Warenkunde Paprika

In der großen Paprikafamilie findet sich für jeden Geschmack etwas: milde Gemüsepaprika, pikante Jalapeños, extreme Habañeros und etliche Zwischenstufen. Warum besonders in Ländern nahe des Äquators scharf gegessen wird und vieles mehr, das weiß Luka Lübke.

Warenkunde 8 c Luka Lübke.jpgCapsicum – so lautet der wissenschaftliche Name der Paprikafamilie und ist abgeleitet vom griechischen Wort κάψα, was Kapsel bzw. Behälter bedeutet und sich auf die Form der Früchte bezieht. Doch es gibt noch viele andere Namen, und die Bezeichnungen sind sogar von Land zu Land unterschiedlich. Sagen wir in Deutschland (die) Paprika zum Gemüse und Peperoni zur Chili, heißt es in Österreich der Paprika und die Pfefferoni, in der Schweiz Peperoni und Peperoncini und in Spanien Pimiento und Pimienta, abgeleitet aus dem Wort für Pfeffer – auch das türkische Wort Biber hat diesen Ursprung. Nach Europa kam die Paprika mit Kolumbus, durch Vögel und Menschen breitete sie sich schnell als Schärfe-Alternative zu Ingwer, Pfeffer und Senf aus.

Über tausend Sorten gibt es, und immer mehr neue werden entwickelt. Zum Essen, für medizinische Zwecke oder einfach als Zierpflanze mit hübschen, vielfarbigen Schoten, die – streng botanisch gesehen – Beeren sind. Alle stammen von der mexikanischen Tepin ab, einer runden, erbsengroßen, sehr scharfen Wildform. Mexiko ist nicht nur ein Beispiel für die Sorten-, sondern auch für die Zubereitungsvielfalt der Paprika. Manche Sorten, wie die grüne Gemüsepaprika, aber auch die Jalapeño, werden unreif, also grün geerntet. Einige andere Sorten erhalten ihre besondere Stilistik erst durch Trocknung, je nach Darreichungsform ändert sich der Name der Chili mit. Unreife Ancho-Chilies heißen Poblano, getrocknete werden Mulato genannt. Verwendet man die Jalapeños nicht gleich grün, lässt man sie ausreifen und räuchert sie über Mesquiteholz, dann heißen sie Chipotle.

Dem Nervensystem wird eine Verbrennung vorgegaukelt

In ihrer Wildform wachsen Chilis meistens unter Bäumen – was den einfachen Grund darin hat, dass Vögel gern auf Bäumen sitzen: Diese verteilen mit ihrem Kot die Chilisamen. Die Schärfe kann den gefiederten Tieren nichts anhaben, denn sie haben keine Rezeptoren für Capsaicin, das Alkaloid, das für die Schärfe verantwortlich ist. Anders sieht das bei Säugetieren aus, sie meiden die Pflanze, weil sie die Schärfe im Maul spüren. Schärfe ist kein Geschmack, so wie süß, sauer, salzig, bitter oder umami, sondern ein Stoff, der dem Nervensystem eine Verbrennung vorgaukelt. Gemessen wird die Schärfe in Grad Scoville (SHU= Scoville heat unit), benannt nach dem Pharmakologen Wilbur L. Scoville. Der schrieb schon 1912 nieder, wie stark die Substanz mit Wasser verdünnt werden müsse, damit ein Mensch sie nicht mehr wahrnimmt. Inzwischen gibt es genauere technische Verfahren für die Messungen, doch die Maßeinheit blieb. Paprika ohne feststellbare Schärfe haben null Grad, die Habañero bringt es auf 350.000 SHU und reines Capsaicin entspricht 16 Millionen SHU.

Dem Stoff Capsaicin werden zahlreiche Heilkräfte zugesprochen, unter anderem bei Fieber und Infekten, Verdauungsstörungen und Muskelverspannungen. Die Chili stärkt Durchblutung und Immunsystem, kann den HDL-Cholesterinspiegel verbessern und hat eine starke antibakterielle Wirkung, was erklärt, warum sie aus fast keiner Tropenküche wegzudenken ist. Je näher ein Land am Äquator liegt, umso schärfer wird gegessen, vermutlich weil das durch Chili verursachte Schwitzen den Körper abkühlt. Und noch ein Inhaltsstoff ist bei allen Capsicum-Familienmitgliedern nicht zu unterschätzen: der Vitamin-C-Gehalt. Er ist nämlich bis zu dreimal so hoch wie bei Zitrusfrüchten – die rote Paprika zum Beispiel verfügt über 140 mg Vitamin C pro 100 g, die Zitrone liegt bei etwa 50 mg.

Capsicum wird einjährig kultiviert, obwohl es eigentlich eine mehrjährige Pflanze ist, die allerdings unsere kalten Winter nicht übersteht. An der Weltmarktspitze der Paprikaproduktion steht China, über 40 Prozent aller Paprika kommen von dort. Es folgen die Türkei, Indonesien und Mexiko, erst dann Spanien, Ägypten, USA und die Niederlande. Paprika kann auch im eigenen Garten angebaut werden, es gibt inzwischen auch viele kleine Sorten für Kübel und Balkonkästen, aus deren Ernte man sich einen Wintervorrat Schärfe trocknen oder auch einfrieren kann.

In den Weltküchen zu Hause

Weil Paprika als Gemüse und als Gewürz gleichermaßen viel Spaß macht, begleitet sie uns durch das ganze Küchenjahr, egal ob in einfacher Hausmannskost oder in der Haute Cuisine, wie in der des weltberühmten Kochs Auguste Escoffier. Der bekam von seinem ungarischen Kollegen Károly Gundel aus Szeged das scharfe Pulver nach Monte Carlo geschickt, wo es in Form von »Poulet au Paprika«, also Paprikahuhn, die Herzen der westeuropäischen Gourmets eroberte. In vielen Ländern der Welt gibt es scharfe paprikahaltige Würzsaucen: Sambal Oelek in Indonesien, Ajvar in Südosteuropa, Mojo auf den Kanaren, Harissa in Nordafrika, Sweet Chili Sauce in Thailand, Adschika im Kaukasus, Erös Pista in Ungarn und unzählige mehr. Auf dem Heimatkontinent der Paprika haben sich besonders die mexikanischen Salsas und Mole etabliert, auch eine fermentierte Würzsauce ist weder vom Markt noch aus dem Bar-Regal wegzudenken: Tabasco.

Aber auch als frische Schote ist die Gemüsepaprika in der Küche ein kulinarisches Powerhouse: roh, püriert, als warme oder kalte Suppe, als schnelles Stirfry, als Ratatouille oder Gulasch, auf der Pizza oder Quiche, als Sauce zu Fisch und Gemüse, als Antipasto, gefüllt als Hauptgericht, im Taboulé oder der Bowl, beim Ofenhühnchen mitgebacken oder im Salat. Und die kleinen, scharfen Chilis? Aromatisieren Öl, Butter oder Schnaps, machen sich in Spaghettisaucen mit oder ohne Fisch gut, peppen Eintopf und Risotto auf und wecken die Lebensgeister in jeder guten Suppe, egal ob Sie krank oder gesund sind. Und wenn es dann doch mal zu scharf geworden ist: Bloß kein Wasser trinken, das macht alles noch schlimmer. Ein Milchprodukt oder einfach Fett hilft, Capsaicin im Mund zu neutralisieren.

Bezugsmöglichkeiten

Paprika- und Chilipulver bzw. -saucen gibt es überall, aber auch in sehr unterschiedlichen Qualitäten. Wer es gut, sauber und fair mag, wird hier fündig.

Hier gibt es Paprika als Pesto, Paste, Chutney oder Pulver:

www.dinsesculinarium.de

Paprika edelsüß, farbenfroh, fruchtig, fair:

www.delidia.de

Produkte aus Serbien, Nordmazedonien und Bosnien-Herzegowina, bezogen von Manufakturen, die Arbeitsplätze für alleinerziehende Mütter, Langzeitarbeitslose oder Frauen mit Behinderungen schaffen:

www.biobalkan.info

Geräuchertes Paprikapulver aus Murcia (bio und fair), eingelegte Piquillo-Paprika aus der extremadura und andere Köstlichkeiten aus oder mit Paprika gibt es hier:

www.laperladelgusto.de

Edelsüßes, rosenscharfes und geräuchertes Paprikapulver, Bio-Qualität, in Klein- und Großpackungen:

www.azafran.de

Wenn es mal schnell gehen muss, gibt es gegrillte Paprika im Glas:

www.rapunzel.de

 

 Textquelle: Aktuelles Slow Food Magazin

 

 

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