Interview mit René Müller
Metzger, Bauer & Koch – wie ergänzt Ihr Euch?
Wir drei sind nicht unternehmerisch verwoben, sondern mental. Stefan betreibt nicht weit von hier Eiwels Kirchberg, einen Mischbetrieb mit Ackerbau und Grünland, seine Herde Fleischrinder lebt draußen auf der Wiese. Außerdem gibt es dort 200 Legehennen und 60 Schweine verschiedener Rassen. Mit ihm mache ich gemeinsam die Planung – was soll angebaut werden? Was kann ich garantiert abnehmen und verkaufen? Wie kann ich mein Programm an neue Projekte anpassen? Ganz aktuell haben wir zum Beispiel Emmer auf den Markt gebracht. Und von Martin kaufe ich ganze Tiere – nächste Woche wird zum Beispiel ein Galloway-Rind geschlachtet. Dann besprechen wir, was wir woraus machen. Brauchen wir gerade mehr Hackfleisch und Schmorfleisch? Welche Wurst und welcher Schinken soll für den Verkauf im Fleischtresen hergestellt werden? Was wird in Gläschen für den Laden eingekocht? Was passt zur Jahreszeit und wie schaffen wir, dass wirklich nichts übrigbleibt?
Du kochst auch Caterings, für Kitas, eine onkologische Klinik und verschiedenste Events – womit verdienst Du hauptsächlich Dein Geld?
Inzwischen mit dem Catering, aber so ganz genau lässt sich das nicht sagen, weil sich hier ja alles mischt – wir sind ein Kreislauf. Am Beispiel Emmer: Wir dachten, es sei eine Spitzenidee, eine Tonne Emmer für das Kitageschäft polieren zu lassen. Leider ist der Plan nicht aufgegangen, weil die Kinder es partout nicht essen wollen – vielleicht wegen der Farbe. Hätten wir nur die Kita, stünde hier jetzt eine Tonne Emmer rum, das wäre dann ein schlechtes Geschäft gewesen. Aber glücklicherweise haben wir ja tausend andere Möglichkeiten, sie in unserem Betrieb einzusetzen.
Was können Produzent*innen und Gastronom*innen für eine bessere Zusammenarbeit tun?
Wir in der Gastronomie brauchen immer einen einfachen, flachen Weg, denn es ist nicht wirtschaftlich, jedes Kräutlein einzeln zu kaufen. Da kann zum Beispiel eine Plattform helfen, die Erzeugende bündelt und auf einer Tour die Produkte sammelt und zu den Gastronomie-Betrieben der Region bringt. Aber auch die Verfügbarkeit ist ein großes Thema. Hier könnte die Gastronomie marktorientierter arbeiten, ihr Sortiment flexibler gestalten und auch Nischenprodukten eine Bühne geben. Bei uns in Nordhessen werden inzwischen neben Linsen, auch Emmer, Einkorn, Kichererbsen, Quinoa und Hirse angebaut. Die sind gute Protagonisten – das Wort „Regionalität“ kann man ja heute kaum mehr benutzen.
Ihr habt 2022 auch die Documenta, die weltweit bekannteste Ausstellung für zeitgenössische Kunst, kulinarisch ausgestattet. Wie sehr ist Kochen Kunst – und was ist der Rest?
Für eine Kita zu kochen, ist eher Handwerk und Routine. Das tägliche À la carte, bei dem sich jeden Tag die Speisekarte ändert, ist schon kreativer. Aber Handwerk brauchst Du doch. Wie in der Kunst. Du musst wissen, wie Farben funktionieren, wie Licht funktioniert.
Was machst Du eigentlich in der Slow Food Chef Alliance?
Leider bringe ich mich noch zu wenig ein. Wahrscheinlich geht das vielen so. Es ist einfach immer sehr wenig Zeit in der Selbständigkeit. Ich habe zwar meistens schon am frühen Abend den Laden zu, aber dann muss ich noch an den Schreibtisch, um zum Beispiel Veranstaltungen abzusprechen, Bestellungen zu machen, die ganze Kleinkorrespondenz. Oft läuft es dann darauf hinaus, dass man noch die drei dringendsten Mails beantwortet, den Rest für den Ruhetag aufhebt und selbst dann nicht alles schafft. Und wenn Du einen Betrieb hast, der sich ständig wandelt, brauchst Du auch dafür Energie. Du bist immer wieder auch am Anfang von etwas, dabei versanden dann leider andere Dinge.
Ist das Weißenstein etwas, was Du immer machen wolltest?
Schon! Auch wenn es nicht immer leicht war bis hierher, merke ich schon, dass die Selbständigkeit die richtige Entscheidung für mich war.
Und davor? Ich komme ursprünglich aus Thüringen, das ich nach der Lehre für Jahre in Bayern und der Schweiz verlassen habe. Zurück in der Heimat war ich dann Küchenchef in verschiedenen Romantik-Hotels. Danach habe ich als Direktor vier große Kantinen geleitet, aber das war nichts für mich, so 100 Prozent Büro. Als nächstes kam eine Betriebskantine, die schon sehr fortschrittlich war, keine Convenience-Produkte außer Nudeln und viel Bio. Als letzte Station vor dem Weißenstein habe ich acht Jahre lang als Küchenchef in der Sababurg hier bei Kassel gearbeitet.
So alt bist du schon?
Ja, tatsächlich! Meine älteste Tochter zieht schon bald aus, um zu studieren.
Ich habe Dich im Fernsehen mit Ali Güngörmüş gesehen. Wärst du gerne mehr im Fernsehen? Werden Fernsehköche überschätzt oder können sie etwas bewirken?
Also erst einmal ist der Ali in dem Sinne kein Fernsehkoch, er betreibt ja eigene Restaurants. Ich bin nicht scharf drauf, das regelmäßig zu machen. Ich glaube, man muss auch zwischen fachlichen Formaten unterscheiden und denen im Privatfernsehen, wo man sich bei so viel Show fragen muss, wie authentisch das ist. Wenn das Format Dich authentisch sein lässt, kannst Du schon was bewirken. Du kannst Menschen motivieren, sich mal eine gute Wurst zu kaufen, mal was Gesundes einfach auszuprobieren.
Wie wäre Deine Fernsehsendung, wenn Du eine machen würdest?
(René Müller lacht) Ich hänge einfach eine Webcam in die Küche und zeige mal, wie es wirklich ist! Na gut, plus ein schönes Gericht zum Nachkochen, damit auch alle Zuschauenden abgeholt werden.
Was macht einen guten Küchenchef aus?
Gute Mitarbeitende.
Und was einen guten Arbeitsplatz in der Gastronomie?
Die Mitarbeitenden müssen sich wohlfühlen und sich auch ein bisschen verwirklichen können zwischen all der harten Arbeit. Sie sollten sich Gedanken machen dürfen, Freude haben und gerne zur Arbeit gehen – zumindest meistens.
Gibt es etwas, das Du Deinen Gästen gerne mal deutlicher sagen möchtest, als es üblich ist?
Nein. Lieber stelle ich mich gleich von Anfang an auf sie ein, frage sogar offen, was es kosten darf und stricke dann etwas Passendes zurecht. Es gibt bei mir zum Beispiel keinen fertigen Cateringkatalog.
Wie kommst Du runter nach viel Arbeit?
Meistens trinke ich ein Glas Wein in unserem Gärtchen hinterm Haus. Da ist ein Gemüse- und Kräuterbeet, ich kann den Bienen zuhören oder in der Erde wühlen.
Wenn Geld keine Rolle spielte – was würdest Du tun?
Eine Südsee-Insel kaufen! Nein Quatsch. Auf einen kleinen alten Bauernhof mit Pensionsbetrieb und Landwirtschaft hätte ich Lust. So richtig kitschig und wirtschaftlich unrealistisch, wie es in den Zeitschriften wie Landlust oder Landliebe dargestellt wird.
https://www.weissenstein-kassel.de