Archiv 2025
Berichte und Dokumente zu bereits abgeschlossenen Aktivitäten im Jahr 2025
Hier veröffentlichen wir in loser Folge Berichte von Veranstaltungen und weitere Dokumente, wie z.B. Rezepte
Produzentenbesuch und Werkstattgespräch FASANENBROT Vollkornbäckerei
Einer der wirklich wichtigen Punkte bei Slow Food ist, dass wir nicht vom Elfenbeinturm aus zusehen, nicht im Wolkenkuckucksheim schweben, sondern uns vor Ort ein Bild machen. Wir reden mit den Menschen, mit den Produzenten von Lebensmitteln, mit den Angestellten, wir sehen uns die Produktionsbedingungen an, die gesamte Situation vor Ort, inklusive des ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeldes. Und deshalb haben wir uns zu einem Produzentenbesuch und Werkstattgespräch bei der Fasanenbrot Vollkornbäckerei am Sonntag, den 23. Februar, aufgemacht.
Die Situation der handwerklichen Bäcker
Das BäckerHANDWERK steht unter Druck.
Erstens durch industrielle Großbetriebe. Gab es 1965 in der alten Bundesrepublik Deutschland noch 55000 Handwerksbäckereien, so war die Anzahl 2023 gesamtdeutsch auf 9242 Bäckereibetriebe geschrumpft! Der Konzentrations- und Industrialisierungsprozess hat auch vor den Bäckern nicht halt gemacht. Dabei hat der Verbrauch nicht abgenommen, sondern ist von 1965 mit 73 kg/Kopf Getreide (Mehlwert) auf 82 kg/Kopf in 2023 gestiegen. Zum Vergleich, der Kartoffelverbrauch ist im gleichen Zeitraum von 120 kg/Kopf auf 63,5 kg/Kopf gesunken.
Zweitens durch den Fachkräftemangel. So ging von 2016 bis 2023 die Anzahl der Beschäftigten von 273400 auf 235000 zurück. Noch drastischer sank die Anzahl an Auszubildenden, von 17874 in 2016 auf nur noch 9977 in 2023. Kritisch ist auch die Abbruchquote, die bei den Bäckerlehrlingen 23% und bei Bäcker-Fachverkäufer/innen 29% beträgt. Nachtarbeit oder frühes Aufstehen sind offensichtlich nicht besonders beliebt.
Drittens kommt hinzu, dass günstiges russisches Gas zum Backen seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine nicht mehr zur Verfügung steht. Was zu einer enormen Steigerung der Energiepreise geführt hat.
Um so erfreulicher ist es, dass es in den letzten Jahren auch eine Gegenbewegung gegeben hat. Brot selbst zu backen, ist beliebt geworden. Und es gibt eine Reihe von neuen, jungen Bäckereien, die richtig gutes, handwerkliches Brot und Gebäck herstellen. Auch wenn sie den generellen Rückgang nicht kompensieren können.
Fasanenbrot Vollkornbäckerei
Die Fasanenbrot Vollkornbäckerei wurde 1991 gegründet. Der Name kommt von ihrem ersten Standort am Fasanenplatz in Karlsruhe. Um unter sinnvollen Bedingungen wirtschaftlich wachsen zu können ist sie 2001 ins Industriegebiet nach Blankenloch im Landkreis Karlsruhe gezogen. Im Innenstadtbereich wären die Auflagen nicht zu erfüllen und die erforderliche Grundstücksgröße nicht bezahlbar gewesen. Die oben geschilderten, schwierigen Rahmenbedingungen treffen auch auf Fasanenbrot zu. Unter dem heutigen Eigentümer Sascha Beisel wird ausschließlich mit Bio-Rohstoffen gebacken. Fasanenbrot ist Bioland und demeter zertifiziert. So kommt Getreide aus mehreren Bio-Betrieben aus Deutschland und Frankreich. Mehl wird in der eigenen Getreidemühle täglich frisch gemahlen.
Andere Zutaten, z.B. die Möhren für das „Möhren-Kürbis“-Brot kommen regional vom Biolandhof Petrik aus Pfinztal und der Biertrester für das „Braune Kruste“-Brot von der Bio-Brauerei Fächerbräu aus Karlsruhe. Fasanenbrot hat zwei eigene Verkaufsstellen, Blankenloch und Durlach, und beliefert insgesamt 91 Kunden/Vertragspartner, von Bioläden bis hin zu Kantinen. Fasanenbrot beschäftigt 21 Mitarbeiter, darunter zwei Bäckermeister. Was in den beiden eigenen Verkaufsstellen in Blankenloch und Durlach übrig bleibt, wird nicht weggeworfen. Aus einem Teil werden Semmelbrösel und Knödelbrot hergestellt sowie der Tafel, foodsharing und der Karlsruher Kulturküche zur Verfügung gestellt.
Sascha Beisel und Stefan Dümler führen uns durch den Betrieb. Sascha Beisel ist selbst Bäckermeister. Stefan Dümler kommt ursprünglich aus einem landwirtschaftlichen Betrieb und ist nicht nur Bäckermeister. Er ist auch als Prüfer und Ausbilder engagiert, bei der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk, beim Meisterprüfungsausschuss, bei der DLG Preisverleihung. Wir haben also höchst erfahrene Ansprechpartner vor uns, die geballte fachliche und unternehmerische Kompetenz.
Insgesamt erzeugt Fasanenbrot 35 Brotsorten und Backwaren, von der Laugenbrezel bis zum Roggenmischbrot. Hinzu kommen Feingebäck und Kuchen. Es werden die Getreidesorten Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste, Hafer, Hirse und Kamut verwendet. Kamut ist eine altägyptische Urgetreidesorte. 32 der 35 Produkte enthalten Vollkornmehl, 20 davon sogar 100%. Nur bei drei Produkten ist es nicht möglich Vollkorn-Getreide und Mehl zu verwenden. Bio-Vollkorn nimmt also einen enormen Stellenwert ein. Wichtig dabei, es ist tatsächlich das volle Korn, also inklusive des Keimlings mit den wertvollen Inhaltsstoffen. Was üblicherweise als Vollkorn verkauft wird, ist nämlich nicht wirklich das volle Korn. Der Keimling wird meist entfernt, weil sich Mehl dann länger hält, nicht so schnell ranzig wird. Einer der Gründe, weshalb Fasanenbrot selbst täglich frisches Mehl aus Getreide mahlt.
22 Brote werden mit eigenem Sauerteig gebacken. Der wird fast täglich frisch mit Weizen- oder Roggenschrot und dem sogenannten Anstellgut angesetzt. Sauerteige enthalten Mikroorganismen, Hefen und Milchsäurebakterien, aus dem Anstellgut. Sauerteige machen Brote lockerer, verbessern den Geschmack und die Verdaulichkeit. Übrig gebliebener Sauerteig kann als Anstellgut verwendet werden, wenn man die Mikroorganismen bis zum nächsten Verbrauch durch Anfüttern aktiv hält. Gelegentlich wird neues Anstellgut mit einem frischen Satz an Hefen und Milchsäurebakterien erzeugt. Den meisten Menschen ist gar nicht bewusst, dass Brot, so wie Bier, ebenfalls ein fermentiertes, also durch Gärung erzeugtes Lebensmittel ist. Roggenteige werden erst durch Sauerteig überhaupt erst backbar.
Ohne Maschinen zur Unterstützung, wie Teigrührwerke, Teigportionierer und natürlich moderne, programmierbare Backöfen geht auch in einem handwerklich arbeitenden Bäckerbetrieb nichts mehr. So hat Fasanenbrot z.B. drei Teigrührwerke mit ganz unterschiedlichem Innenleben, je nach dem Teigtyp, der erzeugt werden soll. Unabhängig von der Arbeitserleichterung durch maschinelle Unterstützung, es bleibt immer noch reichlich Handarbeit übrig. Wer hätte gedacht, dass eine so einfach aussehende Laugenbrezel 20 Arbeitsschritte benötigt, viele davon von Hand! Reine Handarbeit trifft auch auf die Entwicklung neuer Produkte zu, die zunächst in kleiner Zahl produziert werden. Zur Zeit laufen Versuche Brote mit einem hohen Eiweißanteil mit Hilfe von Hülsenfrüchten herzustellen. Was nicht einfach ist, weil der Eigengeschmack von Bohnen, Erbsen, Linsen & Co stark ist und von den Konsumenten nicht goutiert wird. Immerhin gibt es bereits ein Low Carb Brot aus Sonnenblumen- und Kürbiskernen, Sesam, Leinsaat, Flohsamen, Lupinenmehl, Magerquark und Hühnerei.
Die Allermeisten von uns wollen morgens zum Frühstück ihr Brot oder Brötchen essen. Also müssen sie morgens um 6 Uhr in den Verkaufsstellen sein. Deshalb fangen bei Fasanenbrot die meisten Mitarbeiter bereits um 17 Uhr am Vorabend an und die ersten Lieferungen gehen gegen 1:30 nachts raus. Arbeitsbedingungen, die nicht jedem/r zusagen. Hinzu kommt Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit in den Backräumen. Fasanenbrot trägt dem Rechnung, indem eine effektive Klimaanlage, besonders im Sommer wichtig, für gute Luft sorgt. Die 5-Tage-Woche ist auch bei Fasanenbrot Standard. Aber prinzipiell bestünde die Möglichkeit bei Neueinstellungen individuell eine 4-Tage-Woche zu vereinbaren.
Wer eine derartige Führung mitmacht und sich an den intensiven Gesprächen beteiligt, gewinnt mit Sicherheit großen Respekt vor dem Einsatz, dem Wissen und der Erfahrung von handwerklichen Bäckern. Unsere Karlsruher Slow Foodies waren beeindruckt. Es muss wohl kaum erwähnt werden, dass uns die Feingebäcke, Brötchen und Brote, die wir probieren durften, sehr gut geschmeckt haben. Zum Schluss waren wir alle an Erfahrung und Wissen reicher und durften sogar noch je zwei frische Brote mitnehmen.
Ein sehr gelungener Produzentenbesuch!
Quellen:
Besuch der Fasanenbrot Vollkornbäckerei am 23. Februar 2025
Telefongespräch mit Sascha Beisel am 27. Februar 2025
Telefongespräch mit Sascha Beisel am 18. März 2025
https://fasanenbrot.de, abgerufen 15.03.2025, 23:15
https://www.baeckerhandwerk.de/zahlen-fakten, abgerufen 15.03.2025, 16:00
https://repositorium.uni-muenster.de/document/miami/bf47c6d6-fe9b-40b2-9404-2ef43777e3d4/1979_teute_verze.pdf, abgerufen 15.03.2025, 17:00
https://view.officeapps.live.com/op/view.aspx?src=https%3A%2F%2Fwww.bmel-statistik.de%2Ffileadmin%2Fdaten%2F4010500-0000.xlsx&wdOrigin=BROWSELINK, abgerufen 15.03.2025, 17:10
https://www.bmel-statistik.de/ernaehrung/versorgungsbilanzen, abgerufen 15.03.2025, 17:15