Geschmacksschulung mit Kindern
Geschmacksschulung mit Kindern - Das Geheimnis von süß und sauer lüften
(Quelle: Stuttgarter Zeitung online vom 31.08.2006, von Sascha Sauer)
Wie schmeckt Essen eigentlich? Dieser so scheinbar simplen Frage haben Kinder im Rahmen des Sommerferienprogramms nachgespürt. Doch Vorsicht: einige Lebensmittel schmecken ganz anders als sie aussehen.
Jana sucht nach Worten. Das Mädchen hält sich ihre Hand an die Kehle, stöhnt leise, und die weit aufgerissenen Augen verraten eine Mischung aus Entsetzen und Erstaunen. "Das ist Salzwasser", sagt die Zehnjährige und schüttelt sich nochmal kräftig. Das war gemein. Zuvor hatte sie schon einen Schluck aus einer gleich aussehenden Pipettenflasche genommen - da war allerdings bitterer Schwarztee drinnen. "Bei uns geht alles über Probieren, weniger über Nachdenken", sagt Josef Brändel, ein Mitglied des Vereins Slow Food.
Um dem Geheimnis von süß und sauer auf die Spur zu kommen, sind rund 20 Kinder ins Stuttgarter Jugendamt gepilgert. Das Amt hatte zum ersten Mal zusammen mit Slow Food einen Geschmacksparcour aufgebaut. "Wir wollen, dass die Kinder sich die Vielfalt der Geschmacksrichtungen einprägen - und das mit allen Sinnen", erklärt Roman Lenz. Darüber hinaus sollen die kleinen Gourmets insbesondere für frische Produkte sensiblisiert werden, sagt der Leiter der Regionalgruppe Slow Food Stuttgart.
Eine Erfrischung auf dem Geschmacksparcour verspricht die "Station Sehen". Drei Ein-Liter-Flaschen Saft stehen nebeneinander aufgereiht, und die Kinder sollen durch einen Probeschluck die Sorte bestimmen. Ein Etikett gibt es nicht, und die Farben der Getränke Gelb, Grün und Rot geben keinen wirklichen Aufschluss über den Inhalt. "Ich dachte bei der roten Flüssigkeit handelt es sich um Beerensaft", sagt Antonia. "Bei dem grünen Saft habe ich auf etwas Saures getippt." Doch nach einer wiederholten Geschmacksprobe weiß es die Elfjährige besser: Alle drei Flaschen sind mit Apfelsaft gefüllt. "Was man visuell wahrnimmt, wirkt sich auch auf die Geschmacksemfindung aus", erklärt Josef Brändel. "Das Auge isst ja bekanntlich mit."
Nachdem die Kinder alle fünf Stationen des Parcours erfolgreich gemeistert haben, heißt es für die Acht- bis Zwölfjährigen: ran an die frischen Lebensmittel und daraus ein kleines Mittagsmenü zaubern. Auch Julia sitzt vor einem Schneidebrett und verarbeitet mit dem Messer Kiwis und Äpfel zu einem Obstsalat. "Bei dem Regenwetter ist so ein Wetter perfekt", sagt die Gymnasiastin und holt weitere Früchte aus der Küche.
"Kinder sollen auch etwas anderes kennen lernen als nur Fastfood", sagt Heike Simmerlein. Deshalb bereiten sie einen Obstsalat und eine Gemüsepizza eigenhändig zu. Die Mitarbeiterin des Jugendamts hat beobachtet, das einige Kinder Probleme mit der richtigen Zuordnung mancher Lebensmittel hätten: "Bei einer Riechdose, die mit Pfefferminze gefüllt ist, sagten einige, das sei Zahnpasta oder Kaugummi."
Die zehnjährige Jana hat inzwischen ihren kurzfristigen Salzwasserschock überwunden. Vergnügt rollt sie den selbst gemachten Pizzateig auf einem Backblech aus. "Den Teig vorher kneten, war das Beste heute - der hat so schön an den Fingern geklebt." Auch die Jugendamtmitarbeiterin Heike Simmerlein blickt zufrieden über die Kinderköpfe hinweg: "Die sind so emsig am Werk, da müssen wir anschließen bestimmt einen Reinigungstrupp in das Zimmer schicken."