Convivium-Urgesteine

Was fasziniert einen Winzer, einen Gastronomen, ein Manager-Ehepaar und einen Weinhändler, einem Verein beizutreten und ihn 15 Jahre zu unterstützen – ohne quantifizierbare Gegenleistung?

Von Hans-Werner Bunz

In unserem Convivium sind Paul Fürst, Otto Geisel, Dr. Klaus-Dinkar Mapara, Heidrun und Adrian Schmucker und Hans-Ulrich Trebst jene mit der längsten Mitgliedschaft. Als sie im Jahre 1993 bzw. 1994 Slow Food beitraten, war Slow Food Deutschland noch „in den Windeln“. Ein Convivium in unserer Region zwischen Rhön und Schwäbisch Hall und zwischen Kulmbach und Aschaffenburg gab es noch nicht. Die wenigen existierenden Convivien siedelten in den Großstädten, z.B. in München, Nürnberg und Frankfurt.

Slow Food Deutschland e.V. war damals ein kleiner Verein mit Sitz in München und einigen Hundert Mitgliedern über ganz Deutschland verstreut. Die meisten waren entzückt vom italienischen Essen, den südlichen Weinen und von den italienischen Landschaften. Kurz: man war überwiegend italophil, und die meisten verstanden sich als Botschafter italienischer Lebenskultur in Deutschland. Mit dieser Einstellung wurde erst 1996 gebrochen: die Protagonisten dieser Fraktion unterlagen jener, die stattdessen die Slow Food Philosophie auf hiesige Verhältnisse und Kulinaria übertragen wollten.

Das erste Convivium in unserer Conviviumsregion gründete 1994 Otto Geisel, Hotelier und Gastronom in Bad Mergentheim: Das Convivium Hohenlohe-Tauber. Ein Jahr zuvor war er bereits mit seinem Hotel Firmenmitglied geworden (das gab es damals noch; heute können nur Menschen Mitglieder werden).

? Herr Geisel, warum traten Sie 1993 Slow Food bei?

! Ich habe Carlo Petrini kennen gelernt und war angesteckt von der Idee. Ich fand es wichtig, diese Idee zu unterstützen und bin deshalb als Firmenmitglied beigetreten.

? Was bewog Sie, 1994 das Convivium Hohenlohe-Tauber zu gründen?

! Wieder war es eine Reise nach Italien, bei der ich den konkreten Wunsch spürte, dass Slow Food nicht nur in den großen Städten mit einem Convivium vertreten sein sollte, sondern auch in der ländlichen Region. Und zugleich kam vom Convivium Treviso der Wunsch, eine Partnerschaft mit einem deutschen Convivium zu pflegen.

? Nach der Integration des von Ihnen geleiteten Conviviums Ende 2003 im vielfach größeren, 1997 gegründeten Convivium Mainfranken-Culinarium (heute Hohenlohe-Tauber-Main-Franken – Anmerk. der Red.) engagierten Sie sich im Vorstand von Slow Food Deutschland, die letzten Jahre sogar als Vorsitzender: Warum, was trieb Sie an, sich so stark für Slow Food zu engagieren?

! Ich wollte den Verein öffnen für eine breite Öffentlichkeit und einen Beitrag leisten in Richtung Praxisnähe – gewissermaßen eine Verbindung mit der Praxis herstellen. Die sehr erfolgreiche Messe „Der Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe“ ist dafür ein Beispiel.

? Herr Fürst, 1994 wurden Sie – schon damals weit bekannter Winzer - Slow Food Mitglied. Was bewog Sie dazu, obwohl damals Slow Food und dessen deutscher Ableger sich eher als Protagonisten italienischer Produkte verstanden?

! Es war die Grundidee von Slow Food, die mich angezogen hat.

? Ich weiß, dass Sie die Aktivitäten unseres Conviviums aufmerksam verfolgen und auch aktiv unterstützen. Auch haben wir mehrere Veranstaltungen bei Ihnen durchgeführt. Sie freilich waren noch nie Teilnehmer. Warum sind Sie immer noch – und ich hoffe noch lange – Slow Food Mitglied?

! Schon oft wäre ich gerne bei bestimmten Veranstaltungen dabei gewesen, doch entweder war ich auf Reisen oder die aufzuwendende Zeit war zu viel für mich. Auf jeden Fall gefällt mir die Entwicklung von Slow Food in Deutschland und im Convivium sehr, so dass ich die Bewegung auch weiterhin aktiv unterstütze.

? Auch Sie, Herr Schmucker, sind 1994 zusammen mit Ihrer Frau Slow Food Mitglied geworden. Welchem Convivium gehörten Sie damals an?

! Ich weiß es nicht mehr genau, wahrscheinlich Rhein-Main.

? Als Sie Ende der 90er Jahre nach Schweinfurt kamen und Geschäftsführer des Leopoldina Krankenhauses wurden, sagten Sie zu mir, dass Sie den Dosenöffner aus der Krankenhausküche verbannen wollten. Ist Ihnen das gelungen?

! Er scheint zumindest gut versteckt zu sein.

? Ich erinnere mich an einige denkwürdige, kulinarisch vorzügliche Veranstaltungen mit Ihnen und den Krankenhaus-Köchen, z.B. die Eröffnungsveranstaltung des Sky-Cafes Leoncino. Oder auch an jene mit von Ihnen gespendeten alten französischen Weinen aus Ihrem Privatkeller. Sie nahmen auch gelegentlich an Veranstaltungen teil. Doch in den letzten Jahren haben Sie sich rar gemacht. Dennoch sind Sie beide nach wie vor Mitglied und bleiben es hoffentlich – warum?

! Weil ich nach wie vor die Idee hervorragend finde, die hinter Slow Food steckt.

? Herr Trebst, Sie sind Weinhändler (Jaques Weindepot, Anm. d. Red) und Experte für französische Weine. Warum traten Sie 1994 dem damals italophilen Verein Slow Food Deutschland bei?

! Unser Haus ist nicht auf französische, sondern auf Weine spezialisiert. Und ich bin – wenn schon Experte – dann einer für deutsche und italienische Weine. Und deshalb habe ich Anfang der 90er Jahre für unser Haus in Italien recherchiert und dabei Slow Food kennen gelernt - in einer tollen Veranstaltung. 1994 habe ich dann während der Messe Excellencia, eine Süßweinmesse über vier Tage, Achim Taubald vom Convivium Oberfranken kennen gelernt und bin durch ihn dann Mitglied geworden, allerdings im Convivum Nürnberg. Später dann, es muss so 1998 gewesen sein, wechselte ich dann, angeregt durch meine Freunde Höhn (siehe weiter unten), ins damalige Convivium Mainfranken-Culinarium.

? Sie wohnen in Erlangen und ich freue mich auch deshalb jedes Mal sehr, wenn ich Sie bei einer unserer Veranstaltungen sehe, was selten genug ist. Warum halten Sie Slow Food und insbesondere unserem Convivium die Treue, da das Convivium Nürnberg doch viel näher läge?

! Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens, es gibt einige Leute in unserem Convivium, die ich mag und schon lange kenne. Zweitens finde ich die Aktivitäten unseres Conviviums so vielfältig und interessant, da kann Nürnberg einfach nicht mithalten.

Weitere langjährige Mitglieder
Dr. Mapara unterstützt Slow Food und unser Convivium seit 1994 uneigenützig als Mitglied, leider kam kein Interview zustande. Weitere neun wurden Mitglieder vor der Gründung des Conviviums Mainfranken-Culinarium im Jahr 1997 und sind deshalb Gründungsmitglieder: Die Nordheimer Winzer Helmut Christ sowie Ulrike und Hermann Höhn traten wie Miriam Glanz-Geier und Michael Geier aus Hohenroth und Gisela Ohnleitner aus Bamberg Slow Food 1995 bei. 1996 schließlich kamen die Bambergerin Lynn Spiegel und das Ehepaar Helga und Hans-Werner Bunz dazu. Letzterer gründete dann 1997 das mainfränkische Convivium. Gründungsmitglieder, weil sie 1997 Mitglied wurden, sind deshalb auch Peter Auer aus Bamberg, das Ehepaar Barth aus Volkach, Winzer Johannes Deppisch aus Erlenbach, Dr. Hermann Kolesch aus Erlabrunn und Thomas Schütz aus Herrnhofen. Im übertragenen Sinne gehört im Nachhinein auch das Ehepaar Boesch aus Bad Mergentheim dazu, das allerdings 1997 dem seinerzeitigen Convivium Hohenlohe-Tauber beitrat.

Das mainfränkische Convivium wuchs überdurchschnittlich rasch und brachte 2003 in die Vereinigung 210 Mitglieder und Förderer ein, 38 das tauberfränkisch-hohenlohische. Seit einigen Jahren ist das Convivium Hohenlohe-Tauber-Main-Franken mit Abstand das größte in Deutschland und zählt - Juni 2012 - rund 800 Mitglieder und Förderer. Seitdem ist das jährliche Wachstum klein. So zählte das Convivium Ende des Jahres 2015 zwar 884 Mitglieder und Unterstützer, doch war der Unterschied zu Ende 2014 gering, nämlich gerade 11 Mitglieder. In Wirklichkeit - wegen der aus vielerlei Gründen unvermeidlichen Austritte zum Jahresende - ist dennoch ein jährlicher Zustrom von 40 bis 50 Mitgliedern zu verzeichnen.

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