Warenkunde Knollensellerie
Der Sellerie, lateinisch Apium graveloens, im Volksmund auch Eppich oder Zeller genannt, ist zwischen all den Superfoods und wiederentdeckten alten Sorten nicht gerade ein Trendgemüse, denn irgendwie war er immer da. Und er hat eine lange Geschichte. Aus Europa kommend erfreut er sich heute auch in Indien, Afrika und Westasien wachsender Beliebtheit. Ob es wegen seines Geschmacks ist, wegen der Vielzahl der ihm zugeschriebenen Heilkräfte oder seinem Ruf als Viagra der Pflanzenwelt, sei dahingestellt, aber im Gegensatz zum unspektakulären Schattendasein im Suppengrün, ist er, was Gesundheit angeht eine schillernde Persönlichkeit.
Begonnen hat es bei den alten Griechen. Paracelsus zitiert ihn gegen Blähungen, Hippokrates als harntreibend, Dioskurides als Mittel gegen Melancholie. Bei Homer wächst er zwischen den Veilchen von der schönen Nymphe Kalypso, die es schaffte, Odysseus sieben Jahre lang auf ihrer Insel zu verstecken und das nicht, um gute Gespräche zu führen. Hildegard von Bingen verschrieb Sellerie zur Magenreinigung, bei Tristan und Isolde war er wichtiger Bestandteil des berühmten Liebeselixiers.
All das lässt Raum für Spekulationen, erwiesen sind dennoch eine Menge seiner Heilkräfte: Er entschlackt und fördert die Verdauung, ist also gut zum Abnehmen. Sein Kaliumgehalt wirkt harntreibend, außerdem enthält er Eisen, Kalzium, Carotinoide. Phosphor und die Vitamine B und C. Er wirkt antientzündlich, unterstützt die Funktion von Leber und Niere, fördert die Gallensaftproduktion und hilf dadurch, besonders in Form frischen Saftes, Gifte auszuleiten. Auch den Blutdruck soll er senken können, denn der sekundäre Pflanzenstoff Phtalid entspannt die Muskulatur der Blutgefäße. Der Pflanzenfarbstoff Apigenin hilft dem Gehirn, neue Nerven-Zellverbindungen zu knüpfen und beugt so neurologische Alterserkrankungen wie Demenz vor und lindert Depressionen. Schon im Altertum wurde seine entzündungshemmende Wirkung gegen Gicht und Rheuma aber auch bei Blasen- und Nierenleiden eingesetzt, in dieser Rolle ist er in schon in ägyptischen Grabbeigaben zu finden.
Und was macht ihn jetzt zum Aphrodisiakum? Da kann man verschieden Theorien Glauben schenken: Sellerie enthält Androstenon, das männlichen Sexuallockstoffen gleicht, wie sie zum Beispiel in Achselschweiß vorkommen. Wohlgemerkt, als Mittel gegen sexuelle Unlust, muss das Gemüse hierfür roh sein! Eine weitere Theorie besagt, dass, wer rohen Sellerie kaut, im Mund Pheromone freisetzt, die dann über die Nase zu einem Erregungszustand führen, der wiederum den Körper Signale aussenden lässt, die den Essenden für Frauen attraktiver machen. Und nicht zuletzt ist sein Ruf wohl den Mythen und Zaubertränken zu verdanken, die um ihn ranken – für meinen Geschmack die appetitlichste dieser drei Thesen.
Anbau und Lagerung
Sellerie ist üblicherweise im ganzen Jahr erhältlich, geerntet wird er zwischen Ende Juli und Ende November. Dafür wird im März die Anzucht aus Samen angelegt, im Gewächshaus oder daheim auf der Fensterbank. Ins Freie dürfen die Pflänzchen erst nach Ende der Spätfröste, am besten in einen lockeren, Sand-und Lehmboden, möglichst humusreich, sonnig bis halbschattig. Damit der Sellerie nicht ausschießt, also all seine Energie in die grünen Pflanzenteile steckt, ist regelmäßiges Lockern und Gießen des Bodens unabdingbar. Gelagert werden kann Sellerie in Kisten mit Sand – dabei sollte der Knollenkopf etwas herausschauen. Im Kühlschrank und in Zeitung gewickelt hält er auch mindestens eine Woche. Sellerie sollte nicht länger als vier Jahre am Stück im selben Beet angebaut werden – um die Bodengesundheit zu erhalten, können zwischendurch Lauch oder auch Hülsenfrüchte gepflanzt werden.
Raus aus der rustikalen Ecke!
Bis in die frühen Neunziger Jahre hinein galt das Sellerieschnitzel als Mittel der Wahl für einfallslose Köche zum Zufrieden- oder zumindest Ruhigstellen ungebetener vegetarischer Gäste – heute ist das erfreulicherweise anders, viel hat sich getan in den Köpfen und Töpfen.
Der Sellerie ist ein salonfähiges Beispiel für die Vielfalt der Verwendungsmöglichkeiten von Gemüse in der Küche, denn er schmeckt roh oder gekocht, auch die Schale und die grünen Blätter kann man verwenden. Die Blätter können feingehackt als Aufstreu oder zu einem Pesto verarbeitet werden. Die gewaschene Schale kann entweder gleich mit kaltem Wasser zu einem Fond angesetzt werden, der für Suppen und Saucen gut ist, aber auch um beispielsweise Reis darin zu kochen.
Auch bei den Garungsarten sind die Möglichkeiten grenzenlos. Roh geraspelt mit Äpfeln und Nüssen als Salat, gekocht im cremigen Kartoffelstampf. Als Twist fürs Gratin, im Ganzen in der Schale gebacken oder aus der Glut als Pulled Sellerie, als feine Julienne aus dem Wok mit Soja und Limette, mit anderen Rüben und Kartoffeln um Wintereintopf mit oder ohne Speck, feingewürfelt im Risotto oder anderen Getreiden, als Saft, als Curry in Kokosmilch, als Smoothie oder sogar als Sorbet mit apfeliger Säure. Sellerie harmoniert gut mit Säure, Schärfe und Frucht, gerade für Sellerie-Skeptiker lohnt sich, mal die Fantasie spielen zu lassen und aus der rustikalen Ecke herauszudenken. Das hat auch Chef Alliance Köchin Nele Witt auf den folgenden Seiten gemacht und sich eine Quiche, ganz und gar unrustikale Rösti und sogar Pommes Frites aus Sellerie für uns kreiert.
Ein Tipp für zu Hause:
Saubere Sellerieschale, die nicht sofort gebraucht wird, kann in feine Streifen geschnitten auf der Heizung, in der Sonne oder in der Resthitze vom Ofen getrocknet werden und in der nächsten Brühe Verwendung finden. Feingemahlen werden die getrockneten Schalen zu einer selbstgemachten Würze – mit oder ohne Salz.