Sardinien (03/09)
Sardische Slow Food Schäfer
...oder: von Schäfer(n) und sardischen Geschmackskonzentraten.
Am 6.3.09 trafen sich siebenundzwanzig sardische Sonne suchende Schnecken, um mit einer Genuss- und Aromatherapie die lange Winterzeit zu vergessen. Ergebnis: Es konnte ihnen geholfen werden!
Die Herren Gesuino Atzeni und Richard Retsch von „Il Nuraghe“ waren unsere Reiseführer bei einer abwechslungsreichen Rundreise durch Sardinien. Wir bestiegen Pasta-Berge, tauchten hinab in salzige Binnenseen, um die berühmten Bottarga-Bernsteine zu sammeln, umkurvten anschließend zahlreiche Lamm- und Wildschweinherden (nicht ohne ihnen schamlos in den Hintern zu beißen), wanderten zwischen Olivenbäumen, Weinbergen und Myrtensträuchern und wären zum Abschluss fast in einem fein gesponnen Netz der gefährlichen Torrone-Fäden kleben geblieben. Glücklicherweise konnten wir gerade noch in den „fiume liquori“ springen und uns treiben lassen...
Die fröhliche Reisegruppe traf sich beim sympathischen Tommy Schäfer in dessen gleichnamigem Restaurant in Fürth. Dort stellten wir gleich erstaunt fest, dass man gar nicht ins „Burj al Arab“ nach Dubai fahren muss, um ein beeindruckendes Atrium zu sehen – nein, in Fürth-Ronhof gibt’s ebenso Sehenswertes. Wie überhaupt die ausgesprochen geschmackvollen Räumlichkeiten einen adäquaten Hort für unsere genussvollen Geschmackserlebnisse boten.
Die Reiseroute:
Nach einer kurzen Einführung von Richard Retsch zur Geschichte Sardiniens und Geschichten über die eher verschlossenen Sarden an sich („unser“ begleitender Sarde, Gesuino Atzeni war allerdings sehr aufgeschlossen) erhielten wir zur Stärkung für den bevorstehenden „Giro di Sardegna“ einen großen Teller Sardische Pasta „Gnochetti“ mit Salsiccia und Myrte. Dies war auch gleich die passende Grundlage für die im Laufe des Abends folgenden Weine aus autochthonen Rebsorten.
Ausgesprochen spannend war das nächste Reiseziel: Stangensellerie an Limonenöl mit darüber gehobelten Scheiben von „bottarga di muggine“. Dabei handelt es sich um gesalzenen, getrockneten Rogen der Meeräsche – dem „Kaviar der Sarden“. Das ist Fischkonzentrat pur! Intensiv im Geschmack aber auch die Geschmäcker spaltend. Gibt’s auch vom Thunfisch, ist aber nicht ganz so charaktervoll.
Ach so, vergessen möchte ich nicht das „Pane guttiau“, ein ausgesprochen kuspriges, dünnes Fladenbrot mit Olivenöl (Achtung: Hoher Suchtfaktor!!). Dieses wird in extrem heißen Steinöfen gebacken. Eine Tätigkeit, die nur von Frauen verrichtet wird, weil sie – so das Gerücht - die Hitze besser aushalten als es die Männer würden. Die weiblichen Mitglieder der Reisegruppe ließen sich daraufhin gleich zu der unqualifizierten Bemerkung hinreißen, dass Frauen überhaupt mehr als Männer aushielten, was aber meinerseits geflissentlich überhört wurde, weil es mir dann doch reichlich übertrieben schien...
Statt mich diesbezüglichen Disputen hinzugeben, beschäftigte ich mich derweil lieber mit dem dazu kredenzten „Karmis“ IGT 2008, einem Vernaccia di Oristano mit gewissem spirituellen Karma.
Die Reise führte uns weiter in die Region der Schinken und Würste. Es ist immer wieder ein Erlebnis, wenn diese Köstlichkeiten auf einer Ferrari-roten, historischen „Berkel“ aufgeschnitten werden. Nein: Eigentlich wird da nicht geschnitten, die Scheiben werden fast schon sanft heruntergestreichelt – ein Traum! Die so auf unsere Teller gestreichelten Lardo, Bergschinken, Wildschweinsalami, Wildschweinsalsiccia mit Myrtenaroma, Lammschinken usw. schwebten förmlich in unsere Münder und entlockten uns lustvoll-entzückte Genussseufzer.
Aber die Tour war noch nicht zu Ende: Das Land der Käse breitete sich vor uns aus! Bei vier Millionen Schafen liegt es nahe, dass aus deren Milch auch einzigartige Schafskäse produziert werden. Wir konnten vier Varianten davon verkosten. Von mild und jung bis hin zu gereift. Einer davon mit hochwertigen Pfefferkörnern aromatisiert (eine Anregung von Herrn Atzeni). Diese – alle biologisch produzierten – Rohmilchkäse zeigten sensorisch wieder einmal überdeutlich den Unterschied zur Industrieware.
Von der Schlussetappe zu Walnuss-Torrone und Mandel-Torrone mit Myrtenlikör möchte ich gar nicht berichten, denn manche Sünden behält man lieber für sich...
Glücklicherweise hatten wir eine Zahnärztin unter uns, denn den beiden genannten Süßigkeiten wird eine Plomben ziehende Eigenschaft nachgesagt. Ich hatte allerdings am Ende des Abends den Eindruck, dass die Reiseteilnehmer alle mit vollständigem Gebiss heimgekehrt sind.
Überflüssig zu sagen, dass die gereichten Weine die idealen Reisebegleiter waren und ich glaube noch immer den Abgang des Carignano del Sulcis „Rocca Rubia“, Riserva 2005 in meinem Gaumen zu spüren.
Und nun noch zwei gute Nachrichten:
Sie müssen nicht nach Sardinien reisen, um die Route nachzuvollziehen. Alle diese Geschmackskonzentrate gibt es bei „Il Nuraghe“ zu kaufen. Sie können unseren Reiseproviant fein säuberlich hier aufgelistet sehen.
Und die andere gute Nachricht:
Mit „Il Nuraghe“ haben wir ab sofort ein würdiges neues Slow Food Fördermitglied in unseren Reihen! Die Slow Food Philosophie entspricht auch der Geschäfts-Philosophie unserer beiden Reiseleiter, Richard Retsch und Gesuino Atzeni, denen wir hier für diesen tollen Abend danken möchten. Praktische Unterstützung erfuhren sie dabei von Herrn Sokol Rustaj und natürlich Tommy Schäfer mit Team.
peter schubert