Landpartie zwischen Vils und Wolfach
Wonach sich alle sehnten an einem der heißesten Sommertage bisher: Wasser! Da kam der erste Programmpunkt unserer Landpartie ins Vilshofener Land gleich recht: Im direkt an der Vils, unweit deren Mündung in die Donau, gelegenen Fischladen der Familie Wagner – Familienbetrieb in fünfter Generation – wurde es bei der Besichtigung der Hälterungs-Bassins mit sprudelndem Wasser gleich kühler. Hier werden die quirligen Forellen und Saiblinge, sowie die Karpfen in frischem Brunnenwasser ohne weitere Zufütterung gehalten und alsbald geschlachtet und schnell verarbeitet. Dies und die teilweise Räucherung findet in den angrenzenden kleinen Räumen statt, die wiederum unmittelbar an den Verkaufsladen angrenzen. Die kleine Führung erhielten wir durch Heinrich Wagner, Fischereimeister und zusammen mit seiner Frau Michaela Besitzer des modernen Fischladens.
Seit 2009 verkaufen die beiden mit ihrem Team dort nicht nur den Wildfang aus dem 16 km langen Donau-Fischereirecht, sondern auch Meeresfische, Muscheln und Krustentiere. Das Konzept verfängt – wie wir während der anschließenden kleinen Degustation der hauseigenen Fischwürste aus heimischen Weißfischen beobachten konnten: Ein ständiges Kommen, Verweilen und Gehen von Fischliebhabern im schönen Laden und Außenbereich, die sich noch rechtzeitig vor dem Wochenende mit Grill- und Schmorgut eindeckten. In weiser Voraussicht hatten auch manche von uns Kühlboxen mitgebracht.
Bei herrlichem Wetter und auf idyllischen Nebenstrecken ging´s weiter der Wolfach entlang aufwärts ins Ortenburger Land. Das Hügelland eröffnet immer neue Blicke auf Wälder, kleinparzellige Felder und vor allem Streuobstwiesen und Beerenkulturen. Die klimatischen Bedingungen und das Terroir lassen seit Jahrhunderten die Rohstoffe für Säfte, Marmeladen und Gelees, Liköre und Brände wachsen: Früchte der verschiedensten Sorten von Äpfeln, Birnen, Zwetschgen oder Kriecherl, wie die mirabellenartigen gelben Obstkugeln hier heißen. Heute führend bei der Herstellung feiner Edelliköre und Obstbrände ist im kleinen Weiler Holzkirchen die Familie Braun, von der wir bereits erwartet wurden. In einem Anbau an das Wohnhaus errichtete Roland Braun, im Brotberuf Banker, eine moderne Brennanlage zur Herstellung feiner Destillate aus reifen und handsortierten Früchten. Der leidenschaftliche Autodidakt eignete sich das Wissen nach und nach selbst an, wie er in seinem aufschlussreichen und lebendigen Vortrag ausführte. Allein die rechtlichen Vorgaben der durch den Zoll streng kontrollierten Zeitfenster für den eigentlichen Brennvorgang würden zur Absicherung eigentlich ein Jurastudium nahelegen.
Noch wichtiger aber ist der sorgfältige Umgang mit dem Brenngut, dem gereinigten, eingemaischten Obst – das nach dem Gärprozess rasch destilliert werden muss. Am Beispiel der (wenige Tage vor unserem Besuch) zum Zeitpunkt der optimalen Reife just in time aus der Wachau geholten Marillen, die in zwei großen Bottichen ihrer Veredelung entgegengärten, konnten wir das eben Gelernte nachvollziehen. Feinfühligkeit erfordert danach der Brennvorgang als solcher, denn der Kunst und dem Gespür des Destillateurs ist es vorbehalten, das flüssige Gold des Mittellaufs vom ungenießbaren Vor- und Nachlauf optimal zu trennen – um es anschließend auf Flaschen zu ziehen. Teilweise erfolgt der Ausbau in Barrique-Fässern. Neben den echten Bränden gehören auch Geiste (Früchte oder Nüsse in Weingeist angesetzt und anschließend gebrannt) oder Liköre (Früchte, Gewürze, Kräuter in Neutralalkohol angesetzt und anschließend kaltgepresst) zum Sortiment. Bei letzteren ist der Braun´sche Pomeranzenlikör aus Bitterorangenschalen ein Verkaufsschlager – in Anspielung auf ein erst vor gut einem Dutzend Jahren auf dem Gelände des Schlossparks bei Grabungen entdecktes und in Deutschland erstmals nachgewiesenes sog. abschlagbares Pomeranzenhaus vom Gardasee-Typus (Quelle: Wikipedia), Subspezies der bekannten Orangerien. Die anschließende Verkostung der fruchtig-ätherischen Spezialitäten überzeugte viele der ‚Landpartiesanen‘ derart, dass sie den flüchtigen Sommergeschmack in kondensierter Form für trübere Tage auf Vorrat kauften.
Als Kleinod in spirituell völlig anderer Darreichungsform zeigte sich für eine Teilgruppe der Klostergarten der Benediktinerinnen der Anbetung im nahen Neustift. Eine Oase der Ruhe und Kühle am Nachmittag eines heißen Tages, mit Gedankeninseln zum Thema Wasser, Kräuter und Natur, die mit Sitznischen zum Verweilen einluden (http://www.benediktinerinnen-der-anbetung.de/index.php/klostergarten/gedankeninseln).
Nach kurzer kontemplativer Pause rief aber bereits am frühen Abend das Essensglöcklein von Martina Holzeder in den Innenhof der Moststubm zum Hammel in Ortenburg (https://de-de.facebook.com/Moststubm/). Hier erläuterte uns zunächst ihr erst vor einer Woche angetrauter Ehemann und Wirt Karl Heblich die Geschichte und kulinarische Philosophie der Moststubm-Gastronomie die hinter einer an österreichische Weindörfer erinnernden Fassade noch vor einigen Jahren den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Holzeder beherbergte.
Ein Blick in den Gastraum mit schlichtem Holz, ohne überflüssigen Ziertand, zeigte eine ähnliche Authentizität, wie wir sie sogleich auf den Tellern wiederfanden. Der Küchengruß aus Zweierlei von der Marille, frisch am Vortag aus der Wachau geholt, verband sich prima mit dem zum Aperitif gereichten Secchi eines im Taubertal ansässigen Familienzweigs der Wirtsfamilie (in den Varianten Apfelwein pur, oder unter Zugabe von Holler und Rosenblüten). Auf knackigem Kohlrabi-Rondell dann die Vorspeise, ein Carpaccio vom Rind, gefolgt von einem Zwischengangerl, einer hausgemachten, handtellergroßen offenen Ravioli, gefüllt mit Forelle und Krensoße.
Das perfekt in der Pfanne gebackene Bauernhendl mit Kartoffel-Gurkensalat überzeugte uns ebenso wie der Graupen-Brennnessel-Risotto mit gegrillten Auberginen auf Tomaten-Zimtsauce, der dank behutsamen Gewürzeinsatzes keinesfalls in weihnachtlichem Ornat daherkam. Den fulminanten Abschluss des Menüs in einem Wirtshaus, wie es sein soll – und in gleicher Weise eines alle Sinne ansprechenden Sommertages – bildete die Dessertvariation aus Zwetschkenbavesen mit Mostschaum, Topfenknödeln mit Sommerbeeren und Heidelbeerstrudel mit Vanillesauce, dazu ein Birnello genannter Birnen-Süßmost mit Holunder aus Ortenburg.