Warenkunde Schwarzkohl

Schwarzkohl oder Grünkohl, wer war zuerst da? Dass beide vom ursprünglich am Mittelmeer wachsenden Wildkohl stammen, ist sicher. Luka Lübke, Mitglied der Chef Alliance von Slow Food, hat sich dem Schwarzkohl gewidmet, der bei uns – im Gegensatz zum norddeutschen Grünkohl – gerade erst entdeckt wird.

So mancher Foodtrend, der in den letzten Jahren als »Der letzte Schrei« aus Amerika herüberschwappte, hat zum selbstverständlichen Alltag unserer Urgroßmütter gehört. »Clean Eating«, »Low waste cooking«, »Leftover management«, »Meal prepping«, »Detox« oder eben »Kale«. Alles ganz normal. Während wir hier in den 1990er-Jahren unseren Grünkohl noch mit proletoider Fresskultur, dem einzigen Argument an die frische Luft zu gehen (weil es an jeder Ecke einen Klaren gab), schwer verdaulichen Fleisch- und Wurstbergen und dem Song »Tanze Samba mit mir« assoziierten, haben die Menschen in New York und umzu den grünen Kohl für sich als Gesundheitswunder entdeckt. Inzwischen ist es dort ebenso uncool, ihn nicht zu mögen, wie es hier uncool ist, ihn zu mögen.

Wiederentdeckt!

Das kann sich jetzt ändern. Denn wir haben den Schwarzkohl wiederentdeckt, von dem behauptet wird, er sei die Urform unseres Grünkohls. Der Kreuzblütler Schwarzkohl (Brassica oleaca var. Palmifolia), der auch Feder- oder Palmkohl, Toskanischer Kohl oder »Cavolo Nero« genannt wird, wurde im 18. Jahrhundert als eine der vielen Formen des Grünkohls aus dem Wildkohl entwickelt, der ursprünglich rund ums Mittelmeer wuchs. Eine beliebte und traditionelle Schwarzkohlsorte ist heute noch »Nero di Toscana« aus Italien.

6.pngDie Norddeutschen, insbesondere die Oldenburger und die Bremer (hier gibt es Aufzeichnungen zu rituellen Kohl-Essen schon von 1545), werden nicht müde, darüber zu streiten, welche der beiden nun die Hauptstadt der Grünkohlkultur sei, der in Bremen Braunkohl heißt. In der kalten Jahreszeit tummeln sich hier auch heutzutage Horden von Menschen auf Deichen und in Marschlandschaften zu Trinkspaziergängen, die in einem fulminanten Festmahl mit Musik und Tanz münden, bei dem jedes Jahr auch eine Kohlkönigin und ein Kohlkönig gekürt werden. Grünkohl sollte erst spät und bei kühlen Temperaturen geerntet werden, Frost ist jedoch für den Zuckeranteil im Gemüse nicht nötig, so wie es Generationen zu wissen schienen. Anders ist das beim Schwarzkohl, der üblicherweise schon ab September geerntet werden kann. Am beliebtesten ist er in Italien, aber immer mehr deutsche Landwirte finden Gefallen an der dunkelgrünen Schönheit. Er schmeckt milder als Grünkohl, nicht so streng kohlig, sondern nussiger – in Richtung von Mangold oder Spinat.

Pflanze und Gesundheit

Der »Cavolo Nero« ist eine zweijährige, krautige Pflanze, die keinen Kopf ausbildet, sondern wie eine Palme in die Höhe wächst. Daher hat er seinen Namen Palmkohl. Seine bis zu 80 Zentimeter langen Blätter sind schwarzgrün und blasig, etwas glatter als beim Grünkohl. Auf unseren Feldern lässt man ihn etwa einen Meter groß werden, in der Natur kann die Pflanze aber bis zu drei Metern hoch werden – früher machte man aus seinem leichten Holzstamm elegante Spazierstöcke. Der Anbau zu Hause, ob im Freiland oder in Kübeln, ist möglich, am besten an einem sonnigen Ort ohne Wind. Pflückt man nur die jungen Blätter von unten nach oben, kann man fast ganzjährig ernten, wichtig ist dabei, das Herz stehen zu lassen. Kommt der Winter und ist noch zu viel Grün an der Palme, kann man die Blätter entstrunken, blanchieren und gut verpackt einfrieren.

Seinem Ruf als Gesundheitswunder wird der ballaststoffreiche Schwarzkohl allemal gerecht, wenn wir uns die Nährstofffakten ansehen: Er ist kalorienarm mit 45 kcal, enthält nur 0,2 Gramm Fett pro 100 Gramm, dafür aber mehr Vitamin C als Paprika, Magnesium, Kalzium, Beta-Carotin, Eisen, Vitamin K1 und B-Vitamine. Durch seinen hohen Antioxidantien- und Mikronährstoffgehalt gilt er als entzündungs- und krebshemmend. Voraussetzung dafür ist nur eines: eine schonende Garung. Stundenlanges Kochen in Wasser zerstört, wie bei allen Gemüsen, die wertvollen Inhaltsstoffe. Daher gilt: je kürzer desto gesünder! Gegen die gefürchtete blähende Wirkung von Kohl im Allgemeinen hilft die Zugabe von etwas Anis, Fenchel oder Kümmel.

In der Küche

Als ehemaliges Arme-Leute-Essen kommt er in die italienische »Ribollita«, einen Eintopf aus Kartoffeln, Bohnen, Schwarzkohl und geschichtetem Weißbrot. Auch Portugal hat ein Schwarzkohl-Nationalgericht: die »Caldo Verde« (Grüne Brühe), als deren Basis Zwiebel, Knoblauch und Kartoffeln angeschwitzt und zusammen mit einer Schweinswurst gekocht werden. Erst am Ende kommt der feingeschnittene Schwarzkohl dazu, damit er noch Biss hat. Serviert wird sie klassisch mit einem Schuss Olivenöl und einer Scheibe Maisbrot. Den Schwarzkohl einfach wie traditionellen Grünkohl mit Grützwurst und Speck zu schmoren, liegt nahe und ist ebenfalls köstlich.

Aber es geht auch moderner, der Fantasie der Zubereitungsmöglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt: kurz blanchieren, junge Blätter wie Spinat in ein paar Tropfen Öl zusammenfallen lassen, fermentieren, dünsten oder backen, in der Suppe oder im Risotto, auf der Quiche, roh und feingeschnitten und gestampft als Salat, als Päckchen für eine Füllung aus Getreide oder heiß im Wok geschwenkt mit Sesam. Als Beilage mit Nüssen und Parmesan, als Pesto, als Antipasto in Kombination mit Dörrtomaten oder Anchovis, sogar mit süßen Elementen wie Rosinen oder Trauben macht er eine gute Figur. Den »Green Smoothie« dürfen wir hier keinesfalls vergessen (wer’s mag) und die Kale-Chips! Mit oder ohne Öl, gewürzt, gesalzen oder einfach so, kann man den gezupften Kohl (die dicke Blattrippe muss dafür raus) bei 160 °C einfach ein paar Minuten im Ofen als knusprigen Snack backen.

Inhaltspezifische Aktionen