Die Kuh frisst Gras!
Eine Hochleistungsmilchkuh lebt nur fünf Jahre, bekommt in Relationen 1/3 vom Weideland (Gras), 2/3 vom Acker (Soja und Getreide) zu fressen, wobei sie letzteres nur zu 1/3 verwerten kann. Es entstehen pro Liter Milch drei Liter Gülle. Dadurch, dass wir Soja und Getreide
unter Abbrennen des Regenwaldes importieren, die Kuh hier Stickstoff pupst, importieren wir Stickstoff und haben das immer größer werdende Problem: Wohin mit der Gülle?
Dies ist vereinfacht unsere Ausgangslage bei einer industriellen Milchwirtschaft. Aber es geht auch anders!
Kühe sind in der Lage, Weideland, das uns Menschen nicht unmittelbar zur Ernährung dienen kann, in gute Lebensmittel zu wandeln.Die für den Menschen zu nutzenden hochwertigen Produkte wie Milch und Fleisch können so gewonnen werden. Bei einer weiteren Veredelung können wir diese, wenn z. B. Milch zu Käse verarbeitet wird, gut verdauen. Die Gülle von extensiv gehaltenen Rindern ist gut für die Bodengesundheit der beweideten Flächen, da sie den natürlichen Dünger bildet. Weideland fördert die Artenvielfalt, versteppte Landstriche
konnten mit Weidewirtschaft reaktiviert werden. Die so beweideten Flächen binden Stickstoff und Kohlendioxit im Boden. Daher ist eine flächengebundene Nutztierhaltung der minimale Ansatz, um Kuhhaltung und Gülle im ausgewogenen Verhältnis zu haben.
Da wir uns aber am Essen orientieren, möchten wir den kurzen Exkurs über die Bodengesundheit und das Klima verlassen und uns dem
Hauptprodukt der Milchkühe, der Milch, zuwenden.
Zu diesem Themenkomplex rund um die Milch hat Slow Food einige Veröffentlichungen herausgebracht. Neben dem Rohmilchmanifest
(2014), wurde auch ein 2017/2018 durchgeführtes und vom Umweltbundesamt gefördertes Projekt – eine „Milchstudie“ mit dem etwas
sperrigen Titel „Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft – Gute Praxisbeispiele für sozial-ökologisch innovative Betriebsformen“ (herunterladbar und nachlesbar unter www.slowfood.de/publikationen/broschueren) veröffentlicht.
Diese Studie zeigt eindringlich, wie wir als Verbraucher Einfluss nehmen können und sollten. Wie kommen wir aber zu einer guten, sauberen, fairen Milch? Wobei wir hier „nur“ die tierische Milch der Kuh betrachten wollen, die mit ihrer Fülle von Milch-Begriffen uns Verbraucher herausfordert. Da es so viele unterschiedliche Arten von Milch gibt, reden wir auch gerne von Milchen (Mehrzahl). Eine Fülle von verschiedenen Milchen, die sich unterscheiden nach der Art der Haltung (z. B. Heumilch), Verarbeitungsgrad (z. B. Rohmilch, Vorzugsmilch,
Frischmilch), Haltbarkeitsverfahren (pasteurisiert, hocherhitzt) und Konsistenzen (homogenisiert, traditionell hergestellt). Dabei sind einige Begriffe streng gesetzlich geregelt, andere eher unter Marketingaspekten zu betrachten.
Da gibt es das Urprodukt, die Rohmilch, die als Vorzugsmilch in den Handel gelangen darf. Hier muss sich der produzierende Betrieb sehr
strengen Regeln unterwerfen. Rohmilch ist auch ab Hof erhältlich, manchmal in sogenannten „Milchtankstellen“. Die Direktvermarkter und Vorzugsmilcherzeuger sind unter www.milch-und-mehr.de nachlesbar.
Die Heumilch entsteht, wenn die Kuh überwiegend Gras und (im Winter) Heu bekommt, und sie ist für den Verbraucher klar zu erkennen.
Anders ist es mit der Alpenmilch, die eine Herkunftsbezeichnung suggeriert, aber keinen Bestimmungen unterliegt.
Der Verbraucher sollte wissen, dass alle Milchen, mit Ausnahme der Roh- und Vorzugsmilch, behandelt sind. Sie werden zumindest pasteurisiert (kurzzeiterhitzt). Das ist auch der einzige Bearbeitungsschritt, den Slow Food als gut, sauber, fair akzeptiert. Bei der Homogenisierung wird eine standardisierte Milch hergestellt, da die Milch in ihre Bestandteile Magermilch und Rahm zerlegt und wieder zusammengesetzt wird - nach unterschiedlichen Fettgehalten in Vollmilch, teilentrahmte oder fettarme Milch. Nicht unsere Kriterien erfüllen
die H-Milch und die ESL-Milch (ESL = extended shelf life – „längere Haltbarkeit im Regal“), die sich zur Verbraucherverwirrung Frischmilch
nennen darf. Die ESL-Milch wird deutlich höher erhitzt als beim Pasteurisieren, aber weniger hoch als H-Milch (unltrahocherhitzte Milch).
ESL muss nicht auf der Verpackung deklariert werden, nur auf dem Haltbarkeitsdatum ist ablesbar, dass sie 21 Tage länger haltbar ist.
Und sollte die Milch zu verderben drohen, einfach mal nachsehen unter www.slowfood.de/aktuelles/2020/tipps-resteverwertung-vonmilchprodukten – hier hat Barbara Assheuer wunderbare Tipps gegeben, wie Trinkmilch zu Eiswürfeln mit Espresso oder Kakao oder zu
Joghurt- und Kefirspeisen wird und was mit noch nicht angebrochenen Sahnebechern passieren kann.
Damit beende ich an dieser Stelle die kleine Zusammenfassung über die Milchen. Es gibt eine Fülle zum Thema Milch zu recherchieren
(www.slowfood.de/slow_themen/milchvielfalt) und zu kommunizieren. Wir wollen uns diesem spannenden
Thema mit einer Veranstaltung am 23.7.2020 auf Gut Rothenhausen, einem demeter-Betrieb, nähern. So begeben wir uns auf den langen, aber genussvollen Weg zur Ernährungssouveränität.
Und nicht vergessen: am 25. September ist der Tag des deutschen Butterbrotes – nur auf einen nationalen Käsetag warten wir noch.