Augenlust?
Mit „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ – so der Titel einer hochspannenden Ausstellung – startete unser Convivium am 28. Januar ins neue Jahr. Ein Museumsbesuch als Slow Food-Veranstaltung? Was hat Malerei des sogenannten Goldenen Zeitalters in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts mit unseren Themen und den Slow Food-Prinzipien „gut-sauber-fair“ zu tun? Auf den ersten Blick wohl für unsere „Verhältnisse“ eine eher ungewöhnliche Auftaktveranstaltung! Es hatte sich aber schnell herumgesprochen, dass sich dieser Besuch im Rheinischen LVR Landesmuseum in Bonn wohl durchaus lohnen würde. Daher waren die 20 Plätze, die wir uns mit Freundinnen und Freunden aus dem Düsseldorfer Convivium teilten, kaum dass die Veranstaltung angekündigt war, auch schon vergeben.
Herzlich begrüßt wurden wir von Frau Dr. Alexandra Käss, der Kuratorin der Ausstellung „Augenlust?“, die uns schnell nahebrachte, dass „ihre“ Ausstellung sehr wohl Anknüpfungspunkte für Slowfoodies bot. Da war zunächst das experimentelle Ausstellungskonzept selbst: In nur fünf kleinen Räumen überraschend wenige Bilder zu zeigen, zeugte von Mut. Bewusst wollten die Ausstellungsmacher*innen die Besuchenden zur Langsamkeit, dem langen Verweilen und dem bewussten Wahrnehmen einzelner Exponate verleiten. Langsamkeit also, statt unseres oft zügigen, manchmal gar gehetzten Eilens durch die Säle großer Ausstellungen. Und natürlich die Gemälde selbst - wunderschöne Stillleben, einige frisch restauriert, in leuchtenden Farben, mit allergrößter Liebe zum Detail vor drei Jahrhunderten geschaffen - verdienen es, lange und eingehend betrachtet zu werden. Erst so lässt sich vieles erst wirklich ent-decken, erkennt man, mit welchen maltechnisch verblüffenden Fertigkeiten die Maler und sehr wohl auch Malerinnen jener Zeit arbeiteten, findet man zwischen opulenten Obstschalen und Blumenbouquets kleinste Insekten und Käferchern, entschlüsselt vielleicht Anspielungen und kleine Frechheiten oder erkennt das winzige, versteckt eingearbeitete Selbstportrait einer Künstlerin.
„Augenlust?“ war aber nicht nur Kunstausstellung. Und das Fragezeichen im Titel durchaus als Stolperstein gedacht. Alle Bilder wurden in einen historischen und ökonomischen Kontext ihrer Entstehungszeit gestellt und mithilfe von zahlreichen anderen Exponaten - Landkarten, Briefen, Alltagsgegenständen - kommentiert. Das Goldene Zeitalter – in Laufe der Führung wurde sehr bewusst vom „sogenannten“ Goldenen Zeitalter gesprochen – war auch die Zeit der gewaltsamen Kolonisierung, in der durch Kriege und Ausbeutung der indigenen Bevölkerungen aber auch durch krasse soziale Ungerechtigkeiten im eigenen Land die Schicht der Kaufleute und Seefahrer zu Macht und Reichtum gelangt waren. So legte das Ausstellungskonzept offen, dass ein mit exotischen Früchten reich gedeckter Tisch im 17. Jahrhundert zwar den Wohlstand der damaligen Wirtschaftselite regelrecht demonstrierte, die übergroße Mehrheit der Bevölkerung in den Niederlanden davon aber ausgeschlossen war, und der fast unermessliche Reichtum einiger in Wahrheit von den Menschen in den Ländern des globalen Südens erwirtschaftet wurde.
Nach dem Ausstellungsrundgang trafen wir uns noch einmal zum gemeinsamen Mittagessen im Restaurant DelikArt, das wie schon in den Jahren zuvor, auch in den neuen Slow Food-Genussführer 2023/24 aufgenommen wurde.