Slow Food, der Hauswirtschaftsunterricht und der Geschmack
Vorbemerkung
Die Vorbemerkung sei in Form einer Frage formuliert: Darf man in einem Veranstaltungskalender pessimistische Sichtweisen formulieren, wenn sie heimlich mit dem Anspruch auf realistische Betrachtungsweisen unterlegt sind? Vielleicht taugen sie für eine Diskussion, intern wie mit denen, die Freunde von Slow Food werden könnten.
Geschmacksschulung als Aufgabenbereich der Schule?
„Geschmacksschulung als Aufgabenbereich der Schule!“ Diese Forderung ist nicht unbekannt. Sie ist abgeleitet aus dem Wissen um immer problematischer werdende Ernährungsweisen junger Menschen. Hinter ihr steckt die Hoffnung: Gelingt es den Geschmack zu schulen, dann dürfte sich das Ernährungsverhalten deutlich verbessern. Das aber ist schon allein aus gesundheitlichen Gründen zwingend erforderlich, so Vertreter dieser Forderung – und nicht nur sie.
Schon in den 80er Jahren ist eine große Studie über ernährungsabhängigen Erkrankungen und deren Kosten vorgelegt worden. Problematische Ernährungsweisen verursachen individuelles Leid und führen zu kaum lösbaren Finanzproblemen im Gesundheitswesen. Diese Aussagen sind mehrfach durch Studien untermauert worden. Ein unbestreitbarer Ansatzpunkt für die Forderung nach Berücksichtigung von Ernährungsfragen in der allgemein bildenden Schule?
Wer diese Forderung heute erhebt, übersieht, dass schon seit mehr als 40 Jahren Hauswirtschaftsunterricht an allgemein bildenden Schulen verankert ist. Die Generation der jetzigen Eltern von Kindern und Jugendlichen dürfte zu einem nicht geringen Teil einen mehrjährigen Hauswirtschaftsunterricht erlebt haben, sofern die Hauptschule oder die Realschule besucht worden ist. Hinzu kommt die Zahl der Mütter, die eine hauswirtschaftliche berufsbildende Schule besucht haben. In beiden Fällen hat sich der Hauswirtschaftsunterricht in der Regel weniger als „Wirtschaftsunterricht für den privaten Haushalt“ denn als „Ernährungsunterricht mit hohem Praxisanteil“ verstanden. Manche Lehrkraft im allgemein bildenden Schulwesen hat sich entschuldigt, wenn der Unterricht nicht in der Küche stattgefunden hat. Daran hat sich mancherorts noch nicht viel geändert.
Geschmacksschulung im Unterricht ist Fantasie
Man muss also sagen: Viele der heutigen Eltern, aber auch eine nicht geringe Zahl von Schülern und Schülerinnen nahmen bzw. nimmt an einem Hauswirtschaftsunterricht mit dem Schwerpunkt „Ernährung/Nahrungszubereitung“ teil. Wenn also Defizite im Ernährungsverhalten junger Menschen festzustellen sind, dann trotz der Bemühungen von Schule. Da würde dann auch eine Ausweitung des Unterrichts nicht zu anderen Ergebnissen führen, zumal ein solche Idee reine Fantasie ohne realen Hintergrund wäre. Schule ist im Bereich ihrer Kernaufgaben schon jetzt heillos überfordert. Zusätzliche Aufgaben oder Ausweitungen bei schon aufgegriffenen Aufgaben sind nicht denkbar.
Und die Lösung des Problems?
Man wird damit leben müssen, dass sich nicht alle Probleme lösen lassen. Das Slow Food Convivium Oldenburg kann – wie bisher – einen eigene „Kinderkochklub“ anbieten, vielleicht die eine oder andere Arbeitsgemeinschaft in Schulen oder noch besser: in Jugendtreffs organisieren und begleiten, vielleicht vereinzelt Kooperationen mit Schulen eingehen oder singuläre Veranstaltungen für Lehrkräfte anbieten. Wir müssen erkennen: So berechtigt unser Anliegen ist, wir können nur in kleinem Rahmen und in überschaubaren Bereichen Hilfe anbieten. Das aber sollten wir wie bisher tun.
(Armin Lewald, Universität Oldenburg)