Ernährung wird im Mittelpunkt der COP28 stehen - aber wie?
"Auch wenn wir die offizielle Anerkennung der Rolle von Lebensmitteln als Treiber, aber auch als Lösung für den Klimawandel begrüßen, wird Slow Food die Debatten und die Schlussfolgerungen der COP28 kritisch verfolgen. Wir werden prüfen, welche Lösungen für eine dringende Transformation des Ernährungssystems vorgeschlagen werden und ob die Regierungen die Gelegenheit der aktuellen Bestandsaufnahme des Pariser Klimaabkommens nutzen werden, um die nationalen Klimapläne zu überarbeiten und die Ernährungssysteme mit einem ganzheitlichen Ansatz einzubeziehen", kommentiert Edward Mukiibi, Slow Food Präsident. "Das Risiko besteht darin, dass die Debatte die Komplexität der Ernährungssysteme, die Ursachen für Ernährungsunsicherheit wie beispielsweise Machtungleichgewichte und industrielle Lebensmittelproduktion sowie die Tatsache, dass die Länder des globalen Südens unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind, ignoriert. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass die bevorstehende Erklärung der Emirate zu nachhaltiger Landwirtschaft, resilienten Ernährungssystemen und Klimaschutz weder konkrete Maßnahmen noch Zielvorgaben für eine wirksame Umgestaltung der Ernährungssysteme enthält. Ebenso wenig erklärt sie, wie nachhaltige Ernährungssysteme aussehen sollten. Unserer Ansicht nach basiert ein nachhaltiges Ernährungssystem auf der Agrarökologie."
Agrarökologie besteht nicht nur aus einer Reihe von landwirtschaftlichen Praktiken, sondern ist eine Vision, die sich auf die biologische Vielfalt, die Erhaltung von Ökosystemen und die Fähigkeiten und Bedürfnisse von Gemeinschaften konzentriert. Es ist ein Modell, das eine langfristige Ernährungssicherheit für alle gewährleisten kann und das von Bewegungen für Ernährungssouveränität, Think Tanks und internationalen Organisationen, nicht zuletzt den Vereinten Nationen, anerkannt und gefördert wird.
Die COP28 folgt auf den 6. Sachstandsbericht des IPCC, in dem unmissverständlich festgestellt wird, dass wir jetzt handeln müssen, bevor es zu spät ist, und in dem erneut betont wird, dass das Ernährungssystem als Ganzes bis zu 35 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht. Eine wichtige aus dem IPCC-Bericht hervorgehende Empfehlung ist, dass ein agrarökologischer Ansatz zu Ernährungssicherheit, Gesundheit, Biodiversität und Nachhaltigkeit beitragen kann.
Wie industrielle Lebensmittelsysteme den Klimawandel vorantreiben
Das moderne, industrialisierte Agrarmodell der letzten 50 Jahre hatte verheerende Auswirkungen auf Klima und Umwelt: Verschmutzung, Bodenerosion, zerstörte Landschaften, geringere Energieressourcen und ein allgemeiner Verlust an biologischer und kultureller Vielfalt. Im Rahmen dieses Modells hat die landwirtschaftliche Produktion die Form der Agrarindustrie angenommen. Die beiden Kennzeichen dieses Systems, nämlich der verstärkte Einsatz von aus Erdöl gewonnenen oder erdölbasierten Betriebsmitteln wie Düngemitteln, Pestiziden und Treibstoff für landwirtschaftliche Maschinen sowie der Anbau von Monokulturen, vor allem zur Erzeugung von Tierfutter, haben schwerwiegende Folgen für die Umwelt und gefährden das wirtschaftliche Überleben der Kleinbauern. Bei diesem Modell werden die natürlichen Ressourcen als bloße Rohstoffe betrachtet, die in großem Umfang verbraucht und ausgebeutet werden, wodurch unsere Gesundheit und Umwelt gefährdet werden.
Bei den Debatten auf der COP28 muss daher die Aufmerksamkeit auf die großen Fleisch- und Molkereifirmen gelenkt werden, die für einen hohen Prozentsatz der Emissionen verantwortlich sind, denn es ist möglich, dass diese Firmen versuchen werden, Hightech- oder Greenwashing-Lösungen vorzuschlagen, um ihre Verantwortung zu verschleiern.
Auf der COP28 werden viele potenzielle Lösungen vorgestellt, und es ist zu erwarten, dass es einen Wettstreit um verschiedene Visionen für die Landwirtschaft geben wird.
Lösungswege aus Sicht von Slow Food
Slow Food ist der Meinung, dass nur Lösungen, die die Herausforderungen der Ernährungssicherheit, des Klimawandels, der Gesundheit und des Verlusts der biologischen Vielfalt gleichzeitig angehen und eine Perspektive der Klimagerechtigkeit einschließen, in die Verhandlungen einfließen sollten.
- Der IPCC hat ausdrücklich die Agrarökologie als Klimalösung befürwortet, da sie zusammen mit einer Stärkung der lokalen Gemeinschaften die Resilienz gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels verbessern kann. Ein Übergang zur Agrarökologie ist die einzige Möglichkeit, ein Ernährungssystem zu überwinden, das die natürlichen Ressourcen (angefangen bei Wasser und Boden) plündert und die Ernährungssouveränität beeinträchtigt.
- Der IPPC hat ferner festgestellt, dass die Umstellung auf eine nachhaltige, gesunde Ernährung dazu beitragen kann, den Klimawandel zu bekämpfen - eine Vision, die Slow Food teilt.
- Die Reform der Ernährungswirtschaft muss Hand in Hand mit der Reduzierung fossiler Brennstoffe in allen Sektoren im Einklang mit dem 1,5C-Ziel gehen. Neue, von der Global Alliance for the Future of Food veröffentlichte Forschungsergebnisse zeigen, dass mindestens 15 Prozent der jährlich weltweit verbrannten fossilen Brennstoffe auf die Ernährungssysteme entfallen - eine Menge, die den Gesamtemissionen der EU und Russlands zusammen entspricht. Fossile Brennstoffe werden in allen Phasen der Lebensmittelversorgungskette eingesetzt, beispielsweise zur Herstellung von synthetischen Düngemitteln, Pestiziden und Kunststoffverpackungen für Lebensmittel, zur Erzeugung von Energie für die Herstellung hochverarbeiteter Lebensmittel und für den Transport von Lebensmitteln rund um die Welt.
- Ernährung muss Teil der Klimastrategie werden: In über 70 % der Klimapläne der Staaten fehlen derzeit Strategien, die sich auf Ernährung konzentrieren. Dabei sind Ernährungsstrategien ein wichtiges politisches Instrument, um von industriellen Methoden der Lebensmittelproduktion auf nachhaltigere Anbaumethoden umzustellen und auf diese Weise nicht nur den Klimawandel, sondern auch die Ursachen des Hungers zu bekämpfen, Arbeitsplätze zu schaffen, die Gesundheit zu verbessern und die biologische Vielfalt zu schützen.