt.

Schließlich werden die fertigen Nudeln verpackt. Sie kommen in den Handel unter den Namen, die ihre Form inspiriert hat: lange Sorten wie Spaghetti, Bucatini, Tagliatelle und Mafaldine, oder kurze wie Penne, Farfalle, Conchiglie oder Fusilli. Oder auch kleine Suppennudeln wie Anellini, Filini, Ditali und Risoni. Diese Vielfalt ist nicht nur der Fantasie zu verdanken – jede Form eignet sich hervorragend für eine besondere Sauce. Zu gerillter kurzer Pasta wie Penne oder Rigatoni passen großstückige Fleisch- oder Gemüsesaucen; für Spaghetti und Linguine eignen sich Tomatensauce, Meeresfrüchte oder Carbonara, für Bolognesesauce oder Wildragout am besten Tagliatelle…aber Tagliatelle mit Ei schmecken dazu viel besser!

Die Variante mit Ei: Pasta all’Uovo

Hartweizengrieß, Eier, eventuell Wasser und Salz sind die Grundlage der anderen Großfamilie in Sachen trockener Pasta - den Eiernudeln. Das Herstellungsverfahren ist ähnlich, aber wegen der Verwendung von frischen Eiern werden die Nudeln vor dem Trocknen pasteurisiert. Nach den italienischen Vorschriften gehören zu 1 000 Gramm Hartweizengrieß mindestens 4 ganze frische Hühnereier, insgesamt ca. 200 g. Nach den deutschen Leitsätzen sollten Eier-Teigwaren mindestens 100 Gramm Vollei auf ein Kilogramm Getreide enthalten. Vor allem industrielle Hersteller verwenden statt frischer Eier in der Regel haltbar gemachtes Flüssigvollei. Der Qualitätstest kann gleich nach dem Kochen stattfinden, ohne Sauce oder andere Zutaten: Die Nudeln sollten nicht kleben und der Duft sollte in keinem Fall an Eier erinnern, die nicht mehr ganz frisch sind. Trockene Pasta all’Uovo schmeckt besonders gut im länglichen Format, als Bandnudeln: ob breit, so wie Tagliatelle, Fettuccine oder Pappardelle, oder schmal, wie Tagliolini, Taglierini oder Capelli d‘Angelo. Mit Wildragout, Steinpilzen oder Trüffel, auch nur mit Butter und Parmesan angerichtet oder einfach in einer guten Hühnerbrühe gegart, kommen das Aroma vom Ei und das runde Mundgefühl der Nudeln besonders gut zur Geltung.

»Paste Speciali« heißen in Italien solche Nudeln, bei denen noch weitere Zutaten verwendet werden, wie z.B. Spinat, Bärlauch, Tomate oder Kastanienmehl, um Pasta zu aromatisieren und zu färben. Oft werden dafür auch Weichweizenmehl oder ganz andere Getreidesorten verwendet, so wie Dinkel oder alte, wiederentdeckte Getreidesorten wie Kamut (Khorasan-Weizen) oder Emmer. Als neuester Trend gilt Pasta mit Insektenmehl.


Glutenfreie Pasta

Da viele Menschen an Zöliakie leiden und Gluten nicht gut vertragen, wird das Angebot an glutenfreier Pasta immer größer und vielfältiger. Glutenfreie Nudeln aus Getreidesorten wie Hirse, Reis, Mais, teilweise auch Hafer werden mittlerweile von deutschen Firmen in Bio-Qualität angeboten, u.a. von Alb-Gold, Byodo und Rapunzel. Auch so genannte Pseudogetreide wie Buchweizen, Quinoa und Amaranth sind mittlerweile beliebte Zutaten für glutenfreie Pasta, ebenso wie Braunalge und Süßkartoffel. Glutenfrei und gleichzeitig eine wertvolle Proteinquelle sind die Varianten aus Hülsenfrüchten. Allerdings sind Nudelspezialitäten aus Kichererbsen, roten Linsen, Mungobohnen, Soja, Edamame und grünen Erbsen um einiges teurer als vergleichbare Hartweizenpasta, da sie noch Nischenprodukte sind und meist in Bioqualität hergestellt werden. So wertvoll sie als glutenfreie Alternative sind, erzielen sie, was Geschmack und Bissfestigkeit betrifft, eher bescheidene Ergebnisse. Sie vertragen nur eine sehr kurze Garzeit. Am besten passen dazu würzige Saucen.


REZEPT

Orecchiette alle Cime di Rapa mit frittierten Brotkrumen (Apulien)

Zutaten für 4-6 Personen

1 kg Cime di Rapa (Stängelkohl, im Gemüseladen bestellen)

500 g Orecchiette

5-6 EL natives Olivenöl

2 Messerspitzen scharfes Chilipulver

2 Knoblauchzehen, in Scheiben geschnitten

5 Anchovis-Filets in Olivenöl

altes Weißbrot (ohne Kruste), in groben Krumen gerieben

Salz

Cime di Rapa putzen, dafür die dunkelgrünen dicken Blätter und sehr dicke Stängel aussortieren, Röschen längs halbieren, zarte Blätter und dünne Stängel in Streifen und Stücke schneiden. Einen großen Topf zur Hälfte mit Wasser füllen, zum Kochen bringen, Wasser salzen und das Gemüse ca. 10 Minuten darin garen (oder länger, wenn sehr faserig). Gemüse mit einer gelöcherten Kelle aus dem Topf nehmen, auf einem Sieb abtropfen lassen. Gemüsewasser erneut zum Kochen bringen und die Orecchiette darin garen.

Während der Kochzeit der Pasta 2 EL Olivenöl in einer Pfanne leicht erhitzen. Zwei Drittel des Chilipulvers, einige Knoblauchscheiben und 2 Anchovisfilets hinzugeben und rühren, bis sich letztere aufgelöst haben. Brotkrumen in die Pfanne geben und knusprig frittieren, dann herausnehmen und beiseite stellen. Weitere 3-4 EL Olivenöl in die Pfanne geben und erhitzen, das restliche Chili, restliche Knoblauchscheiben und 3 Anchovisfilets hinzugeben. Gemüse darin anbraten, dabei oft rühren, so dass es von allen Seiten Geschmack annimmt.

Orecchiette noch bissfest vom Herd nehmen, etwas Kochwasser aufbewahren. Nudeln abtropfen lassen, dann mit in die Pfanne zum Gemüse geben, gut vermischen und weitere 2-3 Minuten bei kleiner Flamme garen. Zum Schluss evtl. mit etwas Salz abschmecken, bei Bedarf etwas Kochwasser hinzufügen. Auf warmen Tellern anrichten und mit den knusprigen Brotkrumen (dem ‚Parmesan der Armen‘) bestreuen.

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Quelle: Erschienen im SF Magazin 2/2023. Die aktuelle Ausgabe des Magazins finden Sie immer unter: https://www.slowfood.de/was-wir-tun/zum-nachlesen/slowfoodmagazin/inhalt

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