Genussradeln 2019
Genussradeln - ein kulinarische Radeltour im vorderen Oberpfälzer Wald
Die Genussradeltour des Conviviums Regensburg, gemeinsam mit dem ADFC Regensburg hat inzwischen schon Tradition. Genuss ist immer gut und wenn sich das mit dem Kennenlernen neuer Landschaften, radeln und netten Menschen verbinden lässt, wer ist da abgeneigt? War es im letzten Jahr sogar eine zweitägige Tour im Stiftland, war dieses Jahr nur eine eintägige Tour in den vorderen Oberpfälzer Wald anberaumt.
An einem Wochenende im Juli machten sich 14 Menschen mit ihren Fahrrädern in Regensburg per Zug auf nach Roding. Von dort hieß es erst einmal einige Hügel zu bewältigen; es waren zwar nicht die sieben Berge aber bei den vorherrschenden sommerlichen Temperaturen war es doch eine besondere Herausforderung aus dem Regental die Höhenzüge des Vorwaldes zu erklimmen. Dafür wurden wir alle mit einer wunderschönen Aussicht in den Oberpfälzer Wald bis in die Grenzregionen nach Tschechien belohnt. Ziel war die kleine Ortschaft Kalsing mit der "D' Weiberwirtschaft", einem seit 2018 im Slowfood Genussführer geführten Dorfwirtshaus, das mit seiner innovativen Küche glänzt. Wirtin Susanne Stangl empfing uns auf der schönen, schattigen Terrasse an der Dorfstraße. Nach dem der erste Durst gelöscht war und die Vorspeise eines wunderbaren und leichten Dreigänge Menüs serviert war, erläuterte uns Susanne Stangl die Philosophie und die Entstehungsgeschichte des in den 90er Jahren fast verlorenen Dorfwirtshauses. Ihre Eltern, Monika und Johann Stangl hatten den Mut und die Kraft, das alte Haus zu erwerben, neu aufzubauen und wieder zu dem zu machen, was ein Wirtshaus auf dem Land sein soll, Treffpunkt für Feiern, zum guten Essen oder einfach nur zum Treffen am Feierabend am Stammtisch. Nach der Vorspeise - hausgebeizte Lachsforelle oder Bio-Ziegenkäse - stand wahlweise zarter Lammbraten aus eigener Zucht oder Hansgirgl (eine Oberpfälzer Spezialität ähnlich Reiberknödel) mit Frühlingsrahmgemüse zur Verfügung. Die abschließende süße Versuchung aus Küchl, Zimtnudeln oder Creme Brüllée sorgte für allseitiges Wohlgefühl. Aber vor unserer Abfahrt überraschte uns Susanne auf ihrer Ziach noch mit drei netten Bayerischen Gstanzl.
Dadurch beschwingt fuhren wir weiter, aber Gott sei Dank war das nächste Ziel nicht weit entfernt, denn der Biogemüsehof mit 19 ha Anbaufläche liegt am anderen Ende von Kalsing. Was für die Wirtin der Weiberwirtschaft ein ungeheurer Vorteil ist, wenn am Sonntag mal etwas ausgeht, braucht sie nur beim Michael Simml anrufen und fragen, von welchem Feld sie noch Gemüse oder Salat holen darf. Der Biolandhof Simml gehört zu den ältesten Ökobetrieben in unserer Region. Senior Michael Simml gilt als Pionier des Biolandbaus und wurde als "der Bauer, der das Gras wachsen hört" u.a. Hauptdarsteller in einem Dokumentarfilm. Michael Simml Junior ist ein Gemüsebauer, der mit seiner Zufriedenheit und seinem Glück so ansteckend auf alle wirkte, dass die Müdigkeit nach dem Essen schnell verflogen war. Über zwei Stunden führte er uns über den Hof, durch seine Gewächshäuser und auf seine Felder und hat uns in beispiellosen Erzählungen die Hintergründe des seit den 80er Jahren als Biohof geführten Betriebs erläutert. Seine Kunden hat er in Cham und Roding auf den Wochenmärkten und Donnerstags am Abend auf dem Hof. Auf einen Bauernladen verzichtet er bewusst, um Personal und Kosten zu sparen. "Ich selbst arbeite unter dem Mindestlohn, aber ich bin mein eigener Herr und mehr als zufrieden!"
Neben Kartoffeln, Salaten, Gurken, Tomaten, Zucchini, Paprika, Fenchel versucht sich Michael seit einigen Jahren im Obstbau. Trotz der Warnung seiner landwirtschaftlichen Berater hat er inzwischen einige Apfel- und Birnensorten gefunden, die auch in dem rauen Klima des vorderen Oberpfälzer Wald einen guten Ertrag liefern. Anfangs erntete er natürlich von seinen Landwirtschaftskollegen im Dorf mitleidvolle Blicke und viele gaben ihm keine lange Überlebenschance. Inzwischen ändert sich der Blick und die Schwierigkeiten mit den klimatischen Herausforderungen unserer Zeit richtig umzugehen, das Bodenleben und den Wasserhaushalt richtig steuern zu können und mit dem richtigen Anbau darauf zu reagieren, geben seinem eingeschlagenen Weg recht. "Alles gehört mir, ich habe keine Hypotheken und die Angst vor steigenden Schulden oder einer Abhängigkeit von wem auch immer, kenne ich nicht! "Gibt es ein schöneres Argument, dass der eingeschlagene Weg und die nachhaltige Produktionsweise der richtige Weg sind?
Schweren Herzens mussten wir die interessanten Gespräche mit Michael Simml gegen 16:00 Uhr beenden, da die Weiterfahrt über Falkensteig noch zu bewältigen war. Nochmals galt es Täler und Hügel zu überwinden, bevor wir dann endlich in Falkensteig den Radweg auf der alten Bahnstrecke nach Regensburg erreichten. Vor hier aus schnurrten die Räder fast von alleine und es war eine Wohltat, nach all den Anstrengungen, mit der Abendsonne langsam Regensburg zu erreichen. Die Genusstour hatte allen beste Einblicke in die Schwierigkeiten gegeben, denen heute die Betreiber von guten Wirtschaften und die Produzenten von guten Lebensmitteln ausgesetzt sind. Verständnis für Ihre Situation zu haben aber auch Bereitschaft zu zeigen durch eigenes Tun und Handeln diese Menschen zu unterstützen hat sicher bei vielen Teilnehmern nachgewirkt.
Adressen:D'Weiberwirtschaft, Kalsing 16, 93426 Roding; Telefon: 09467/711409 Öffnungszeiten: Do bis Sa ab 17:00 Uhr, So ab 10:00 Uhr
https://www.dweiberwirtschaft.de/
Hof Michael Simml, Kalsing 8; 93426 Roding; Telefon: 09467 1245
www.lfl.bayern.de/iab/landbau/176225/index.php
Autor: Ulrich v. Spiessen, Lore-Kullmer-Str. 177, 93053 Regensburg