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Slowfood und Kulturhautstadt 2010
Dieser Schneckentreff war mager besucht. Wahrscheinlich dachten viele, das Thema ist nicht neu und irgendwie abgearbeitet. Mitnichten! Diejenigen die kamen, diskutierten rege und selbst dem Autor wurde manches noch klarer.
Das Ruhrgebiet hat eine lange Küchentradition, ist aber besonders auch durch die massive Zuwanderung im Rahmen der Industrialisierung geprägt. Während in der vorindustriellen Zeit unsere Region von der bäuerliche Küche mit viel Gemüse und Getreide dominiert war, wurde danach die Kartoffel, ergänzt um Gemüse und - als Fleisch vornehmlich – Speck Grundlage der Ernährung. Auf dieser Basis integrierten sich die östlichen Zuwanderer in die westfälische, rheinische und bergische Küche. Das Ruhrgebiet war aber vornehmlich eine Küche der Arbeiter und damit recht einfach. Die meisten Gerichte jener Zeit sind Eintöpfe. Symbol ist der Topf am Rande des Herdes, in dem das Essen vor sich hin köchelt. Mit der Zuwanderung aus dem aus dem europäischen Süden kam zur germanischen Küchentradition die mediterrane.
Es gibt Lebensmittel, die bei uns in der Region deutlich häufiger eingesetzt werden, als in anderen Teilen Deutschlands. Es sind:
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Kartoffel, Stielmus, Dicke Bohne, Steckrübe, geschnippelte und saure Bohne
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Produkte vom Schwein, insbesondere Westfälischer Schinken, Speck, Panhas u.a., sowie Kaninchen
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Rollmops und Brathering
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Pumpernickel
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als Getränk: das Bier, in Form von Export bzw. Pils.
Durch die Einwanderungen kamen einige Produkte hinzu, die besonders gern bei uns im Ruhrgebiet eingesetzt werden, das sind: Rote Bete, Karpfen, und Lammfleisch.
Allein an diesem Warenkorb zeigt sich, dass sich bis heute bei uns im Ruhrgebiet eine traditionelle Küche behauptet hat und sich das Ruhrgebiet damit auch von anderen Regionen Deutschlands kulinarisch unterscheidet.
Im Zuge der Kulturhautstadt wird vermehrt über das Ruhrgebiet geschrieben.
Im Bereich des Essens ist das Urteil vernichtend: „miefige Kohlsuppen, Pommes rot-weiß und Dönerbuden“ … „kulinarische Langeweile...“.
Insbesondere vermisst man attraktive Gerichte und eine eigenständige hochwertige und (auch) besternte Küche. Will das Ruhrgebiet kulinarisch Aufmerksamkeit erregen, reicht es daher nicht aus, die traditionelle Küche zu betonen.
Ruhr.2010 hat das Essen als Kultur kaum entdeckt. Noch sind es vornehmlich wir, Slow Food Mittleres Ruhrgebiet, die sich damit beschäftigen. Wir sind in die wenigen Gespräche um die Ess-Kultur der Kulturhauptstadt eingebunden. Dabei geht es vornehmlich um einen Internetauftritt und eine Art Gastronomieführer.
Wir werden versuchen, Restaurants hervorzuheben, die traditionelle Rezepte und Gerichte bewahren. Wir setzen uns aber gleichzeitig auch für eine Küche ein, die Traditionelles in die Neuzeit überführt, sie leichter, feiner und genussreicher macht.
Auch die Beteiligung an diesem Scheckentreff zeigte, das traditionelle Küche auch für die meisten Slow Food Mitglieder wenig attraktiv und interessant zu sein scheint. Umso wichtiger ist es, der Region auf Basis der Tradition ein modernes, kulinarisches Profil zu geben und seine Menschen für regionale Küche auf neuer kulinarischer Ebene zu begeistern. Dabei wird es helfen, wenn die Spitzenküche die regionale Küche entdeckt und neue Kreationen auf Basis der traditionellen Küche entwirft. Dann wird die Presse auf unsere Region kulinarisch nicht länger herabschauen, unsere Region selbst wird ihre Tradition neu entdecken und schätzen lernen.