Karpfen aus nachhaltiger Teichwirtschaft

Arche-Passagier seit 2023

Unterstützt von Slow Food Regensburg-Oberpfalz, Oberfranken, Nürnberg, Altmühlfranken, Mainfranken-Hohenlohe und Lausitz

Beschreibung des Passagiers

Vor mehr als 3000 Jahren wurden Karpfen wahrscheinlich bereits in China kultiviert. Griechen und Römer hielten ihn schon in der Spätantike. Durch die Teichhaltung der Mönche, die das Karpfenfleisch als Fastenspeise nutzten, dehnte sich das Verbreitungsgebiet im Mittelalter insbesondere auf Europa und Deutschland aus. Die erste namentliche Erwähnung findet man aus der Zeit Karls des Großen.

In der Oberpfalz hat die Teichwirtschaft nachweislich eine etwa 1000-jährige Tradition. In der gesamten Oberpfalz hatten die Teiche damals eine Gesamtfläche von ca. 25.000 ha – also mehr als doppelt so viel wie heute.

Zu einer Teichwirtschaft gehören in der Regel mehrere Teiche, die eine Wassertiefe von 60 -120 cm haben. Ein großer Teil der Teiche in den traditionellen Karpfengebieten sind sogenannte Himmelsteiche, bei denen der Wasserzulauf nur durch Regen erfolgt. Mehrere Teiche liegen oft in sogenannten Teichketten eng beieinander und beim „Abfischen“ im Herbst wird zuerst der am tiefsten liegende Teich entleert und danach das Wasser des höher liegenden in den geleerten Teich abgelassen.

Teichgebiete gehören zu den produktivsten Ökogebieten. Sie spielen eine wichtige Rolle im Stoff- und Wasserkreislauf und beim Erhalt der Biodiversität. Der Einfluss auf Klima und Wasserhaushalt, ihre Funktion als Nährstoffsenke, der Sedimentrückhalt und die Bereitstellung von Lebensraum für viele, oft seltene Arten, sind wichtige Funktionen, die Feuchtgebiete für den Naturhaushalt erfüllen.

Die Wildform des Karpfens ist langgestreckt und seitlich wenig abgeflacht mit vollständig beschupptem Körper. Wildkarpfen sind 35 bis 80 Zentimeter lang und können in Einzelfällen bis 120 Zentimeter lang und über 40 Kilogramm schwer werden. Die verschiedenen Zuchtformen des Karpfens sind meist gedrungener und mehr oder weniger ausgeprägt hochrückig. Die Schuppen können dabei verschieden stark reduziert sein, wodurch sich folgende Formen unterscheiden lassen:

  • Schuppenkarpfen haben noch ein vollständig erhaltenes Schuppenkleid.

  • Zeilkarpfen weisen weniger Schuppen auf. Es ist eine Reihe (Zeile) großer Schuppen entlang der Seitenlinie erhalten.

  • Spiegelkarpfen besitzen nur noch wenige, an der Oberseite verteilte Schuppen an den sonst schuppenlosen Seiten.

  • Lederkarpfen oder Nacktkarpfen sind schuppenlos.

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In vielen Teichen werden Begleitfische wie Schleie, Rotfeder, Rotauge, Wels und Barsch gehalten. Sie tragen zu einer besseren Futterverwertung bei und sind (teilweise) Futterfische für die gleichzeitig gehaltenen Raubfische wie Hecht und Zander, die für einen gesunden Bestand im Teich sorgen und die unerwünschte Massenentwicklung von Kleinfischen regulieren.

Der Karpfen braucht für die Vermehrung entsprechende Wassertemperaturen und einen bestimmten Pflanzenbewuchs am Teichgrund. Diese Bedingungen sind im „normalen“ Teich meist nicht vorhanden. Die Züchter von Jungfischen (Satzfischen) setzen die Zuchttiere deshalb in sogenannte „Dubischteiche“, die den notwendigen Bewuchs haben. Um unabhängig vom Wetter (Temperaturen) zu sein, werden die Karpfen heute oft in Bruthäusern unter kontrollierten Bedingungen erzeugt. Dabei wird bei der konventionellen Haltung eine hormonelle Stimulierung eingesetzt, die den weiblichen Karpfen durch eine Injektion verabreicht wird. Dies ist gemäß den Richtlinien der Bio-Verbände aber verboten.

Karpfen können sich allein vom Pflanzenbewuchs und von Kleintieren und Plankton in den Gewässern ernähren. Zur Beschleunigung der Gewichtszunahme werden die Karpfen zusätzlich mit Getreide oder Leguminosen gefüttert (meist aus eigenem Anbau der Landwirtschaft der Teichwirte). Nach drei Sommern haben die Karpfen ihr übliches Schlachtgewicht von 1000 – 1500 g erreicht.

Wegen der Ernährung durch natürlichen Teichbewuchs und Kleinlebewesen (Zooplankton, Insektenlarven, Schnecken, Würmer) und eine Zufütterung aus regionalem Getreide ist die Karpfenhaltung an sich schon die nachhaltigste Form der Fischzucht in Deutschland. Dazu kommt, dass die Teiche wertvolle Biotope sind, weil sie mit ihren Wasserflächen und Uferstreifen Lebensraum für viele spezielle Pflanzen, Insekten, Amphibien und Vogelarten sind. Teichanlagen gliedern eine Landschaft – sie sind landschaftsprägend. Eine Bio-Zertifizierung von Teichwirtschaften gewährleistet dabei reduzierte Besatzdichten und eine Beschränkung der Zufütterung auf 50% des Nahrungsbedarfs, sowie ein Verbot hormoneller Stimulierung bei der Eiablage und Besamung. Diese Haltung entspricht auch am ehesten der Karpfenhaltung zu früheren Zeiten, als sie für Landwirt*innen oft ein Nebeneinkommen war, für das kein weiterer Materialeinsatz und wenig Zeit notwendig waren.

Eine Bedrohung kann gegenwärtig nicht für den Gesamtbestand der Teichwirtschaften gesehen werden, wohl aber für nachhaltig wirtschaftende Betriebe gemäß den Kriterien der Bioverbände. Deshalb erfüllt nur der Karpfen aus derart nachhaltiger Teichwirtschaft die Kriterien für den Slow-Food-Archepassagier. Deshalb zählen nur durch Bioland, Naturland oder andere anerkannte Bioverbände oder EU-Bio zertifizierte Karpfen zu den Passagieren der Arche des Geschmacks.

Gefährdung des Passagiers

Der Karpfen, beziehungsweise seine Erzeuger*innen haben mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen zu kämpfen.

  • Eines ist dabei (in den meisten Fällen) ein Vorurteil: Karpfen würden „modrig“ schmecken. Das trifft jedoch nur dann zu, wenn sich Karpfen zuvor in einem Teich mit starker Entwicklung von Blaualgen befanden. Dies kann in manchen Teichen – und dann vor allem im Sommer (wenn normalerweise nicht abgefischt wird) – geschehen. Ausreichendes „Hältern“ (s.o.) kann dies verhindern.

  • Ein zweites ist seinem Körperbau mit den sogenannten Y-Gräten geschuldet. Sie machten das Karpfenessen zu früheren Zeiten zumindest gewöhnungsbedürftig. Heute werden im Handel und in der Gastronomie nach dem Filetieren häufig entsprechende Grätenschneider verwendet, die diese Gräten im Filet vor der Zubereitung zerschneiden und sie damit dem Genuss der Esser*innen nicht im Weg stehen. Das muss sich bei den Verbraucher*innen noch herum sprechen.

  • Ausreichende Erträge für den Teichwirt sind oft nicht zu erzielen – insbesondere wenn über den Handel oder die lokale Gastronomie in den Karpfengebieten verkauft wird. Bei Einberechnung des Arbeitseinsatzes für die Teichwirt*innen bilden sich eher selten Betriebsgewinne ab. Eine bessere Situation ist nur durch Direktvermarktung zu erreichen. Sinnvoll wäre es, die sogenannten Ökosystemleistungen (ein Sammelbegriff für die vielfältigen Beiträge, die Ökosysteme zum menschlichen Wohlbefinden liefern), die laut Studien für einen Karpfenteich im Jahr mit etwa 16.000 Euro pro Hektar Teichfläche beziffert werden können, in geeigneter Weise den Teichwirt*innen zugutekommen zu lassen (andere Studien kommen zu deutlich höheren Beträgen).

  • Für Verbraucher*innen abseits der traditionellen Karpfengebiete ist frischer Karpfen nahezu nicht zu bekommen. Von Bio-zertifizierten Karpfen ganz zu schweigen. Das ist u.a. ein Resultat der Konzentration im LEH auf nur noch wenige Supermarkt- und Discount-Anbieter, die nur in wenigen Fällen eine Frischfisch-Theke haben. Mit dieser Konzentration hat auch die Anzahl spezieller Fischhändler*innen in den letzten Jahren immer mehr abgenommen.

  • Das aktuellste Problem für die Teichwirtschaft sind in vielen Gebieten die sogenannten „Prädatoren“: Kormoran, Fischreiher und neuerdings auch der Fischotter, die sich wegen fehlender Feinde und hohem Schutz stark verbreiten. Sie dezimieren die Bestände vor allem der Jungfische K1 in einem Masse, dass eine kostendeckende Bewirtschaftung nicht mehr möglich ist. Zudem richten auch Biber Schäden an Teichanlagen an.

Unter diesen Rahmenbedingungen hält nur der Idealismus viele Teichwirt*innen vom Aufgeben ab, Betriebsnachfolgen sind gefährdet. Das Ende der Karpfenwirtschaft und damit die Aufgabe der Teiche verstärkt die gravierende Veränderung der biologischen Vielfalt: Das Ökosystem Teich verschwindet weiter und die Neuanlage von Teichen ist aus gesetzlichen Gründen so gut wie nicht mehr möglich.

Vermarktung des Passagiers

Für die Verbraucher*innen in Deutschland ist der Karpfen fast nur direkt in den Karpfengebieten (siehe nächster Abschnitt) zu bekommen, vorwiegend direkt bei den Teichwirt*innen und in der regionalen Gastronomie. Auch einige Lebensmittelgroßhändler, insbesondere diejenigen die auch Gastronomie sowie Kantinen etc. beliefern, haben saisonweise Karpfen in ihrem Angebot. Um außerhalb dieser Gebiete Karpfen als nachhaltigsten Speisefisch zu promoten, sind weitere Absatzkanäle notwendig. Slow Food könnte sich z.B. vorstellen, dass der Kühlversand von gemeinsamen Bestellungen einiger Verbraucher*innen eine Möglichkeit wäre, die Nachfrage zu steigern. Da mit diesen Bio-Karpfen auch höhere Preise erzielt werden können, würden dann auch die höheren Kosten aufgrund niedrigerer Besatzdichten und biozertifiziertem Zusatzfutter zumindest teilweise gedeckt. Die von vielen Teichwirt*innen beklagten niedrigen Preise beim Verkauf an die örtliche Gastronomie, können kompensiert werden und es kann eine Verlagerung zu anderen Kundensegmenten erfolgen.

Ein zusätzlicher Kaufanreiz kann natürlich auch eine weitere Auszeichnung für regionale Produktion, wie z.B. die EU-geschützte geografische Angabe (ggA) sein. Sie wurde für einige Gebiete, wie z.B. den Aischgrund, Franken oder die Oberpfälzer schon beantragt und erteilt.

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Regionale Bedeutung des Passagiers

Die Gesamtfläche aller Karpfenteiche beträgt in Deutschland etwa 40.000 Hektar. Davon liegt die Hälfte in Bayern und wird von ca. 5.500 Teichwirt*innen (Betrieben) bewirtschaftet. Sie sind in folgenden traditionellen Karpfengebieten zu finden:

Karpfenland Aischgrund (Bad Windsheim, Neustadt, Höchstadt a.d.Aisch

Karpfenland Romantisches Franken (Landkreis Ansbach)

Karpfenland Mittlere Oberpfalz (Landkreis Schwandorf, Hirschau)

Tirschenreuther Teichpfanne (Tirschenreuth, Wiesau)

Teichland Oberfranken (Regierungsbezirk Oberfranken)

In diesen Gebieten werden jährlich etwa 6.000 Tonnen Speisekarpfen erzeugt. Die durchschnittliche Betriebsgröße ist mit etwa 3,5 ha im Vergleich zu Sachsen oder Osteuropa relativ klein. Die restliche Menge der 12.000 Tonnen Gesamtmenge verteilt sich auf das Gesamtgebiet der Bundesrepublik, der größte Teil davon kommt aber aus der

Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft (nordöstlich von Bautzen) mit 5.200 ha Teichfläche, über 1.000 Teichen und etwa 350 Teichwirt*innen. Dieses Gebiet ist seit 1996 UNESCO-Biosphärenreservat und erzeugt seit 2008 auch den „Oberlausitzer Biokarpfen“ (ggA).

Die längste Geschichte bei der Karpfenerzeugung dürfte, wie schon erwähnt, in der nördlichen Oberpfalz und im Aischgrund bestehen. Die kirchliche Tradition der Fischmahlzeiten am Karfreitag sowie auch an normalen Freitagen hat dazu sicher beigetragen. In vielen Regionen ist das Karpfenessen an bestimmte Festtage gebunden, wie z.B. Weihnachten, Silvester oder die örtliche Kirchweih.

Bei den Zubereitungsarten gibt es traditionelle Gerichte, die sehr häufig sind, wie z.B. im Aischgrund der „halbe gebackene Karpfen“. Dabei wird der Fisch der Länge nach senkrecht halbiert, mit Semmelbröseln paniert und in heißem Fett knusprig ausgebacken. Eine weitere Zubereitungsart ist der „Halbe blau“ bei dem der Fisch in einem Essigsud garzieht und deshalb eine blaue Färbung annimmt oder auch die gebackene Variante mit einer Panade aus geschrotetem Pfeffer. Aber auch Rezepte, die wenig Arbeit (mit den Gräten) für die Esser*innen erfordern, sind auf den Speisekarten der Gasthäuser in den Monaten mit „r“ zu finden, z.B. Karpfenfilet oder auch geräucherte Varianten. Karpfenessen erfreuen sich in den Gasthäusern der Karpfenregionen nach wie vor großer Beliebtheit.

Geschmack des Passagiers

Der Karpfen hat ein festes, wohlschmeckendes Fleisch, das viele Omega-3-Fettsäuren enthält und leicht bekömmlich ist. Die Einschätzung dass der Karpfen modrig schmecke, ist häufig ein Vorurteil. Erwiesen ist jedoch, dass solcher Fehlgeschmack durch Blaualgen im Teich entstehen kann. Allerdings wachsen Blaualgen im Sommer, wenn der Karpfen üblicherweise nicht gefangen/verspeist wird. Durch ausreichend lange Hälterung in Frischwasser kann dieser Geschmack auch entfernt werden. Studien haben ergeben, dass auch ein zu hoher Fettgehalt (der z.B. durch zuviel oder falsches Füttern entsteht) einen schlechten Geschmack verursachen kann. Karpfen aus nachhaltiger (weil biozertifizierter) Teichwirtschaft haben einen Fettgehalt von deutlich weniger als 10% und damit dieses Problem nicht.

Besonderheiten bei der Erzeugung und Weiterverarbeitung des Passagiers

In Österreich kommt bereits etwa die Hälfte der ca. 700 Tonnen Karpfen aus Bio-zertifizierten Teichwirtschaften. In Deutschland ist der Anteil der Bio-Produktion bei nur 2%. Die Gründe sind vielschichtig, die wichtigsten sind:

  • Der große Anteil an kleinstrukturierten Familienbetrieben, die Aufwand und Kosten von Biohaltung einschließlich der Zertifizierung scheuen.

  • Die Abnehmer*innen aus der Gastronomie sind meist nicht bereit, teurere Bioware abzunehmen.

  • Produktion von Bio-Satzfischen ist aufgrund gesetzlicher Vorgaben schwierig.

Deshalb sind nicht genügend Bio-Satzfische verfügbar

  • Niedrige Besatzdichten und höhere Futterkosten drücken auf die Wirtschaftlichkeit.

  • Ausweitungen der Produktion sind nahezu nicht möglich, weil neue Teiche nicht genehmigt werden.

Glücklicherweise sind, insbesondere in Bayern, momentan deutliche Bemühungen zu erkennen, dass diese Probleme gelöst oder verringert werden.

Züchter, Erzeuger und Bezugsquellen

Ralf Scheuermann
Botzenweiler 80
91550 Dinkelsbühl
Tel. (09851) 5 89 20 90

biokarpfenbayern@t-online.de
www.biokarpfenbayern.de

Bio-Karpfenzucht Fam. Grimmer
Seeleite 1
96170 Trabelsdorf
(09549) 12 47

info@altes-kurhaus.de
www.altes-kurhaus.de

Hofladen SK GdbR aktuell nicht Bio!
Wolfgang und Rosmarie Seegerer
Eckendorf 9, Kumpfmühle
92507 Nabburg
Tel. (09433) 4 27

seegerer@hofladen-kumpfmuehle.de
www.hofladen-kumpfmuehle.de

Teichwirtschaft Karsten Ringpfeil / Wartha
Warthaer Straße 53
02699 Königswartha
Tel. (035726) 5 02 33

kontakt@ringpfeil.de
www.ringpfeil.de

Links und Kontaktadressen

Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
www.lfl.bayern.de/cms07/ifi/karpfenteichwirtschaft/index.php


Verwendete Quellen bei der Antragserstellung

https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite


Beteiligte Experten und Expertinnen bei der Antragserarbeitung

Dr. Martin Oberle

Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

Institut für Fischerei, Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft

Greiendorfer Weg 8

91315 Höchstadt

Tel. (08161) 8640 6212

Links und Aktivitäten rund um den Passagier

>>Slow Food Magazin: Karpfen aus nachhaltiger Teichwirtschaft

 

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