Ars Bibendi (11/08)
Genuss, Beschwingt- und Berauschtheit...
...in der Kunst und anhand „praktischer Übungen“ durften wir bei unseren Veranstaltungen „Ars bibendi“ am 8. und 9. November 2008 erfahren. Wie bereits vor zwei Jahren bei „Menü mit Monet“ begaben wir uns auch diesmal wieder zusammen mit dem bürgerlichen Kulturkreis Nürnberg auf eine kunsthistorische Reise, um uns anschließend bei einem exzellenten Wein-Menü zu stärken.
Den passenden Rahmen hierfür fanden wir gegenüber des „Neuen Museums Nürnberg“ in der Restauration „Klara“ unseres Fördermitglieds Karin Wittenstein. Die charmante Kunsthistorikerin Katja Boampong-Brummer lieferte wieder interessantes Bildmaterial, so wie wissenswert-amüsante Geschichte(n) und Betrachtungsweisen zum geistigen Genuss. Unser zweiter - verbal kongenialer - Referent Martin Kössler von der „K&U Weinhalle“ (ebenfalls Slow Food Förderer) stellte die Weine zum Menü und erläuterte diese in seiner typisch launig-heiteren Weise.
Nach den Begrüßungsworten unseres Convivienleiters Gerhard Tremel vor ausverkauften Haus, gaben sich die 28 Teilnehmer bacchantisch-dionysischen Genüssen hin und berauschten sich an den Bildern und Ausführungen von Frau K. B-B. (übrigens war die Veranstaltung im Vorfeld so beliebt, dass gleich am darauffolgenden Abend eine weitere Auflage mit einer zweiten Reisegruppe erfolgte).
Wir sahen anhand beispielhafter Bilder, wie im Laufe der Jahrhunderte in der Kunst (Schwerpunkt Malerei) Wein, Genuss und darüber hinaus gehende „Aggregatzustände“ dargestellt wurden und welche geschichtlichen Hintergründe dabei eine Rolle spielten. Angefangen von einem Trinkbecher, der den Wein in seiner ursprünglichen Bedeutung als Blut Christi aufnahm, sahen wir Bilder der Völlerei, von hemmungslosen Gelagen und überbordenden Ausschweifungen. Aber auch bäuerliche Mahlzeiten, sanfte bis deftige Annäherungsversuche zwischen Mann und Frau mittels des Katalysators Wein, Feste als Insel der Glückseligkeit und kunstvolle bis opulente Stillleben kreuzten unseren Weg.
Wir waren erstaunt, wie perfekt Michelangelo die Körperhaltung des trunkenen Bacchus als Marmorstatue darstellte (mancher von uns erinnerte sich da wohl an eigene Erfahrungen!?) und welche immer wieder beeindruckenden Bilder die großen holländischen Meister schufen. Es würde zu weit führen, die kunsthistorische Stunde bis in kleinste Detail wiederzugeben, deshalb sei an dieser Stelle einfach mein persönlicher Buchtipp genannt: „Bacchus“ - Kunst für Weinfreunde und Wein für Kunstfreunde von H. Loetscher, V. und M. Füllemann, erschienen im Hirmer Verlag, Verlag Neue Zürcher Zeitung. Viele der betrachteten Bilder sind dort abgebildet!
Dem Vortrag schloss sich nun der leibliche Genuss an. Küchenchef Lutz Lambert (und seine Küchenmannschaft) arrangierte nicht nur optisch sehr ansehnliche Teller, er lieferte auch den Beweis, ein ausgezeichneter Koch zu sein. Ergänzt mit den von Martin Kössler dazu ausgesuchten, spannenden Weinen ergab sich ein sehr ansprechendes Menü, das sich folgendermaßen liest:
"Poire Authentique" 2006 von Eric Bordelet, Birnen(!)-Cidre der Spitzenklasse
gereicht zum gemischten Fingerfood
- Rotkohl -Thunfisch
- Spinat-Walnuss-Creme
- Mango-Curry
Feldsalat mit gebratenem Staudensellerie mit Mousse von der Lachsforelle
2007 Grüner Veltliner , Schlossweingut Graf Hardegg, Österreich/Weinviertel
Fränkische Winzersuppe
2006 Silvaner Julius Echterberg Spätlese trocken, Weingut Hans Ruck, Iphofen
"Kalbsschnitzel" in Marsalarahm dazu Pilz-Risotto und Karotten-Pastinakenwürfel
Frank Cornelissen / Rosso del Contadino 2005, Sizilien
Naturwein aus der Amphore
Anmerkungen am Rande: Neben den wie immer wissenswerten Informationen zum Wein und der von Martin Kössler vertretenen Philosophie der „langsamen Weine“, war insbesondere der Naturwein (völlig unbehandelter, ungeschwefelter Wein aus uralten autochthonen, sizilianischen Rebsorten und in Amphoren ausgebaut) eine besondere sensorische Herausforderung und sorgte für lebhafte Diskussionen an den Tischen. Dieser Wein dürfte am ehesten dem Wein vergangener Jahrhunderte nahe kommen und ist völlig konträr zu unserem heutigen Weingeschmack. Manche von uns schmeckten darin die Füße, mit denen die Trauben getreten wurden (kleiner Scherz), andere fühlten sich an Sauerkraut erinnert. Eine interessante Trinkerfahrung jedenfalls, die gut zum Thema des Abends passte.
Trauben - Gelee mit Riesling – Zabaione
2006 Riesling Auslese „Morstein“, Weingut Wittmann, Rheinhessen
Notabene:
Am 2. Abend musste die bereits am Vorabend stark angeschlagene Frau B.-B. ihren Vortrag mit großem Bedauern leider absagen. Gerhard Tremel kürte kurzerhand Herrn Dipl. Ing. Martin Kössler zum Kunsthistoriker h.c. und seine Frau Monika Tremel zur Assistentin. Die Aufgabe wurde von beiden mit Bravour erledigt (wenn auch sehr weinlastig...)
Unsere vielen neuen Gäste, unter ihnen Frau Helga Schmitt-Bussinger, Abgeordnete des Landtages und die vielen neuen Schnecken hatten eine Menge Spaß. Lag es am köstlichen Wein?
Unsere vielen neuen Gäste, unter ihnen Frau Helga Schmitt-Bussinger, Abgeordnete des Landtages und die vielen neuen Schnecken hatten eine Menge Spaß. Lag es am köstlichen Wein?
Mit kleinen Geschenken und abschließenden Dankesworten an unsere Referenten, unsere Gastgeberin und den Küchenchef endete ein geistig-physisch genussvoller Abend. Allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön, besonders aber unserem Martin Kössler (St. Martin) für die (Ver)teilung und Abgabe seiner Weinschätze an die weinseligen Schnecken. Durch sein Entgegenkommen konnten wir die Veranstaltung zu einem sehr fairen Preis anbieten.
Ein herzliches Danke auch an die Küchenmannschaft und den netten Service!
Übrigens:
Die Bilder der bacchantischen Gelage wurden glücklicherweise an diesem Abend nicht Realität! Wir hielten uns eher an Ovid, der sagte: „Mächtige Trunkenheit stört, sie schadet und ekelt. Ein winziges Schwipschen jedoch, mehr noch genippt als getrunken, hilft dir zum Spiele (bei frohem Gelage selig zur Seiten der Schönen)“.
In diesem Sinne stets maßvoll seligen Genuss!
(Text: peter schubert/Gerhard Tremel, Bilder: Claudia Escherich)