Warenkunde Spitzkohl
Sie ist ganz schön groß, die Kohlfamilie, und sehr vielfältig. Da gibt es die Zuchtsorten des Kopfkohls, also Weißkohl, Rotkohl, Wirsing und Spitzkohl, deren verzehrbare Teile aus den Blättern des gestauchten Sprosses bestehen. Beim Grün- und Palmkohl werden ebenfalls die Blätter verzehrt, beim fast vergessenen Markstammkohl die Blätter und der nach oben hin sehr zarte Stamm, beim Kohlrabi die verdickte Sprossachse. Beim Blumenkohl (Karfiol), Brokkoli und Rosenkohl dagegen essen wir die Blütenstände.
Alle Sorten stammen vom Wildkohl ab, der einst in felsigen Regionen und Gebirgszügen rund ums Mittelmeer den Menschen als bitteres, gesundes Gemüse diente und in vielen Ursprungsgebieten, zum Beispiel auf Kreta, auch heute noch wächst. Sogar bis zur Nordsee hat er sich durchgeschlagen – umstritten ist, ob in seiner Urform oder als einer der ersten Züchtungen des Brassica olearacea, wie der Kohl in seiner lateinischen Bezeichnung heißt. Ein Beispiel dafür ist der bittere Helgoländer Klippenkohl, der mit seinen krausen dunkelgrünen Blättern heute weniger als kulinarische Delikatesse gilt, dafür aber mit seinen gelben Blüten die felsige Landschaft überzieht und so zu einem Wahrzeichen der Insel geworden ist. Kühe, Schafe und Schnecken lassen ihn sich schmecken, Bestäuberinsekten wie Hummeln und Bienen finden in ihm eine wichtige Nahrungsquelle.
Wer nun immer noch denkt, Kohl sei etwas besonders Deutsches, der werfe einen Blick auf die jährlichen internationalen Produktionszahlen: Ganz vorn liegen China mit 34 480 155 Tonnen und Indien mit 9 560 000 Tonnen. Betrachten wir Europa, teilen sich Deutschland (733 280 Tonnen), Polen (726 400 Tonnen) und Rumänien (458 640 Tonnen) die Spitze. Allerdings heißt der Kohl im Süden Deutschlands »Kraut« – zumindest beim Weiß-, Rot- und Spitzkohl.
Unkomplizierter Anbau
Der Spitzkohl, der auch Sommerkohl genannt wird, ist die früheste, zartblättrigste Sorte der Kopfkohl-Familie. Seine blassgrünen Blätter sind dünn und dicht zu der konischen Form gewickelt, der er seinen Namen verdankt. Er ist milder und verträglicher als andere Kohlsorten, braucht im Garten wenig Platz und wächst schnell zur Erntereife heran. Dennoch hätte ihm seine kegelige Form vor 20 Jahren fast den Garaus gemacht, denn im Gegensatz zu runden Kohlformen ist die industrielle Verarbeitung komplizierter und damit kostspieliger. Südlich von Stuttgart, in einer fruchtbaren Ebene mit dem Namen Fildern, haben sich Produzent*innen gemeinsam mit Slow Food Deutschland für den Erhalt des wunderbaren Traditionsgemüses stark gemacht und das Filderspitzkraut 2005 als Passagier in die Arche des Geschmacks aufgenommen. Die autochthone Spitzkohl-Sorte dient größtenteils der Sauerkrautproduktion. Seit dem 24. Oktober 2012 ist das Filderspitzkraut als geschützte geographische Angabe (g.g.A.) auch bei der EU verzeichnet. Bis heute achten die Erzeugerbetriebe dort auf den Erhalt des geliebten Krauts und stellen ihr eigenes Saatgut her. Für dessen Gewinnung wird die Spitze des Krautkopfes abgenommen und kreuzweise eingeschnitten, aus der so entstandenen Öffnung treibt dann die Blüte heraus.
Beim Anbau im eigenen Garten glänzt der Spitzkohl gleich mit mehreren Vorteilen: Der kleinste unter den Kopfkohlsorten braucht er erheblich weniger Platz als seine runden Artgenossen und eignet sich daher auch für kleinere Flächen. Er liebt lehmige und nährstoffreiche Böden, Sonne oder Halbschatten sowie eine gleichmäßige Bewässerung. Gute Beetnachbarn sind Spinat, Tomaten oder Sellerie; Senf, Meerrettich und andere Kohlsorten schätzt er eher nicht in seiner Nähe.
Die erste Pflänzchen des Jahres können, je nach Sorte, bereits im Januar oder Februar auf dem Fensterbrett oder im Gewächshaus angezogen werden. Nach dem Auspflanzen im März und dem damit einhergehenden Schutz vor Spätfrösten werden schon im Mai die ersten Köpfe geerntet – im Schnitt braucht ein Spitzkohl 100 Tage von der Aussaat bis zur Ernte. Spätere Sorten werden vom Frühling bis in den August hinein direkt ins Freiland gesät, ein bis zwei Zentimeter Tiefe genügen. Haben die Pflanzen etwa einen halben Meter Abstand zueinander, können sie perfekt entwickeln.
Wie alle Kohlsorten füllt der Spitzkohl mit nur 20 Kilokalorien pro 100 Gramm den Magen, seine Ballaststoffe sorgen für eine geschmeidige Verdauung. Beim Versuch, Kilos zu verlieren, kann Spitzkohl so ein guter Partner sein. 200 mg Zink pro 100 g Gemüse halten Erkältungen fern, bioaktive Substanzen wie Sulfide, Flavonoide und Carotinoide wehren freie Radikale ab und schützen so die Zellen, Vitamine und Senföle hindern Harn- und Atemwegsinfekte an ihrer Entfaltung.
Multitalent in der Küche
Spitzkohl ist der Kohl für Menschen, die Kohl eigentlich nicht mögen, denn er ist feiner, zarter, milder und verträglicher als seine runden Verwandten und daher für schnelle, schonende Zubereitungsarten optimal. Gleichzeitig ist er aber, wie auch die robusteren Kohlarten, fermentier- und dadurch lagerbar.
Seine knackigen, feinen Blättern eignen sich für vielerlei Salate – vom klassischen Krautsalat mit Kümmel, Öl und Essig bis zu orientalischen Varianten mit Kumin, Salzzitronen, Granatäpfeln und viel Petersilie. Er schmeckt cremig als Coleslaw; fein geschnitten und kurz in Butter geschwenkt zum Kartoffelstampf; mit Speck knackig heiß gebraten als frische Krautfleckerl-Variante; aus dem Wok mit Sojasauce, Sesamöl und anderem Gemüse; als Roulade gefüllt mit Fleisch, Fisch oder Getreide; in der Bowl, auf dem Sandwich oder Taco; im Risotto, als Nudelfüllung oder als herzhafter Bestandteil von Flammkuchen: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
In der Haltbarkeit liegt wohl sein einziger Nachteil im Vergleich zu seinen runden Artgenossen. Ist er einmal angeschnitten, sollte man ihn in einem feuchten Tuch im Kühlschrank lagern und innerhalb weniger Tage verbrauchen. Für einen kleinen Haushalt kann das herausfordernd sein, wenn nicht jeden Tag Spitzkohl auf dem Speiseplan stehen soll. Das Einfrieren ist im rohen Zustand keine gute Idee, denn er würde beim Auftauen matschig. Fermentiert dagegen ist der Spitzkohl mehrere Wochen haltbar.
Sauerkraut selbst machen: So geht´s
Zum Fermentieren sind nur drei Zutaten notwendig: fein geschnittenes Kraut, naturbelassenes Salz (10 g auf 1 kg Kraut) und ein Höchstmaß an Sauberkeit. Das Grundprinzip besteht im kräftigen Verkneten oder Stampfen von Kraut und Salz in einem großen, sauberen Behälter mit dem Ziel, dass die Faserstruktur aufbricht und möglichst viel Flüssigkeit austritt. Neben Salz können in diesem Prozess auch schon Gewürze oder anderes, feingeschnittenes Gemüse zugegeben werden – je nach gewünschter Geschmacksrichtung. Früher wurde dieses Stampfen, wie bei der Weinmaische, mit den Füßen gemacht. Das gestampfte Kraut wird fest in sterile Gläser gestopft, sodass es mit Flüssigkeit bedeckt ist. Die Gläser werden so verschlossen, dass das Kraut noch Sauerstoff bekommt. Nun darf es mindestens eine Woche reifen. Sobald es keine Blasen mehr wirft, ist es genießbar.
Verwendung: einfach so als Salat, geschmort mit Zwiebeln, Äpfeln und Majoran, auf der Quiche mit Kartoffeln und Frischkäse, mit Haxe oder Wurst, ums Fischfilet gewickelt, mit Getreide kombiniert, als Suppe, im Gulasch, als Auflauf oder mal als Burger-Zutat.