Tafelrunde Dezember (12/08)
Konnte Marlene Dietrich kochen?
Mit einer fulminanten Tafelrunde beendeten wir am 02.12.08 im Gasthaus Hotel Rottner die Serie unserer diesjährigen Stammtische. Das Motto lautete diesmal: „Kulturgeschichte der deutschen Küche“
Während eine große Fast Food Kette nur einen „Doppel Whopper“ anbietet, können wir bei Slow Food mit einem „Doppel Peter“ aufwarten. Und seien Sie versichert: Letzterer bietet deutlich mehr und länger anhaltenden Genuss!
Unser Referent, Dr. phil Peter Peter, seines Zeichens Schriftsteller, Restaurantkritiker, Mitglied der deutschen Akademie für Kulinaristik und Gastdozent an der Slow Food Universität, las aus seinem Buch zur „Kulturgeschichte der deutschen Küche“ und würzte den Vortrag mit herrlichen Anekdoten (nun, eigentlich las er nicht, sondern er machte das Buch erlebbar!)
Der festlich geschmückte „Pavillon“ bot den passenden Rahmen für unsere mit über 40 Personen ausgesprochen gut besuchte Veranstaltung. Auch die speziell für diesen Abend kreierte Slow Food Speisekarte, die eine interessante Auswahl wohlschmeckender, kreativ verfeinerter regionaler Gerichte bot, ergänzte die literarischen Genüsse adäquat.
Herr Dr. Peter Peter erzählte, geistreich und humorig, wie er dazu kam, dieses Buch zu schreiben und danach begaben wir uns mit ihm auf eine abwechslungsreiche, küchenhistorische Zeitreise:
Einen kleinen Überblick dazu liefert nun unser Mitglied Petra Roggentin-Haag, die sozusagen für uns „Protokoll“ führte:
(peter schubert.)
Die deutsche Küche galt lange Zeit als fett und schwer, doch erlebt sie derzeit eine Wiedergeburt. Allgemein liegt das Kochen im Trend. Im Fernsehen häufen sich die Kochshows, die Kochschulen haben ungebremsten Zulauf und Kochbücher verkaufen sich als Bestseller. Nie zuvor wurden so viele Filme gedreht, die sich mit genießen und kochen befassen, wie in den letzten Jahren.
Nachdem die Deutschen sich inzwischen durch die Küchen der Welt „gefuttert“ haben, führt der Weg nun wieder zurück zu den Wurzeln und man sehnt sich wieder nach Kraut und Kartoffeln, Kutteln und Schwarzwurzeln - jedoch auf hohem Niveau zubereitet.
Herr Dr. Peter erläuterte uns, dass alles eigentlich schon einmal dagewesen sei. Hatte bei den Germanen die Kochkunst noch wenig Stellenwert und das Essen diente nur der Nahrungsaufnahme, so änderte sich dies schon am Anfang des Mittelalters. Hildegard von Bingen, die heute wieder „in Mode“ gekommen ist, befasste sich bereits mit Rezepten, die individuell auf Leib und Seele zugeschnitten waren. Ihr wird sozusagen das erste bekannte „Umgehen mit Kräutern zur Speis“ zuerkannt.
Friedrich I., der dem Orient stark zugeneigt war, führte die arabische Küche ein und durch die Kreuzzüge wurden außer exotischen Gewürzen auch die Zubereitungsarten der jeweiligen Länder, durch die die Ritter zogen, in die Kochgewohnheiten mit eingebracht.
Danach kamen dann die Reichsstädte an die Spitze der Kochkunst. Durch Handelsbeziehungen in alle Welt, wurden fremde Speisen modern, und es entstanden bereits die ersten Kochbücher für die breite Masse. 1485 kam in Nürnberg das Kochbuch „Kuchenmeisterei“ heraus. Bekannte Künstler, wie z.B. Albrecht Dürer entwarfen Tafelgedecke und allgemein wurde „Speisen“ für die gut betuchte Gesellschaft zum Kulturgut. Frankfurt galt in diesen Zeiten als die Welthauptstadt der feinen Küche.
Ein herber Rückschlag kam dann durch die Glaubensspaltung und den darauf folgenden 30-jährigen Krieg. Bis heute schwelt die Diskussion, ob es eine evangelische Küche oder eine katholische Küche gibt. Gelten die Evangelischen doch als sparsam und dem Genuss nicht so zugewandt, die Katholischen jedoch mehr mit dem Süden liebäugelnd und den angenehmen Seiten des Lebens huldigend.
Feines Essen war und ist immer auch eine Zeremonie für Feste aller Art. Seien es Hochzeiten des niederen oder des hohen Standes, seien es Friedensmähler oder Feierlichkeiten anderer Art. Ein entsprechendes Essen gehört dazu.
So dauerte es auch nach Kriegszeiten nicht lange, bis es wieder eine Hochküche gab. Bei den Fürsten der Barockzeit bogen sich die Tische erneut unter feinen Speisen. Auch die Kochkunst des einfachen Volkes profitierte immer ein wenig davon.
Die Industrialisierung, der 1. und 2. Weltkrieg hatten dann wiederum keinen Platz mehr für eine „Küchen – Kultur“, denn wer nichts zu beißen hat, der ist auch mit kalten Kartoffeln zufrieden. Wer hungert, der hat keinen Sinn für eine verfeinerte Esskultur, der will erst einmal seinen Magen füllen.
In diesen harten Zeiten galt es, die Massen zu füttern. Erbswurst, Maggiwürfel und Fleischersatz waren die Devise. Der Geschmack stand erst an zweiter Stelle.
Nach dem 2. Weltkrieg begannen die Deutschen, sich in der Welt umzusehen und – wie schon zu Zeiten der großen Handelszüge – hielten wiederum exotische Speisen Einzug in unsere Küche.
Italienische, jugoslawische, griechische, asiatische Gerichte waren angesagt - bis sich in den letzten Jahren erneut ein kleiner Sinneswandel vollzog und langsam die deutsche Küche wieder an Wert gewann.
(petra roggentin-haag)
Schade, dass die Redezeit unseres „Doppel Peter“ so schnell vorüber ging, denn sein spannender und stets amüsanter Vortrag entsprach ganz unserem Geschmack und machte Lust auf mehr. Kein Wunder also, dass der Büchertisch unseres Mitglieds Torsten Härtelt danach dicht umringt war und so manches Buch mit individueller Widmung des Autors versehen wurde. Sollten Sie das Buch noch nicht haben, dann müssen Sie es unbedingt kaufen - auch um die in der Überschrift gestellte Frage zu verstehen!
Zum Ausklang dieses Slow-Food Jahres hätte man keine bessere Veranstaltung finden können, darin waren sich alle anwesenden Gäste einig. Und für den perfekten Ablauf und die herzliche Atmosphäre sorgten das eingespielte Küchen- und Serviceteam unserer Gastgeber Claudia und Stefan Rottner. Vielen Dank allen Beteiligten!
Übrigens: An diesem Abend war auch die Presse zahlreich vertreten und sowohl in den Nürnberger Nachrichten als auch in der Nürnberger Zeitung können Sie einen Artikel zu unserer Veranstaltung lesen. Weitere Veröffentlichungen in anderen Medien folgen noch und werden demnächst auf unserer Homepage abrufbar sein.
p.s./m.+g.t
Bild und Biildrechte: Nürnberger Nachrichten