Warenkunde Spargel
ASPARAGUS OFFICINALIS – Kulinarischer Frühlingsbote
ασπάραγος [griechisch]: junger Trieb
Spargàein [attisch]: strotzen, geschwellt sein
Kuşkonmaz [türkisch]: wo der Vogel nicht drauf sitzen kann
Herkunft
Wie einst die Rote Bete zunächst als Färbemittel und der Senf als Aphrodisiakum zu uns nach Mitteleuropa kamen, hatte auch der Spargel seine erste Karriere nicht als Lebensmittel, sondern als Arznei. Das ursprünglich aus Vorderasien stammende Wildgemüse galt bei den alten Griechen als harntreibendes, giftausleitendes Naturheilmittel. Erst die Römer brachten ihn, noch in grüner Form in unsere Klostergärten, wo er sich vom Medizinkraut in ein Trendgemüse für Wohlhabende verwandelte. Der heute beliebte Bleichspargel wird erst seit dem 19. Jahrhundert bei uns gezüchtet und als Delikatesse gehandelt. Seine Heilkräfte hat er dadurch nicht verloren, sein Verzehr gilt nach wie vor als Frühjahrskur, denn seine Inhaltsstoffe helfen uns, die über den Winter angesammelten Schlacken aus dem Körper zu schwemmen. Mit seinem Kaloriengehalt von 150 g pro Kilogramm gilt er als leichtes, gesundes Lebensmittel – wobei sich diese Theorie bei der klassischen Zubereitungsart mit viel Butter und Kartoffeln in den Schwanz beißt. Dennoch machen ihn sein Gehalt an Ballaststoffen, sekundären Pflanzenstoffen, E- und B-Vitaminen, Phosphor, Magnesium, Kalium und Eisen zu einer der nährstoffreichsten Gemüsesorten. Nicht zuletzt sind es aber seine verdauungsfördernden Bitterstoffe und die nach ihm benannte Asparaginsäure, die die Harnwegstätigkeit anregt, die ihn zum Frühlingswundergemüse machen.
Mythologie
Schon die Bildreiche Namensgebung deutet darauf hin, dass ihm eine luststeigernde Wirkung zugesprochen wurde, die bis heute niemand wissenschaftlich belegt hat. Während den Römerinnen deshalb der Genuss von Spargel untersagt war, nutzten ihn die Griechinnen als Amulett zur Empfängnisverhütung. Besonders schön beschreibt das Gemüse sein türkischer Name Kuşkonmaz als etwas senkrecht Emporwachsendes, wörtlich übersetzt: Wo der Vogel nicht drauf sitzen kann.
Biologie und Anbau
Die Spargelpflanze (asparagus officinalis) ist ein mehrjähriges krautiges Gewächs aus der Gattung der Liliengewächse mit gelben Blüten und roten, giftigen Früchten. Der Teil, den wir essen, sind die unterirdisch wachsenden Triebe des Spargelrhizoms. Die Pflanze Spargel ist anspruchsvoll, weil sie schon vor der ersten Ernte drei Jahre sorgfältiger Pflege bedarf. Kommerziell angebaute weiße Sorten heißen Baklim. Cumulus, Raffaello oder Ramires, allesamt neue Züchtungen aus den Niederlanden. Es gibt aber auch alte Sorten, die inzwischen wieder Liebhaber finden, sie tragen Namen wie Ruhm von Braunschweig, Eros, Huchels Alpha oder Schwetzinger Meisterschuss. Ihre Zellwände sind nicht so dünn wie die der modernen Sorten, das macht sie weniger anfällig für Pilz- und Insektenbefall. Sie sind zwar aromatischer und enthalten mehr Bitterstoffe als die Neuzüchtungen – trotzdem haben sie kaum eine Chance am Markt, denn die Pflanzen sind weniger ertragreich und die Stangen eher krumm, das ist nicht nur aus der Mode geraten, sondern auch unpraktisch beim Transport.
Grüner und weißer Spargel unterscheiden sich nicht in der Sorte, sondern lediglich darin, dass der grüne Spargel oberhalb der Erde geerntet wird und sich durch das Tageslicht Chlorophyll bilden konnte. Weißer Spargel dagegen wird gestochen, bevor er ans Tageslicht gelangt. Mit geschultem Blick wird jede unter einer Erdwölbung erahnte Spargelspitze mit bloßen Händen freigelegt, einzeln mit dem Spargelmesser gestochen und das entstandene Loch vorsichtig wieder geschlossen, um eine gute Bodenstruktur für den nächsten Trieb zu gewährleisten. Die Erntezeit ist kurz. Sie beginnt je nach Wetterlage etwa Ende April und geht nur bis zum Johannistag am 24. Juni. Nun muss sich die Pflanze erholen, um auch im nächsten Jahr eine gute Ernte bringen zu können. Darum sagt eine Bauernweisheit: Vor Johanni nicht vergessen, sieben Wochen Spargel essen!
Produktion
Deutschland ist Europas größtes Spargelanbauland. Um die hohe Nachfrage decken zu können, greifen Landwirte zu teils umstrittenen Methoden, um den Ertrag zu erhöhen und den Erntebeginn zu beschleunigen. Das geschieht meisten falls durch eine künstliche Beheizung der Spargelfelder und das Abdecken der Äcker mit Plastikfolie, die einerseits den Boden warmhält und andererseits vor direkter Sonneneinstrahlung schützt, die die ans Licht schauenden Köpfe des weißen Spargels erst violett und dann grün färben würde.
Auch zu den Arbeitsbedingungen der Erntehelfer gibt es kritische Stimmen, größtenteils sind es Menschen aus Osteuropa, die diese körperlich anspruchsvolle Saisonarbeit verrichten und sich mit ihr einen erheblichen Teil des Jahreslebensunterhaltes ihrer Familien sichern, manche schon seit mehreren Generationen. Die Arbeit im Spargelfeld und in den Sortieranlagen erfordert aber nicht nur hohen körperlichen Einsatz, sondern auch Erfahrung und Feingefühl. Dass sich das nicht innerhalb weniger Wochen aneignen lässt, haben in 2020 die Versuche gezeigt, fachfremde deutsche Arbeiter für die Feldarbeit zu begeistern – vielmehr aber noch, die Spargelbauern von der Arbeitsqualität dieser neuen inländischen Hilfsarbeiter zu überzeugen. Sicherlich gibt es – wie in allen Unternehmensarten auch unter den Landwirten schwarze Schafe, die an Wohn- und Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden sparen, das muss offen kritisiert werden. Aber es gibt auch viele Höfe, auf denen es traditionell familiär zu geht – hier geht es also beim Gemüsekauf nicht nur um das WANN, sondern auch das WOHER zu beachten. Ein Spargelboykott ist zwar eine Möglichkeit, auf Missstände aufmerksam zu machen, bestraft aber diejenigen Erzeuger, die im Sinne von „gut, sauber und fair“ arbeiten.
Verwendung in der Küche
Bei kaum einem anderen Gemüse sind wir Deutschen derart saison- und traditionsbewusst. Den ersten Spargel im Jahr essen wir meist klassisch. Die Stangen werde in Wasser mit Salz und Zucker gekocht, und mit Salzkartoffeln, gekochtem oder geräuchertem Schinken und einer warm aufgeschlagenen Buttersauce serviert. Leichte Küche ist das so freilich nicht - hier steht eher das Wohlbefinden und das rituelle Schwelgen in Kindheitserinnerungen im Fokus. Doch es gibt tausend andere Zubereitungs- und Kombinationsmöglichkeiten. Roh gebraten, gegrillt, als Salat mit Wildkräutern und Pfifferlingen, als Beilage zu Fisch, aus dem Wok oder mit Fruchtigem kombiniert, wie zum Beispiel dem Rhabarber, der zur gleichen Zeit erntereif ist.
Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Verwendung der Schale! Auch die, die sich von der klassischen Cremesuppe mit Mehlschwitze eher nicht faszinieren lassen, haben unzählige Verwendungsmöglichkeiten der kostbaren Gemüseschalen. Angefangen bei der klaren Suppe, dem Fond für Risotto oder Polenta, als Aromageber in der Hühnersuppe, über einen gekühlten-Detox-Drink, einen Sirup zum Aromatisieren von Schaumwein oder Limo bis hin zur Spargel-Panna-Cotta als Ergänzung zu frischen Erdbeeren.
Im Gegensatz zu den Spargelstangen, deren Konsistenz beim Einfrieren und wieder Auftauen leidet, macht es den Schalen überhaupt nichts aus, ein paar Monate gut foliert im Froster auf ihren nächsten Einsatz zu warten – so kann man Spargelgeschmack und Spargelgesundheit bis in den Herbst hin mitnehmen.
Dass der Spargel frisch ist, erkennen Sie entweder an der Schnittfläche, sie sollte glatt, leicht feucht und nicht fransig sein, oder daran, dass er quietscht, wenn Sie zwei Stangen aneinanderreiben.