Warenkunde Dattel
Die Zeiten, in denen Datteln in Deutschland vor allem als klebrige weihnachtliche Süßigkeit auf den Tisch kamen, sind zum Glück lange vorbei. Heute werden die frischen oder getrockneten Früchte nicht nur als Alternative zu Schokolade gepriesen, den zahlreich enthaltenen Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen werden auch viele gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Kein Wunder also, dass Datteln, die auch »das Brot der Wüste« genannt werden, und viele Fans haben.
Die Frucht der Dattelpalme (bot. Phoenix dactylifera) ist eine drei bis sieben Zentimeter lange, oval zylindrische Beere. In ihrer Heimat am persischen Golf wird sie schon seit Jahrtausenden angebaut und gilt als älteste Kulturpflanze der Welt. Inzwischen kultiviert man sie unter anderem in Tunesien, Ägypten, Algerien, Marokko, Iran, Persien, Saudi Arabien, Israel, Pakistan, Australien und Kalifornien. Weltweit gibt es etwa 1 500 Sorten. Die Wüstenpflanze wird bis zu 20 Meter hoch und bis zu 70 Jahre alt. Eine neue Pflanze lässt sich theoretisch über den Kern ziehen – auch zu Hause auf dem Fensterbrett keimt das Grün heraus. In der Praxis aber wird die Dattelpalme mit Hilfe der Triebe vermehrt, die am Boden der Mutterpflanze wachsen.
Alle zwei Jahre trägt die Dattelpalme bis zu 100 Kilogramm Früchte in ihrer Krone, ab September beginnt die Ernte. Die traditionelle Methode, das Pflücken der Datteltrauben per Hand, ist gefährlich – allerdings wird so garantiert, dass nur Früchte im perfekten Reifezustand gepflückt werden und auf den Markt kommen. Vielerorts wird inzwischen aber maschinell geerntet. Doch die Ernte ist nur ein kleiner Teil der Arbeit. Eine große Herausforderung ist die intensive Bewässerung der Plantagen, die Befruchtung der Bäume und natürlich die Verarbeitung der Früchte – das Säubern, Sortieren, Trocknen und transportgerechte Verpacken.
Nachhilfe bei Befruchtung und Bewässerung
Es gibt die stabileren männliche Pflanzen, deren Blüten den Pollen erzeugen, und die filigraneren weiblichen Pflanzen mit Stempeln, die später den Großteil der Früchte tragen. Um den Ertrag zu erhöhen, helfen die Dattelproduzent*innen dem Wind beim Bestäuben, in dem sie im Januar und Februar männliche Blütenbüschel in die Blütenstängel der weiblichen Palmen stecken.
Auch bei der Versorgung mit Wasser ist die Dattelpalme meist auf menschliche Nachhilfe angewiesen. Die Anbau- und Bewässerungsmethoden von Datteln sind sehr unterschiedlich. Bei Bewässerungssystemen mit Schläuchen wird jede Palme direkt versorgt wird und zwischen den Baumreihen wächst nichts, was sich am kostbaren Wasser mitbedienen könnte. Andere Produzent*innen setzen auf Permakulturen, wo Datteln in Symbiose mit Zitrusbäumen wachsen, deren Duft Insekten anlockt und deren Früchte ein guter Nebenverdienst für die Landwirtschaftsbetriebe sind. Bewässert wird hier in traditioneller Flutungsweise: Das Land ist in Parzellen aufgeteilt, die wechselweise geflutet werden, Bodenbegrünung hält das Wasser länger im Boden fest.
So oder so: Datteln brauchen viel Wasser zum Wachsen. Das macht sie nicht gerade zum klimafreundlichen Genuss. Auch die langen Transportwege werfen einen Schatten auf das gesunde Vergnügen, zumal sie als frische Früchte gekühlt transportiert werden müssen. Zudem gibt es sehr unterschiedliche Qualitäten. Die konventionellen, preisgünstigen Naschdatteln sind zum Teil mit Glukosesirup überzogen, um sie schön prall und glänzend wirken zu lassen. Auch werden im konventionellen Anbau häufig Insektizide, Fungizide und später nach der Ernte Konservierungsmittel eingesetzt. Bio-Qualitäten werden weder gespritzt noch durch Chemikalien konserviert, ein genau überwachter Antrocknungsprozess der Früchte nach der Ernte stellt das perfekte Wasser-Zuckerverhältnis der Dattel sicher, sodass sie sich selbst vor Krankheiten schützen kann und auch ungekühlt nicht verdirbt.
Süß und voller gesunder Nährstoffe
Gefragt sind Datteln bei uns vor allem als Zucker-Alternative. In den Anbauländern sagt man, sie sei so nährstoffreich, dass ein Mensch sich theoretisch ausschließlich von Wasser und Datteln ernähren könne. In der Tat könnte die Vielzahl der Mikronährstoffe und ihre Bedeutung für den Körper hier Seiten füllen: Magnesium für die Muskeln, Kalium für Herz und Kreislauf, Calciummangan, Selen, Phosphor, ungesättigte Fettsäuren und gleich drei Sorten Kohlenhydrate (Glucose, Fructose und Saccharose), die sie zur perfekten Sportlernahrung machen. Kalium und Tryptophan, die im Körper zu Serotonin und Melatonin umgewandelt werden und zusammen mit dem Kalium die Nachtruhe verbessern. Jede Menge Ballaststoffe für die Darmgesundheit. Eisen, das besonders in der Kombination mit Zitrusfrüchten die Hämoglobinproduktion ankurbelt. Antioxidantien wirken gegen Entzündungen und machen schöne Haut, B-Vitamine unterstützen das Nervensystem, Vitamin A und Lutein die Sehkraft.
Besonders in der Schwangerschaft sollen drei Datteln täglich helfen, nicht nur den gesamten Organismus der Mutter, sondern auch explizit die Gebärmuttermuskulatur zu stärken. Das erleichtere nicht nur die Geburt, auch das Neugeborene sei durch die Muttermilch sofort mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt. Dort, wo Datteln herkommen, wird behauptet, dass Kinder, die viele Datteln essen, intelligentere Erwachsene werden.
Aber wie viel ist viel und wie viel ist zu viel? Denn auch wenn Datteln im Internet oft als perfektes Superfood zum Abnehmen angepriesen werden, bleiben sie eine himmlische Süßigkeit mit einem Zuckergehalt von stolzen 60 bis 70 Prozent.
Drei Datteln am Tag?
Als Hinweis, wie viele Datteln täglich empfohlen werden, taucht immer wieder die Zahl 3 auf, was vermutlich seinen Ursprung im Islam hat. Denn im Ramadan, dem neunten Monat des islamischen Mondkalenders, wird von gläubigen Muslimen weltweit zwischen Sonnenauf- und -untergang gefastet. Nicht nur auf Essen und Trinken wird verzichtet, auch auf Nikotin, Geschlechtsverkehr und schlechte Gedanken. Gefrühstückt wird vor Sonnenaufgang: Suhur heißt diese oft Datteln enthaltene Mahlzeit zum rituellen Beginn des Fastentages. Abgeschlossen wird der Tag mit dem Iftar, der abendlichen gemeinsamen Mahlzeit, die traditionell mit einer ungeraden Anzahl von Datteln und einem Glas Wasser oder Milch beginnt. Am beliebtesten ist die Zahl drei, weil der Prophet Mohammed das schon so gemacht haben soll.
Nicht nur im Islam hat die Dattelpalme samt ihren Früchten eine wichtige Bedeutung. Bei den Persern gilt der Baum als Symbol der Fruchtbarkeit, in der griechischen Antike zierten ihre Blätter die Ornamente bei Triumphfeiern. Bei den Römern stand die Dattelpalme für Sieg und Ehre, weil sie sich trotz schwerer Last der Früchte niemals krümmt. Dagegen ist im Matthäus-Evangelium von einer Palme die Rede, die sich zum Boden herabneigte, damit Maria und Joseph sich an ihren Früchten laben konnten. Und beim Einzug Jesu nach Jerusalem schnitt die jubelnde Menschenmenge Zweige von Dattelpalmen und streute sie als Zeichen der Huldigung auf seinen Weg. Noch heute trägt der Sonntag vor Ostern zum Gedenken an dieses Ereignis den Namen Palmsonntag.
VIELFALT UND KÜCHE
Dattelsorten gibt so viele wie Dattelpalmensorten. Aber auch eine einzige Sorte kann je nach Anbaugebiet und -art unterschiedlich schmecken. Deshalb eignen sie sich auch für viele Gerichte, wie die folgenden Rezepte zeigen, die Philipp Bomke-Lambertz, Mitglied der Chef Alliance, zusammengestellt hat. Hier eine kleine Auswahl der Sorten:
Medjool
Groß, fleischig, weich, ausgeprägter Karamellton. Ideal zum Füllen mit Salzigem, zum Beispiel Frischkäse.
Deglet Nour
Kleiner, fester, feine Honigsüße. Kleingeschnitten im Müsli, nussiger Biss.
Mazafati
Klein, dunkel und würzig-pralinig, sich gut verteilende Süße. Zum Beispiel in deftigen Eintöpfen.
Sukkari
Der zur Rispe gewandte Teil zuckert aus und wird heller und fester, intensiver Karamellgeschmack, fast knusprig. Zum Tee oder Kaffee, pur oder mit Nüssen gefüllt.
Khidri
Groß und saftig. Rosinenähnliche aromatische Süße. Zu würzigem Gemüse und Pikantem.
Kholas
Klein und hell, dass die Haut sich vom Fleisch löst, ist ein Qualitätsmerkmal. Buttrig und toffeeartig. Zu Wasser oder Hochprozentigem.
Wanan
Dunkel und weich, milde Süße, kaum Säureanteil. Passt hervorragend zu Käse.
Ajwa
Schwarz mit pflaumenartiger Textur, herb. Die Ur-Dattel zum Fastenbrechen, schmeckt aber auch zu Weißwein, weil sie nicht so süß ist.
Weiterlesen und reinschmecken können Sie hier: www.narafood.de
Eine moderierte Infoverkostung von Slow Food Deutschland ist hier zu sehen: