Essen wie im Mittelalter

"Wie aßen die Herner im Mittelalter?
 
Eugen, unser Mitglied von „Eugens Tee- und Gewürzhandlung“ in Herne, hat recherchiert und einige verblüffende Dinge herausgefunden.
 
Es gibt Bilder, die suggerieren, daß man damals alle Tage so speiste: ganze gegrillte Schweine und Ochsen, endlose Mengen von Hühnern am Spieß etc..
Die Wirklichkeit war für das gemeine Volk, die Mehrzahl der Menschen, ganz anders. Es gab nur einfaches Kochgerät, Tontöpfe, die direkt ins Feuer gestellt wurden und in denen Getreidebrei, Suppen und Eintöpfe gekocht wurden. Jedes Essen hatte einen mehr oder weniger starken Rauchgeruch und war angebrannt. Die Reste blieben im Topf und wurden am nächsten Tag mit dem ergänzt, was gerade zur Hand war. Fleisch und Fisch wurden höchst selten gegessen, besonders gebratenes Fleisch, das reiner Luxus war. Wild war völlig dem Adel vorbehalten.
Gegen die Eintönigkeit des Essens wurden etliche Würzkräuter eingesetzt, nicht nur zur geschmacklichen Verbesserung, sondern auch wegen ihrer heilsamen Wirkung.
Im Mittelalter gab es hierzulande nur wenig Mittel, um Schärfe an das Essen zu bringen. Man lechzte geradezu nach scharfem Essen. Daher war Senfsaat ein überaus beliebtes Gewürz, Chillie und Paprika waren noch nicht "entdeckt" und Pfeffer war einfach zu teuer, er wurde sogar mit Gold aufgewogen. Senf dagegen wuchs auch in Mitteleuropa. Der gelbe Senf ist mild, der schwarze Senf scharf. Schon Hildegard von Bingen empfiehlt, Senfsaat mit Wein und kaltem Essig zu zerreiben, das ist der Vorläufer unserer heutigen Senfpasten.
Senfpasten, wie sie auch im Mittelalter hergestellt wurden, kommen heute z.B. aus Schwerte und Bergkamen. Damals gab es weder Aromaverstärker noch Konservierungs- oder Verdickungsmittel. Deshalb sind in den Senfen von Eugen solche Stoffe auch nicht enthalten. Man bzw. frau experimentierte sehr viel mit Aroma-Kombinationen. Schon damals gab es eine Fülle von Sorten.
 
Senfsuppe: in einem geräumigen Topf wird Dinkel, Zwiebel und Gemüse der Saison mit kaltem Wasser angesetzt. Je nach Wunsch wird eine Suppe oder ein dicker Eintopf gekocht. Erst, wenn die Gemüse weich sind, wird ein kleiner Teil der Brühe genommen, mit Senf nach Wahl verschlagen und wieder in den Topf gegeben. Brotscheiben, mit Knoblauch oder Zwiebel bestrichen und geröstet, werden auf die Suppe gelegt, so daß sie sich mit der Brühe voll saugen.
 
Bertram ist heute so gut wie vergessen. Das Kraut wächst wild in Deutschland, es wird die Wurzel verwendet, die ja nach Reifegrad bei der Ernte verschieden scharf ist und eine wärmende Wirkung im Körper hat und den Speichelfluss anregt und so hilft, auch schwere Speisen zu verdauen. Im Vergleich mit unseren heutigen scharfen Gewürzen ist Bertram milder, auch wirkt die Schärfe eher auf der Zungenspitze als hinten im Hals. Zugleich gibt Bertram noch einen „gemüsigen“ Geschmack.
Fleisch und Fisch wurden sehr selten gebraten oder gegrillt, sie wurden gekocht wie heute der Tafelspitz. Die Brühe wurde als Suppe getrunken und gerne mit Bertram gewürzt.
 
Ysop hat eine angenehm bittere, frische Note, was darauf hindeutet, daß er für Leber- und Gallenprobleme genommen wurde, so beschreibt ihn auch Hildegard von Bingen. Er ist ideal zur Würzung fetter Speisen und begleitet gern Beifuß und Fenchel, welcher zur Brechung der Bitterkeit hinzukommt. Gänse wurden früher auf Fett gemästet, entsprechend schwer verdaulich waren sie. Deshalb kam und kommt auch heute noch traditionell Ysop und Beifuß an die Gans.
 
Eine weit verbreitete Speise war die Meranda. Für die Meranda wurde altes, trockenes Brot mit Wasser, Bier oder Wein getränkt und dann weiterverarbeitet.
Zum Beispiel knetete man ein rohes Ei in der Meranda, gab gehacktes Ysop hinzu und formte Kugeln aus dem Teig. Diese ließ man in Fischsud ziehen.
Oder man ließ das Brot für die Meranda in Scheiben, streute Schwarzkümmel darauf und Käse und röstete die Scheiben am Feuer.
 
Schwarzkümmel war ein weiteres beliebtes Gewürz. Als Tee wirkte er magenberuhigend und gegen Blähungen. Wenn Käse gebraten oder gebacken wurde, kam auch Schwarzkümmel daran. Auch Brot wurde mit Kümmel gebacken. Spezielle Kümmelbrötchen wurden gegen Magenweh gegessen.
Scheiben von hartem alten Brot werden in Bier oder Wein gelegt, herausgenommen, mit Käse belegt und mit Schwarzkümmel bestreut, dann gebacken und heiß gegessen.
 
Eines der wenigen teuren Importgewürze war Galant. Galant ist interessant wegen seiner speziellen Art von Schärfe und Würze, die mit Süße wunderbar harmoniert. Noch heute wird im Bergischen Land ein Kräuterschnaps mit Galant gemacht, der am besten nach dem Essen genossen wird.
 
Eine andere beliebte Knabberei waren die sog. Tortellos: Getreide- oder Bohnenmehl wurde mit Gewürzen und Kräuter vermischt und mit Wasser zu einem Teig verarbeitet. Dieser Teig wurde zu kleinen münzgroßen Hörnchen geformt ( vergl. „Tortellini“) und in der Sonne getrocknet. Tortellos wurden im Sommer produziert und hielten sich bis in den Winter.
Je nach Art der Gewürze und Kräuter wurden sie bei Magenweh oder üblem Mundgeruch geknabbert oder einfach zum Spaß, weil sie lecker waren.
Getrocknete Bohnen wurden gerne zu Mehl verarbeitet. Zusammen mit zerriebenen alten Brot, Fenchel und Liebstock wurde ein leckerer nahrhafter Brei gekocht.
Wegen seiner leichten Verfügbarkeit wurde auch gerne mit Quendel gewürzt, dem wilden Thymian. Er wurde auch Lungenkraut genannt, womit auf seine beruhigende Wirkung auf die Atemwege hingewiesen wurde. Man trank gerne Wein, der mit Thymian angesetzt wurde.
Quendel wurde in Brötchenteig eingearbeitet und er wurde an die seltenen Fleischgerichte gegeben.
 
Fenchel durfte in keiner Küche fehlen, nach damaliger Überzeugung heitert er die Menschen auf, entsprechend häufig griff man zu Fenchel. U.a. wurde er im Brot eingebacken und konnte für alle schwere Speisen verwendet werden.
Feingeschabtes Hammelfleisch oder Wild wird mit gut zermahlenem Fenchelsamen, feingehacktem Knoblauch und Petersiliengrün und mit einem Ei zu kleinen Kugeln geformt, schwach gesalzen. Diese Kugeln lässt man in heißer Brühe ziehen oder brät sie in Öl aus, um sie dann auch kalt zu essen.
 
Wie eingangs geschrieben, war die Küche im Mittelalter davon geprägt, was verfügbar war. Frisches Obst und Gemüse gab es nur nach der Saison. Im Winter gab es das, was irgendwie haltbar gemacht worden war: durch Trocknung (Obst, Pilze, Bohnen Linsen usw. ), durch Alkoholvergärung (Früchte, Getreide), durch Milchsäurevergärung (Sauerkraut, grüne Bohnen). Pökelung war den Menschen vorbehalten, die das teure Salz bezahlen konnten.
Salz wurde insgesamt sparsam verwendet, auch Zucker war selten ebenso wie Honig. Gleichwohl hatten auch die Menschen des Mittelalters eine große Lust auf leckeres Essen und waren kreative Köche.
 

Jochen Hoss, Herne

 

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