Ein Bürgermeister wird zur Schnecke gemacht, gedroschen und untergebuttert...
Das sehenswerte Deutsche Hirtenmuseum in Hersbruck war am 22.9.07 unser Veranstaltungsort der besonderen Art. An diesem Tag kam es zur Begegnung zwischen Slow Food Nürnberg und der „Cittaslow“ Hersbruck. Seit dem 18.Mai 2001 ist Hersbruck Mitglied dieser Vereinigung lebenswerter Städte – „Slow City“ (übrigens als erste deutsche Stadt überhaupt!).
Bei herrlichem Sonnenschein wurden wir im schönen Innenhof des Museums durch den Bürgermeister der Stadt Hersbruck, Herrn Wolfgang Plattmeier, herzlich begrüßt. Anwesend war auch jeweils ein Vertreter der im Stadtrat vertretenen Fraktionen. Herr Plattmeier erzählte uns einiges zu dem Projekt „Slow City“ aber auch zu den speziellen, vielfältigen Aktivitäten der Stadt im Rahmen dieser Vereinigung.
Anschließend ergriff unser Convivienleiter, Gerhard Tremel, das Wort und machte den Bürgermeister zur Schnecke – aber keine Angst, dies verlief ganz friedlich. Herr Plattmeier wurde offiziell als Slow Food Mitglied begrüßt und bekam die goldene Schnecke ans Revers geheftet. Zuvor konnte Herr Tremel auch noch einen Brief aus der Slow Food Zentrale in Italien verlesen, der uns extra zu dieser Veranstaltung per e-Mail zugeschickt wurde. Darin wurde die Begegnung zwischen einem örtlichen Convivium und einer Slow City ausdrücklich begrüßt.
Alle Beteiligten betonten, dass – nicht nur auf Grund der räumlichen Nähe – durchaus öfters eine entsprechende Kooperation stattfinden sollte.
Nach diesem offiziellen Teil durften die 19 Erwachsenen und 6 anwesenden Kinder ihre passive Zuhörerrolle verlassen und konnten sich aktiv in das nun folgende Geschehen einmischen. Die beiden Museumsmitarbeiterinnen, die uns durch den Nachmittag führten, hatten bereits einige Vorbereitungen getroffen – doch für uns gab es auch noch viel zu tun.
Vom Getreide zum Brot war der erste Weg, den wir gingen. Dazu mussten wir erst einmal ein Feuer schüren, in (bzw. an) dem später unsere selbst gemachten Brötchen gebacken wurden. Vorab hieß es aber, die hölzernen Dreschschlegel zu schwingen und aus dem bereit gelegten Getreide die Körner zu schlagen (eine Tätigkeit, die – nach anfänglichem Zögern – den Kindern (aber nicht nur diesen) besonders viel Spaß machte und so wurde fröhlich „drauf los gedroschen“).
Ohne Verletzungen aber voller Aktivität ging es dann zur nächsten Station. Mit großen Sieben wurde das Korn ausgesiebt und anschließend durch geschicktes Werfen - mit Unterstützung des Windes - die „Spreu vom Weizen“ (bzw. Dinkel) getrennt.
Aber die Handarbeit war noch nicht zu Ende. Nun ging es ans Mahlen. Mit einer alten Hand-Steinmühle wurde in mehreren Durchgängen aus Dinkelkörnern ein feines, wohlschmeckendes Mehl gemahlen.
Dann durfte rumgemanscht werden. Das Mehl wurde mit Mineralwasser gemischt, gesalzen, geknetet und zu Brötchen geformt. Die Kinder entwickelten dabei viel Fantasie bei der Verzierung der „Rohlinge“ mit Mustern. Dann ging es wieder zum Feuer. Die Brötchen noch schnell auf die mittlerweile heißen Steinplatten gelegt und mit einer großen Tonglocke abgedeckt – sie waren „im Ofen“.
Doch während des halbstündigen Backvorgangs hatten wir keine Langeweile. Zwischendurch wurde nämlich eine ausgezeichnete Brotsuppe nach altem Rezept in der schön ausgebauten Scheune des Museums serviert.
Die Erwachsenen konnten sich dazu ein feines Hersbrucker Bier aus dem bereit gestellten Fass zapfen und wer keines mochte (oder durfte), für den gab es Bionade in allen Varianten. An den Tischen entwickelten sich viele Gespräche und eine gute Stimmung.
Besonders aufregend wurde es, als plötzlich die fertigen, heißen Brötchen hereingetragen wurden. Unser erstes eigenes Produkt konnte verzehrt werden (und es schmeckte gar nicht schlecht; die Kinder waren zum Teil sehr erstaunt, dass Brötchen nicht nur aus gebackener Luft bestehen, sondern durchaus eine kompakte, sättigende Masse darstellen können).
Frisch gestärkt ging es dann ins Museum. Wir erhielten eine kleine Führung, hörten zahlreiche interessante Geschichten und durften die vielen Exponate des in seiner Art einmaligen Museums betrachten (und gar manche Glocke oder Schelle zum Schwingen bringen).
Jeder, der das Museum nicht kennt, sollte unbedingt mal hingehen – es lohnt sich!
Dann konnten wir wieder aktiv werden. Von der Milch zur Butter, hieß es nun. Dazu musste natürlich erst einmal gemolken werden. Im Hof standen Kuh und Melkschemel bereit (ich geb's zu, die Kuh war nicht echt – aber das Euter fühlte sich ziemlich realistisch an). Dass das Melken gar nicht so einfach ist, konnten wir sogleich feststellen. Mancher von uns mühte sich vergeblich, ein paar Spritzer in den Melkeimer zu bekommen. Wir hatten jedenfalls viel zu lachen.
Das Prinzip des „Butterns“ erlebten wir dann wieder in der Scheune. Da wir keine 22 Liter Milch (!) zu einem Kilogramm Butter (in einem Kraftakt von einer Stunde am Butterfass) verwandeln konnten, wurde alternativ eine „Mikro-Butter“ hergestellt. Dazu stand auf jedem Platz ein Schraubglas. Dieses wurde mit einem Fingerbreit Sahne gefüllt, fest verschlossen und jetzt hieß es schütteln, schütteln, schütteln. Was für ein witziges Bild, wenn 26 Personen wie wildgewordene Barmixer an Tischen sitzen und ca. 5 Minuten mit den Armen durch die Luft fuchteln....
Aber unsere Mühen sollten belohnt werden. Nach einer gewissen Zeit hörte sich das gar nicht mehr so flüssig an und tatsächlich, plötzlich hatte jeder von uns einen goldgelben Butterklumpen im Glas (und da waren nicht nur die Kinder erstaunt!!). Die eigene Butter wurde natürlich gleich auf das vorhandene Schwarzbrot gestrichen, gesalzen und mit viel Genuss verzehrt. Ich denke, für die nächsten Kindergeburtstage hat so mancher der Anwesenden bereits eine Butteraktion eingeplant!
So klang ein wirklich abwechslungsreicher, lehrreicher und lustiger Nachmittag äußerst erfolgreich (bzw. produktiv) aus. Das war wirklich „Slow Food“ und echtes Lebensmittelhandwerk. Uns allen wurde bewusst, wie schwer Lebensmittelproduktion in früheren Jahrzehnten sein konnte und dass das, was wir heute als so selbstverständlich erachten, eigentlich gar nicht so selbstverständlich ist.
Es hat uns allen auf alle Fälle viel Spaß gemacht und ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den netten Mitarbeiterinnen des Museums und der Stadt Hersbruck bedanken, die all das für uns organisierten.
peter schubert