Warenkunde Meerrettich
Meerrettich oder Kren?
Der Meerrettich, lat. Armoracia rusticana, in Bayern und Österreich auch Kren genannt, ist mit dem Rettich (Raphanus) botanisch nicht direkt verwandt. Ungeklärt ist, ob er, wie man in Franken sagte, übers Meer gekommen sei oder das Meer vielmehr ein „Mehr“ vom lateinischen major ist, also großer Rettich, ob Kren von Chren von „Weinen“ kommt oder eine Verkürzung einer slawischen Wortform für Wurzel ist. Sicher ist aber, dass er ein Gesundheitswunder ist, das es im Jahr 2021 mit seinen antiviralen, entzündungshemmenden und antibakteriellen Eigenschaften sogar zur Auszeichnung „Heilpflanze des Jahres“ gebracht hat und man ihn nicht umsonst Bayerische Zitrone oder Bayerisches Penicillin nennt. Unumstritten ist auch, dass er uns zum Weinen bringt und so die Atemwege frei macht, je frischer er gerieben wird, desto besser. Schon seit der Antike ist er als Heilmittel bekannt und hat seine Spuren in China und Ägypten, am Orakel von Delphi und einem Wandbild in Pompeii hinterlassen. Von Moldau aus soll er sich landwirtschaftlich durch slawische Völker in Nordeuropa verbreitet haben, in Russland und der Ukraine gibt es auch noch wilde Formen. In Deutschland sind die wichtigsten Anbauregionen der Spreewald, Franken und die badische Region, aber auch um Erfurt und Hannover wird er inzwischen kultiviert. In Österreich liegen die Süd- und Oststeirischen Gebiete mit 4000 Tonnen an der Spitze, hier sogar mit geschützter geografischer Herkunftsbezeichnung „Steirer Kren g.g.A.“ Im deutschsprachigen Süden gibt es ihn frisch gerieben zu Tafelspitz und Knackwürsten in Kombination mit Senf und Essig, zur Jause, zu Eintöpfen und Gesottenem. Im Norden ist er - wenn auch eher als milde Crème aus dem Glas, zum Räucherfisch beliebt, in Polen geht er gerne Liaisons mit Roten Beten ein.
Nur die Harten…
Er ist ein Überlebenskünstler – vielleicht ist er deshalb so heilkräftig. Sein oberirdisches, haarloses Grün kann zwischen einem halben und 2 Metern groß werden und ist in jungem Stadium auch essbar. Im Salat, als Pesto oder fein geschnitten und gedünstet bringt es einen frischen Schärfeakzent auf die Teller, bei größeren Blättern sollte deren Mittelrippe entfernt werden. Den kommerziellen Hauptteil macht aber sein Überdauerungsorgan, die bis zu 40 cm lange und 4 – 6 cm dicke, archaisch anmutende Pfahlwurzel aus, die Temperaturen bis zu 50°C unter Null überleben kann. Vermehrt wird sie nicht über Saatgut, sondern über die Rhizom-Auswüchse, Fechser genannt, die nach der Ernte im Herbst, ausgesucht und schräg wieder ausgepflanzt werden, was Erfahrung und Fingerspitzengefühl bedarf, denn sie darf weder zu steil in der Erde liegen, noch zu flach, um eine möglichst dicke, symmetrische Wurzel auszubilden.
Der Anbau im eigenen Garten ist möglich, sofern man einen guten, feuchten Boden hat, denn der Meerrettich ist ein Starkzehrer. Sinnvolle Partner im Beet sind Kartoffeln, denn der Kren hält den Kartoffelkäfer fern – Knoblauch dagegen hilft dem Meerrettich, resistent gegen Pilzerkrankungen zu bleiben. Vermeiden sollte man die Nachbarschaft mit Kohl, Rettich, Rüben und Rauke, denn der Kren schätzt keine zu nahen Verwandten in seinem Revier. Und Achtung: ist er erst einmal im Boden, wird man ihn so schnell nicht wieder los, er wurzelt bis zu einem Meter tief und lässt sich nur stoppen, wenn man beim Ausgraben jeden noch so kleinen Fechser erwischt. Daher: beim Anbau im kleinen Stil lohnt sich die Installation einer Rhizomsperre. Für den Hausgebrauch: auch im Kübel ist der Anbau möglich – hierfür können Sie einfach das letzte Stückchen Kren aus der Küche in die Erde stecken – schon ein paar Wochen später wird frisches Grün sprießen, an dem man viele Monate im Jahr Freude hat. Hat man keinen Überwinterungsraum, überlebt der Meerrettich problemlos auf dem Balkon.
Wo kommen die Tränen her und was ist so gesund?
Scharf und tränentreibend sind die Senfölglycoside, die die Pflanze produziert, um sich selbst vor Fressfeinden zu schützen. Sie sind es auch, die den Kren antibiotisch, antiviral und antimykotisch machen. Sein Verzehr beugt Erkältungen vor und hilft – insbesondere in Kombination mit Kapuzinerkresse bei Harnwegserkrankungen, auch bei Bronchitis und Nebenhöhlenentzündungen ist die Wurzel ein seit der Antike bewährtes Heilmittel. Als harntreibende Substanz reinigt Meerrettich Nieren und Galle, er fördert Kreislauftätigkeit, Verdauung und die Leberfunktion. Äußerlich angewendet kann er als Umschlag Gicht und Rheuma lindern.
Neben den Senfölglykosiden, Kalium, Kalzium, Magnesium und Eisen, hat er K- und B- Vitamine in sich, punktet aber besonders mit seinem Vitamin-C-Gehalt, der bei fast doppelt so viel liegt, wie der einer Zitrusfrucht.
Und die Schönheit?
„Kren macht scheen!“ riefen die legendären Krenweiberln in ihren bunten Trachten, die zwischen Bamberg und Würzburg jahrhundertelang Hausierhandel mit Kren und anderen Gewürzen trieben. Tatsächlich soll sich Meerrettich in Form einer Tinktur oder gemischt mit Quark aufgetragen, positiv auf unser Hautbild auswirken, kleine, schlecht heilende Wunden und Insektenstiche heilen und sogar bei Warzen helfen. Aber Vorsicht mit den Schleimhäuten!
Charakter in der Küche
Der Meerrettich lässt sich nicht viel reinreden, denn er steht für sich. Mag er mit Senf und Kresse gut in einer Reihe gehen, je nach Speise auch mit Kümmel, Honig oder Knoblauch, ist und bleibt er, was er ist: eine harte, scharfe Wurzel, die frisch gerieben einfach am besten schmeckt. Zum Kartoffel-oder Wurstsalat, zu Sülze oder Ochsenmaul, zu Räucherfisch und Krabben, mit Brunnenkresse und Tomaten, über Salat und Rührei, zu Rübchen, gesottenem Fleisch, auf rohem oder blaugekochtem Fisch oder am allerbesten: auf dem Frischkäsebrot mit grobem Salz und Schnittlauch. Lagerung: Hat man viel, kann man die Wurzeln dunkel in Erde aufbewahren. Die Wurzel zur täglichen Verwendung hält sich ein paar Wochen ungeschält und sauber foliert im Kühlschrank. Auch einfrieren ist möglich, er wird aber dadurch nicht besser… also: Regelmäßiger Meerrettich essen!